Prof. Dr. Jens-Holger Lorenz

Jens-Holger Lorenz
Studium 1966-1970 (Mathematik, Physik)

Interview: Pia Bonk; Schnitt und Text: Juliette Heinikel

Seinen ersten Tag an der Uni hat Jens-Holger Lorenz noch sehr gut in Erinnerung. „Etwas vollkommen anderes“ sei es gewesen und „sehr überwältigend“. Die Hörsäle sehr voll, fast alles Männer. Ein gewohntes Bild für Lorenz, der ein naturwissenschaftliches Jungengymnasium besucht hatte. Den Aufbau seines Mathematikstudiums kritisiert er noch heute: Man habe Dinge lernen müssen, deren Sinn und Bedeutung erst viele Semester später deutlich geworden sei. Als Ausgleich zum starren Mathestudium besuchte er gern die Vorlesungen des Soziologen Theodor W. Adorno und des Pädagogen Heinz-Joachim Heydorn.

Gemeinsam mit vielen ehemaligen Klassenkameraden kam Lorenz nach dem Abitur in Frankfurt an die Goethe-Universität. In Frankfurt zu bleiben war auch aus finanziellen Gründen naheliegend, so konnte er zunächst bei seinen Eltern wohnen bleiben. Erst im dritten Semester zog er in eine eigene Wohnung.

Seinen Lebensunterhalt finanzierte er mit einem ungewöhnlichen Nebenjob: Er spielte Karten mit Taxifahrern und Zuhältern. Das sei Arbeit und Vergnügen zugleich gewesen, sagt er heute.

Als prägend beschreibt er die sogenannte 68er-Bewegung. Für ihn sei besonders  die Forderung nach mehr studentischer Mitbestimmung an der Universität wichtig gewesen. Lorenz berichtet von Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Studierenden auf dem Campus in Bockenheim, bei denen auch Wasserwerfer zum Einsatz kamen. Die Studierenden hätten sich in der Zeit als politische Elite wahrgenommen.

Neben Studium und Politik blieb immer noch Zeit: Er kannte damals sämtliche Filme und Theaterstücke, erzählt er. Zu den wertvollen Erinnerungen gehört für ihn auch die Zeit, die er mit seinen Freunden und ehemaligen Klassenkameraden verbrachte:Wir hatten damals nur Quatsch im Kopf.“

Die 68er-Bewegung habe auch seine Berufswahl beeinflusst. Nach Abschluss des Mathematikstudiums studierte er noch Pädagogik und Psychologie, machte eine Ausbildung zum Analytischen Kinder- und Jugendtherapeuten. Rechenschwäche von Grundschulkindern ist das Schwerpunktthema seiner Forschungen als Mathematikdidaktiker geworden. Auch nach seiner Emeritierung ist er in „seiner Stadt“ Frankfurt als Seniorprofessor am Institut für Didaktik der Mathematik und Informatik tätig.