Helmut Anthony Hatzfeld
- Privatdozent und außerordentlicher Professor für romanische Philologie an der Universität Frankfurt am Main zwischen 1923 und 1932
- Emigrierte im November 1938 nach Belgien und 1940 in die USA
- Spezialist für komparatistische Literatur- und Sprachforschung, mystische Literatur, Barock und Rokoko
- Schüler von Matthias Friedwagner // Lehrer von Josef Kunz
- An der Universität Frankfurt zeitgleich mit Hellmuth Petriconi, Karl Muth, Joseph Vernay, Nicola Finta, Erhard Lommatzsch, Martin Sommerfeld, Franz Schultz, Hans Naumann, Leo Löwenthal, Max Kommerell, Arnold Hirsch, Ernst Erich Noth, Julius Schwietering, Hermann August Korff, Wilhelm Emrich
Helmut Anthony Hatzfeld wurde am 4. November 1892 in Bad Dürkheim geboren. Seine Eltern waren Konrad Hatzfeld, Weinhändler, und Hortensia Hatzfeld (geb. Maas). Er besuchte das Humanistische Gymnasium in Neustadt an der Weinstraße, wo er 1911 sein Abitur ablegte. Von 1915 bis 1918 war er Soldat im Ersten Weltkrieg; ab 1916 als Leutnant der Reserve. Auf Grund seiner Sprachkenntnisse wurde er im Frühjahr 1918 bis Kriegsende an die Dolmetscherschule Berlin geschickt. Im August 1924 heiratete er Herta Maria Scheitel, die in München als Lehrerin tätig war. Im November 1938 emigirierten beide über Belgien in die USA und nahmen dort die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an. Hatzfeld starb am 18. Mai 1979 in Washington, D.C..
1911 | Studium der Romanistik und Anglistik in München, Grenoble, Berlin und Edinburgh |
1915 | Promotion an der Universität München (bei Karl Vossler) mit einer Dissertation zum Thema: "Über die Objektivierung subjektiver Begriffe im Mittelfranzösischen: Ein Beitrag zur Bedeutungslehre" |
1922 | Habilitation an der Universität Frankfurt am Main (bei Matthias Friedwagner) mit einer Habilschrift über die "Bedeutungsverschiebung durch Formähnlichkeit im Neufranzösischen" |
1923-1932 | Dozent an der Universität Frankfurt (Privatdozent bis 1929, nach der Ernennung zum außerordentlichen Professor weiterhin Lehre bis zum WiSe 1931/32) |
1928-1929 | Vertretung des verwaisten Lehrstuhls Alfred Pillets in Königsberg |
1932 | Außerordentlicher Professor an der Universität Heidelberg (im Rahmen eines persönlichen Ordinariats als Nachfolger des entlassenen Olschki) |
1935 | Suspendierung vom Dienst an der Universität Heidelberg. Zuvor war Hatzfeld, obwohl er als "Nicht-Arier" galt, aufgrund der Frontkämpfer-Ausnahmeklausel im Dienst belassen worden. |
November 1938 | Emigration über Belgien (Katholische Universität Löwen) in die USA |
1940-1962 | Professur an der Catholic University of America (CUA) in Washington, D.C. |
1961 | Ernennung zum Honorarprofessor der Universität Heidelberg durch den Ministerpräsidenten Kurt Georg Kiesinger |
Monographien und Sammelbände
- Über die Objektivierung subjektiver Begriffe im Mittelfranzösischen. Ein Beitrag zur Bedeutungslehre. Borna-Leipzig 1915 (München, Diss. 1915)
- Sprachlich-literarische Plaudereien: 12 Skizzen aus dem Felde. München 1916-1917
- Von Freund und Feind: zehn flüchtige Kapitel zur europäischen Literatur, München 1917
- Paul Claudel und Romain Rolland. Neufranzösische Geistigkeit, München 1921
- Einführung in die Sprachphilosophie, München 1921
- Jean-Jacques Rousseau, München 1922
- Einführung in die Interpretation neufranzösischer Texte. München 1922
- Einführung in die Interpretation englischer Texte. München 1922
- François Rabelais, Leipzig 1923
- Der französische Symbolismus, München/Leipzig 1923
- Führer durch die literarischen Meisterwerke der Romanen, München 1923
- Über Bedeutungsverschiebung durch Formähnlichkeit im Neufranzösischen: eine semasiologisch-lexikographische Studie, München 1924
- Die französische Renaissancelyrik, München 1924
- (mit Victor Klemperer und Fritz Neubert) Die romanischen Literaturen von der Renaissance bis zur Französischen Revolution, Wildpark-Potsdam 1924
- Führer durch die literarischen Meisterwerke der Romanen, Bd. 2: Meisterwerke der spanischen Literatur, München 1926
- Führer durch die literarischen Meisterwerke der Romanen, Bd. 1: Meisterwerke der italienischen Literatur, München 1926
