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Josef Kunz

...Die frühen Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg

Ein Beispiel für einen Spruchkammerbescheid, 1947; Bild: Marktgemeinde Ottobeuren, frei zugänglich unter: http://www.ottobeuren-macht-geschichte.de/


Literatur

Berns, Jörg Jochen: Prof. Josef Kunz 75 Jahre alt. Zentrales Anliegen: die deutsch-französische Aussöhnung durch Begegnung, in: Marburger Universitäts-Zeitung Nr. 127, 9. April 1981, S. 2

Hammerstein, Notker: Die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Nachkriegszeit und Bundesrepublik 1945-1972, Bd. 2, Göttingen 2012

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Lehrsituation an der Universität Frankfurt mehr als prekär. Viele Fakultäten waren durch die Emigration vieler hochkarätiger Wissenschaftler nahezu verwaist. Auch die Germanische Philologie hatte einen Schwund von Dozenten zu beklagen. Die einen, wie Karl Reinhardt, Walter F. Otto und Julius Schwietering, waren geflohen oder vom NS-Regime zwangsversetzt worden, die anderen, wie Hans Naumann, Hermann Gumbel und Hennig Brinkmann, hatten sich den Nationalsozialisten angedient und waren mit ihren politischen Ansichten für die Frankfurter Universität nicht mehr tragbar. Es herrschte ein gravierender Mangel an wissenschaftlichem Nachwuchs und so setzte nach dem Ende des Krieges eine Flut von Habilitationen ein, zumeist von Privatdozenten, die aus politischen oder ideologischen Gründen zur Zeit der Nationalsozialisten nicht zugelassen wurden. Infolgedessen erhielten zwischen 1946 und 1948 insgesamt 36 Privatdozenten ihre Venia legendi, auch Josef Kunz. Sein Weg dorthin war jedoch ein beschwerlicher.

Die Gestapo saß ihm im Nacken

Im März 1944 setzten zunächst die Luftangriffe auf Frankfurt ein und Kunz verlor mit der Zerstörung des Elternhauses nahezu seine gesamte Bibliothek. Er floh mit dem Musischen Gymnasium nach Untermarchtal, zog selbst wieder nach Hofheim zurück und begann unter schweren Bedingungen erneut mit der Arbeit an seiner Habilitation, nachdem sein erstes Gesuch 1942 abgelehnt wurde. Die Gestapo saß ihm im Nacken. 1946 habilitierte er sich bei Franz Schultz mit einer Arbeit über die Novellendichtung von Eichendorff als Höhepunkt und Krise der Spätromantik und erhielt die Lehrerlaubnis für Germanische Philologie, insbesondere für Neuere Deutsche Literatur. Kunz war nahezu pleite und erst 1951 konnte seine Habilitationsschrift gedruckt werden. Sein späterer Schüler Jörg Jochen Berns nennt sie „die erste wertend-interpretierende Studie zur Spätromantik“ (Berns 1981).

„nicht betroffen“

Die prekäre Situation an der Goethe-Universität hielt unterdessen an. Es herrschte nach wie vor ein gravierender Mangel an Lehrkräften und „die Heranbildung eines Hochschullehrer-Nachwuchses [war] die oberste Sorge der Fakultäten und der Fachvertreter“ (Hammerstein 2012, S. 40
). Für die Universität und das Institut für Neuere Deutsche Philologie erwies sich die Habilitation von Kunz als Glücksfall. Von der Spruchkammer wurde er als „nicht betroffen“ eingestuft, da er keine Beziehungen zu nationalsozialistischen Organisationen unterhalten hatte. Als Privatdozent hielt er im Juni 1947 seine Antrittsvorlesung „Das Generationsproblem in Gottfried Kellers 'Das Fähnlein der sieben Aufrechten'“ und hielt seine ersten Vorlesungen und Seminare im Wintersemester 1947. 

Außerordentliche Professur für Deutsche Philologie

Mit der Gesundheit des 71 Jahre alten Ordinarius für Neuere deutsche Literaturgeschichte Franz Schultz stand es 1948 nicht zum Besten. Im Wintersemester 1950 war Schultz bereits verstorben und der Lehrstuhl vakant. Bis zur Neubesetzung sollte Josef Kunz als Privatdozent die Aufgaben des Ordinarius übernehmen und den Lehrstuhl außerplanmäßig vertreten. Er gab in jedem Semester eine dreistündige Vorlesung und hielt bis zu zwei Seminare, die vollkommen überfüllt waren, sodass er oft in der Aula der Universität lehren musste. Bei den Studierenden war er äußerst beliebt und wurde von ihnen liebevoll „Seppl“ genannt. Er hielt Vorlesungen unter anderem über Goethe, Hölderlin, Kleist, Keller und Thomas Mann sowie zur Geschichte der deutschen Novelle. Die Bandbreite seiner angebotenen Seminare war groß. Sie umfasste Veranstaltungen über die Gattungen Drama, Prosa und Lyrik und richtete sich wohl in erster Linie an Studierende der ersten Semester. Mit dem hohen Andrang an die Universität in den frühen 1950er-Jahren war er direkt konfrontiert und hielt oft kurzerhand und außerplanmäßig Einführungsveranstaltungen. Immer mehr Kollegen setzten sich für ihn als Nachfolger von Franz Schultz ein. Als Kurt May jedoch, nach 1945 hatte er in Göttingen den vakanten germanistischen Lehrstuhl vertreten, die Nachfolge von Schultz antrat, wurde Joseph Kunz im Juni 1951 zum persönlichen Extraordinarius für deutsche Philologie und im November zum außerordentlichen Professor ernannt. Vom Sommersemester 1951 an hatte Kunz neben May, den zweiten Lehrstuhl für Deutsche Philologie inne.