Sozialforschung & Fotografie: Leben und Studieren am FB 04
im Sommersemester 2009
Leben und Studieren am Fachbereich 04
von Mathias Buga und Dennis Ullrich
„Der Akt Photos aufzunehmen, sie aufzubewahren oder sie anzuschauen, kann in fünffacher Weise als befriedigend erlebt werden: «als Schutz gegen die Zeit, als Kommunikation mit anderen und Ausdruck von Empfindungen, im Sinne von Selbstverwirklichung, unter dem Aspekt des gesellschaftlichen Prestiges sowie als Zerstreuung oder Flucht aus dem Alltag».“ (Bourdieu, Pierre, Kult der Einheit und kultivierte Unterschiede, in: Pierre Bourdieu u.a., Eine illegitime Kunst. Die sozialen Gebrauchsweisen der Photographie (= eva Taschenbuch 250), Hamburg 2006, S. 25-84, hier S. 26f.)
In der erziehungs- und sozialwissenschaftlichen Forschung hat die Fotografie wegen ihrer Technik und Komplexität wenig Eingang gefunden. Dennoch ist sie in jedem gesellschaftlichen, sowie im erziehungswissenschaftlichen Bereich, durchaus präsent und kaum wegzudenken. Zugespitzt könnte man auch sagen, dass wir uns einer immer größeren Bilderflut ausgesetzt sehen.
Im Seminar Sozialforschung und Fotografie von Dr. Günter Burkart sollte gezeigt und hinterfragt werden, inwiefern Fotografie als Instrument der Datenerhebung eine brauchbare Quelle für erziehungswissenschaftliche Untersuchungen darstellt. Das Seminar bestand aus der Vermittlung theoretischer Ansätze zur Diskussion um den Einsatz der Fotografie in der qualitativen empirischen Forschung und aus der Durchführung praktischer Übungen zur Bildgestaltung und Interpretation. Da in der qualitativen Forschung die Beobachtung eines der zentralen Mittel ist, lernten die Teilnehmer/innen Fotografie als eine Form der Beobachtung kennen. Das Thema dieser Beobachtungen war die Studiensituation der Studenten am Fachbereich 04.
Die Teilnehmer/innen fotografierten selbst in Seminaren, Vorlesungen und auf dem gesamten Unicampus Bockenheim und versuchten typische Situationen eines Studenten des Fachbereiches 04 festzuhalten oder aber auch in Gruppenarbeiten darzustellen (zu inszenieren). Die daraus entstandenen Fotos stehen somit meist in einem Spannungsfeld zwischen Zufall und Inszenierung.
Unbeobachtete Aufnahmen können als Quelle dienen, da ein Auswahlprozess stattfindet und das Problem der Inszenierung umgangen wird. Somit bleiben beispielsweise Körperhaltung, Kleidung und Gestik authentisch. Inszenierte Aufnahmen werden durch den Einsatz von Licht und Schatten, Raumanordnung, Körperhaltung und Gesten gestaltet und beeinflusst. Sowohl Inszenierung als auch Zufall lassen die Subjektivität des Betrachters nicht vermeiden. Fotografieren bleibt somit ein Akt der subjektiven Konstitution von Wirklichkeit.
Für die erziehungswissenschaftliche Forschung ist Fotografie besonders geeignet, wenn die Fotografien Körper, Haltung, Mimik und Gestik bewahren und anders als das sprachliche Gedächtnis Details, Gewohnheiten und Alltagsdinge abbilden. Das Foto bietet einen Schnitt durch die Zeit, es hält ein Ereignis und dessen Sinngehalt fest, in dem sich das, was abgebildet wurde, konzentriert. In diesem Zusammenhang sind Fotografien besonders wertvoll für einen empirischen Zugang, da sie uns eine Fülle von alltagsgeschichtlichen Erkenntnissen vermitteln können.
Für die Ausstellung haben die Teilnehmer/innen des Seminars Fotos produziert und ausgewählt, die das Leben und Studieren am Fachbereich 04 und dessen soziale Realität abbilden sollen.
Bei den ausgestellten Fotos wurde ganz bewusst auf Bildlegenden bzw. Überschriften verzichtet, da diese uns oft vorgeben, was wir auf Fotos sehen sollen. Die Besucher sollen sich jedoch eine eigenes „Bild“ machen und die Fotografien „zum Sprechen“ bringen. Das uns allen bekannte Sprichwort: „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ verdeutlicht die Wirkung, die ein Bild auf den Betrachter aus üben kann!
eLecture zum Thema Sozialforschung und Fotografie
Sprecher: Dr. Günter Burkart
Aufzeichnung vom 31. Mai 2012 (HRZ-Login erforderlich) [Ansehen]
Informationen zur Veranstaltung
Dozent: Dr. Günter Burkart
Veranstaltungsart: Seminar
Semester: SoSe 2009
Fachbereich / Institut: Erziehungswissenschaften (FB 04), Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung
Die Fotoausstellung
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