- Don Quijote als Wortkunstwerk, Leipzig/Berlin 1927; span. Ausgabe: El „Quijote“ como obra de arte del lenguaje, traducción de M.C. de I., Madrid 1949
- Wechselbeziehungen zwischen der deutschen Literatur und den übrigen europäischen Literaturen, Bielefeld 1927
- Leitfaden der vergleichenden Bedeutungslehre: eine Zusammenstellung charakteristischen semasiologischen Beispielmaterials aus den bekanntesten Sprachen, München 1927 (2. Aufl. 1928)
- La investigación estilística en las literaturas románicas, traducción y notas de A. Alonso y R. Lida, Buenos Aires 1932
- (mit Karl Vossler und Leo Spitzer) Introducción a la estilística romance, traducción y notas de Amado Alonso y Raimundo Lida, Buenos Aires 1932
- Religiöser Aufbruch im geistigen Frankreich von heute, Freiburg 1933
- Literature through art: a new approach to French literature, New York 1952
- A critical bibliography of the new stylistics applied to the Romance literatures, Chapel Hill 1953; spanische Ausgabe: Bibliografía crítica de la nueva estilística, Madrid 1955
- Estudios literarios sobre mística española, Madrid 1955
- Trends & styles in twentieth century French literature, Washington 1957
- (mit Yves Le Hir) Essai de bibliographie critique de stylistique française et romane, Paris 1961
- Der gegenwärtige Stand der romanistischen Barockforschung, München 1961
- Estudios sobre el Barroco, traducción de Ángela Figuera (del ingles), Carlos Clavería (del alemán) y M. Miniati (del italiano), Madrid 1964
- (Hg.) Don Quijote. Forschung und Kritik, Darmstadt 1968
- Santa Teresa de Avila, New York 1969
- The Rococo: eroticism, wit, and elegance in European literature, New York 1972
- Estudios de literaturas románicas, Traducción del alemán, inglés y francés de Rosa Kuhne, Barcelona 1972
- Explicación de textos literarios, Sacramento 1973
- Romanistische Stilforschung, Darmstadt 1975
- Estudios de estilística, Barcelona 1975
Artikel/Beiträge
- Die französische Lyrik. In: Handbuch der Frankreichkunde. Mit Beiträgen von Helmut Hatzfeld, Eugen Lerch und Lutz Mackensen. Frankfurt am Main 1928, S. 147-202
- La imitación estilistica de „Madame Bovary“ (1857) en „La regenta (1884). In: Thesaurus 32 (1977), S. 40-53
SoSe 1923 | Die französische Renaissancelyrik Kulturelle Einflüsse auf die französische Sprachentwicklung Saint-Simon, La France |
WiSe 1923/24 | Cervantes und sein Don Quijote |
SoSe 1924 | Cervantes' Don Quijote II |
WiSe 1924/25 | Geschichte der spanischen Literatur von den Anfängen bis zur Zeit Calderóns |
SoSe 1925 | Form- und Stilprobleme in der französischen Literatur Übungen zur französischen Gesellschaftsgeschichte Lektüre eines schwierigen modernen Prosaikers |
WiSe 1925/26 | Haupterscheinungen der französischen Bedeutungslehre |
SoSe 1926 | Geschichte der italienischen Renaissanceliteratur |
WiSe 1926/27 | Die Entwicklung der französischen Prosa vom Mittelalter bis zur Gegenwart Altfranzösische Übungen Übungen zum französischen Klassizismus Übungen zum französischen Expressionismus |
SoSe 1927 | Vergleichende Stilistik und Semantik der romanischen Hauptsprachen Übungen zur Sprachkunst Bossuets |
WiSe 1927/28 | Methodik stilgeschichtlicher Literaturbetrachtung |
SoSe 1928 | Geschichte der französischen Lyrik von den Anfängen bis zur Gegenwart |
WiSe 1928/29 | Die Romantik in den romanischen Ländern Interpretationsübungen an französischen Gedichten |
SoSe 1929 | Die Romantik in den romanischen Ländern Interpretationsübungen an französischen Gedichten |
WiSe 1929/30 | Die Romantik in den romanischen Ländern Interpretationsübungen an französischen Gedichten |
SoSe 1930 | Historische Wortbildungslehre der französischen Sprache Interpretationsübungen an Rousseau-Texten für Anfänger Übungen (für Geübtere) zum Wandel der Religiösität in Frankreich |
WiSe 1930/31 | Geschichte der französischen Literatur im Mittelalter |
SoSe 1931 | Geschichte der französischen Literatur von 1850-1914 Rabelais-Lektüre für Anfänger Stilkritische Übungen zur französischen Prosa |
WiSe 1931/32 | Historische Laut- und Formenlehre der französischen Sprache |
Quelle: Vorlesungsverzeichnisse der Universität Frankfurt am Main.
Helmut A. Hatzfeld; Bild: Mit freundlicher Genehmigung der Catholic University of America, Washington, D.C.
