Schreibübung/Strafarbeit

bearbeitet von Tatjana Meisler

Fragment: fol. 1r
Abb. 1: fol. 1r
Fragment: fol. 1v
Abb. 2: fol. 1v
Fundort der Geniza Altenschönbach
Inventarnummer F IX
Umfang 1 Blatt, Handschrift, beidseitig beschrieben
Fragment ggfs. weiteren Schreibübungen der jüdischen Schule in Altenschönbach
Erhaltungszustand vergilbt, rissig, kleinere Löcher und Risse, schwarze, verblasste Tinte, liniertes Papier, Falten, geknickte Stellen, abgerissene Stellen
Sprache(n) Deutsch in hebräischer Kursive
Autor / Herausgeber, Schreiber unbekannt; vermutlich Schüler, männlich
Jahr zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts
Ort Altenschönbach (Unterfranken)

Beschreibung und Einordnung der Quelle

Bei dem vorliegenden Fragment handelt sich um eine Handschrift. Das Blatt ist beidseitig mit Tinte beschrieben, die im Laufe der Zeit teilweise verblasst ist. Das Papier weist bisweilen kleine Löcher sowie Abreibungen, kleinere Risse und Knickstellen auf. Die hebräische Schrift ist unsicher und nicht gleichmäßig. Daher liegt die Annahme nahe, das Schriftstück sei von jemandem, der die hebräische Schrift noch nicht verinnerlicht hat, angefertigt worden - vielleicht von einem Kind oder einem Jugendlichen.

Diese Vermutung wird durch die stetige Wiederholung jeweils desselben Satzes bestätigt, der auf eine Schreib- oder Strafarbeit eines Schülers hindeutet. Es handelt sich um folgende Sätze:

Wie Wasser auf den glatten Stein, so des Thoren Rede unter Verständigen (fol. 1r).

Die Verehrung Gottes erfreut das Herz, schenkt Heiterkeit und Vergnügen und langes Leben (fol. 1v).

Beide Sätze beinhalten religiöse Motive, biblische Verweise und sittliche Moralhinweise - so wird die Verehrung Gottes (fol. 1v) gepriesen bzw. ein biblisch motiviertes Gleichnis (fol. 1r) verwendet (s.u.).

Es handelt sich um Deutsch in hebräischen Lettern. Daher kann die Quelle ins 19. Jahrhundert datiert werden, da die Schreibweise von Deutsch in hebräischer Kursive für diese Zeit gebräuchlich war. Eine Besonderheit stellen die deutschen Diakritika dar, nämlich die Pünktchen des a-Umlauts, welche im Text über den hebräischen Buchstaben Alef ergänzt werden. Sowohl deutsche Wörter als auch in die hebräische Schrift eingepflegte Umlautzeichen schließen aus, dass es sich bei dem vorliegenden Fragment um Jiddisch handelt, und offenbaren den Text trotz seiner hebräischen Schrift als Deutsch. Das Fragment zeigt daher eine interessante Symbiose beider Schriftsprachen, die für diese Zeit typisch war.

Die zeitliche Einordnung der Quelle lässt sich aber auch an dem Wirken und Leben des jüdischen Lehrers Joseph Silberman (1817-1896) in Altenschönbach festmachen, dessen schriftlicher Nachlass aus seinem Unterricht in zahlreichen Funden der Geniza Altenschönbach zu Tage gekommen ist. Weitere Informationen über sein Wirken findet man unter: http://www.alemannia-judaica.de/altenschoenbach_synagoge.htm

 

Assoziation zum Inhalt

In fol. 1r wird eine Zeile wiederholt, welche inhaltlich vermutlich lose auf den Sprüchen König Salomons basiert, in denen die Handlung gegenüber Toren häufig mit Steinen verglichen wird, während der Rede eines Toren wenig Erkenntnis zugeschrieben wird. Z.B.:

„Den Stein bindet in der Schleuder fest, wer einem Thoren die Ehre erweise.“ (Spr 26,8)

„Ein Dornzweig geriet in die Hand eines Betrunkenen: ein Weisheitsspruch in den Mund der Toren.“ (Spr 26,9)

„Der Kluge tut alles mit Überlegung, der Tor verbreitet nur Dummheit.“ (Spr. 13,16)

Der glatte Stein könnte auch auf den biblischen David verweisen, der einen ebensolchen Stein verwendete, um Goliath zu bekämpfen (Sam. 17,40).

In fol. 1v wird die Verehrung Gottes für ein glückliches und langes Leben angepriesen.

Tatjana Meisler, Schreibübung/Strafarbeit, in: USE: Universität Studieren / Studieren Erforschen, 30.04.2014, URL: use.uni-frankfurt.de/geniza/fragmente/meisler-strafarbeit.

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Genisaprojekt Veitshöchheim, Foto: Elisabeth Singer-Brehm