Siddur

bearbeitet von Anett Gottschalk

Fol. 1r
Fundort der Geniza Wohra
Inventarnummer 45
Umfang 7 Blätter und zahlreiche kleine Fragmente
Erhaltungszustand Text gut lesbar. Bei den größeren Fragmenten ist jeweils ca. ein Viertel einer Seite erhalten.
Sprache(n) Hebräisch, Jiddisch
Autor / Herausgeber, Schreiber Vermutlich Wolf Heidenheim (Hrsg.)
Jahr 19./20. Jahrhundert
Ort Vermutlich Rödelheim

Beschreibung und Einordnung

Das Fragment Nr. 45 besteht aus sieben Blättern und zahlreichen weiteren kleinen Seitenteilen. Diese Teile wurden unter einer Signatur zusammengeschlossen, da sie sich als ein Knäuel in der Geniza der Wohraer Synagoge befanden. Bisher konnte jedoch nicht geklärt werden, ob wirklich alle Teile ursprünglich zu demselben Werk gehörten oder erst nachträglich bei der Abgabe in die Geniza zusammengefügt wurden.

Der hier als Blatt 1 bezeichnete Teil des Fragments gab den ersten Anhaltspunkt über die Zuordnung zur Gattung der Gebetsliteratur. Die Rückseite (1v) beinhaltet die Überschrift שלשה עשר עקרים – Die Dreizehn Grundlehren – und diesen vorausgehend mit dem Bibelvers Exodus 20,14 das letzte der Zehn Gebote.

Bei den Dreizehn Grundlehren handelt es sich um die 13 Glaubenslehren des Maimonides. Sie wurden von Moses ben Maimon (auch RAMBAM oder Maimonides, 1135-1204) als Einleitung zu seinem Mishnakommentar zum Traktat Sanhedrin 10 auf arabisch verfasst. Später wurden sie auch ins Hebräische übersetzt. In Form eines Glaubensbekenntnisses erschienen sie vermutlich zuerst in der 1566 in Venedig gedruckten Haggada. Später wurden sie in ashkenasischen Gebetbüchern als Anhang dem täglichen Morgengebet hinzugefügt. Heute werden sie dort hinter den Zehn Geboten abgedruckt.

Es ist naheliegend, dass die Fragmente aus dem in Deutschland sehr häufig auftretenden Siddur-Ausgaben (jüdisches Gebetbuch) von Wolf Heidenheim (1757-1532) aus Rödelheim handelt, welches in zahlreichen Auflagen erschienen ist. Ein Vergleich mit dem Heidenheim-Siddur aus dem Jahr 1893 ergab eine Übereinstimmung in Druckbild und Zeilenumbruch: Blatt 1 des Fragments entspricht hier Seite 38 (1v) und Seite לט (1r). Es ist hierbei ca. ein Viertel der Seite erhalten geblieben. Der Vergleich ermöglichte die Zuordnung eines zweiten Blattes des Fragments: Es handelt sich hierbei um die Seiten 45 (2v) undמו   (2r).

Ein weiterer Teil des Fragmentes stimmt hingegen nicht mit der Heidenheim-Ausgabe von 1893 überein. Zwar lässt sich die Vorderseite von Blatt 3 (3r) mit Seite 136 identifizieren, doch stimmen der Zeilenumbruch sowie die Trennstriche zwischen einzelnen Versen nicht überein. So ergibt sich für Blatt 3 nur eine inhaltliche aber keine formale Übereinstimmung mit der Ausgabe 1893. Auch ist der Inhalt der Rückseite (3v) nicht in der näheren Umgebung von S. 136 zu finden. Hieraus ergeben sich zwei Möglichkeiten: 1. Bei dem Fragment handelt es sich nicht um die Siddurausgabe von Heidenheim aus dem Jahr 1893, sondern um eine andere Auflage, oder 2. Bei dem Fragment handelt es sich tatsächlich um jene Ausgabe, aber Blatt 3 gehört zu einem anderen Fragment, einer anderen Auflage oder Ausgabe des Gebetsbuches.

Zum augenblicklichen Zeitpunkt erachte ich die zweite Möglichkeit als wahrscheinlicher. Eine definitive Zuordnung zu einer Ausgabe kann jedoch erst die Untersuchung aller Blätter des Fragments bringen. Diese Arbeit steht bisher noch aus. Ein Vergleich mit Siddur-Ausgaben von Heidenheim aus den Jahren 1821, 1822, 1853 und 1935 ergab jedoch keine Übereinstimmung von Blatt 1-3.

Fol. 1v
Fol. 3v
Fol. 3r
 

Anett Gottschalk, Siddur, in: USE: Universität Studieren / Studieren Erforschen, 30.04.2014, URL: use.uni-frankfurt.de/geniza/fragmente/gottschalk-siddur.

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Foto(s): Horst Kuhli