Vielseitig und weltumfassend: Hatzfelds Romanistik
Helmut Anthony Hatzfeld kam 1922 an die Universität Frankfurt. Dort vollendete er bei Matthias Friedwagner seine linguistische Habilschrift. Bereits ein Jahr später hielt er seine akademische Antrittsvorlesung über Dante und Tasso als religiöse Epiker. Es waren seine weitreichenden, auch über die Romania hinausgehenden Kulturkenntnisse, die immer wieder Einfluss auf sein wissenschaftliches Tun nahmen und ihn zur umfassenden Stilbetrachtung literarischer Werke ermunterten, wie er sie beispielsweise in Don Quijote als Wortkunstwerk unter Beweis stellte. Sie gingen wohl auch in jene Publikationen ein, die im Zeichen eines geistig geeinten Europas standen und als Konsequenz der Erfahrungen des Ersten Weltkriegs verstanden werden können. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten musste Hatzfeld Deutschland dann trotz der Frontkämpfer-Klausel, die ihn zunächst schützte, doch verlassen. In den USA setzte er seine akademische Laufbahn als Professor an der Catholic University of America mit Erfolg fort. Nach Deutschland kehrte er später lediglich für einige Gastvorträge zurück.
...Literatur als Mittel der Völkerverständigung
Helmut A. Hatzfeld kämpfte im Ersten Weltkrieg als Frontkämpfer. Zuvor hatte er sich, mit dem durch die Promotion abgeschlossenen Studium der Romanistik, bereits intensiv für die Sprache und Literatur des ‚Feindes’ Frankreich interessiert. Er hatte zudem durch Auslandsaufenthalte in Frankreich und Großbritannien während seiner Studienzeit bereits Erfahrung darin gesammelt, sich in anderen Kulturen zu bewegen und sich dem politischen Zeitgeschehen aus anderer als deutscher Perspektive zu widmen. [Weiterlesen]
...Stilistik und Cervantes' "Don Quijote"
Im Roman El ingenioso hidalgo Don Quijote de la Mancha von Miguel de Cervantes (1547-1616) geht es bekanntlich um einen verarmten, jungen Mann, der nach exzessivem Konsum von Ritterromanen die darin beschriebenen Abenteuer selbst erleben möchte und kurzerhand beschließt aufzubrechen. Seine ritterlichen Erlebnisse werden allerdings nur in seiner lebhaften Phantasie stattfinden. Auf diese Weise gilt der Don Quijote, in dem die beliebten Ritterromane parodiert und deren exzessive Lektüre parodiert werden, als erster moderner Roman,… [Weiterlesen]
...das fiktive Tagebuch einer Emigration
Bis Helmut Hatzfeld 1940 in Washington eine neue Heimat fand, durchlief er auf seinem Weg der Emigration mehrere Etappen. Die nachfolgenden Passagen, die vorhandene Archivmaterialien und Dokumente in fiktiver Form verarbeiten, geben ein Beispiel dafür, wie er in seinen Tagebucheinträgen über die ihm widerfahrenen Ereignisse und Erlebnisse hätte berichten können. [Weiterlesen]
Im Blick der Nachwelt
„Alle, die ihn kannten, insbesonders seine Schüler und Kollegen, schätzten seinen Humor, seine Aufgewecktheit, seine Liebenswürdigkeit, seinen großmütigen und toleranten Geist." [Weiterlesen]
Essays
Helmut Anthony Hatzfeld: Ein Romanist im Dienst der Völkerverständigung
von Jana Stupperich
Bereits Helmut Hatzfelds frühe akademische Laufbahn stand unter dem Einfluss der Ereignisse seiner Zeit. Der Ausbruch des ersten Weltkriegs 1914 zwang ihn, seine Dissertation „Über die Objektivierung subjektiver Begriffe im Mittelfranzösischen; ein Beitrag zur Bedeutungslehre“ auf schnellstem Wege fertigzustellen und zu veröffentlichen – zulasten des Umfangs und der Tiefgründigkeit, wenn man Yakov Malkiel Glauben schenken will. So unvereinbar das Wesen der Romanistik und eine Teilnahme am Krieg auch scheinen: Beide waren untrennbar mit Hatzfelds Leben verbunden. Dass sich dieser besagte Aspekt auf seine Tätigkeit als Literaturwissenschaftler auswirkte, belegen Auszüge seiner Bibliografie und Lehrveranstaltungen, die er eine fachübergreifende Brücke zur internationalen Politik schlagen ließ. [Weiterlesen]
Der Romanist Helmut Anthony Hatzfeld - Ein Essay über seine Würdigung des "Don Quijote" am Beispiel der Stilmittel im Dienste der Ideengestaltung
von Nicole Buchalik
Wie viele Literaturwissenschaftler der Vergangenheit und seiner eigenen Zeit, setzte sich auch der Romanist Helmut Anthony Hatzfeld in seiner 1927 veröffentlichten Studie Don Quijote als Wortkunstwerk intensiv mit Cervantes´ Roman El ingenioso hidalgo Don Quijote de la Mancha (1605-1615), kurz Don Quijote, auseinander, der zu den bekanntesten Werken der spanischen Literaturgeschichte zählt. In dieser Studie legt Hatzfeld großen Wert darauf, den Don Quijote im Hinblick auf die darin verwendete sprachlichen Mittel zu würdigen. [Weiterlesen]
Das Porträt von Helmut Anthony Hatzfeld wurde zusammengestellt von Jana Stupperich und Ines Jäger