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Friedrich Panzer über Volkstum und Sprache

von Anne-Marie Coordes

In seiner Rektoratsrede bei der Stiftungsfeier der Universität Heidelberg am 22. November 1926 erörtert Panzer die Entwicklung des Volkstums und der Sprache. Eingangs betrachtet Panzer die Grundlagen der Entstehung von Völkern und deren Veränderung in der Neuzeit. Geographische Grenzen verlören zunehmend an Bedeutung für die Herausbildung der verschiedenen Völker, da die Entwicklung der Infrastruktur eine Zusammenführung der Volksgemeinschaften fördere. In diesem Zusammenhang geht Panzer auch auf den Begriff der ‚Rasse’ ein und erklärt jeglichen Versuch, Völker anhand von rassischen Merkmalen abzugrenzen, zunächst als fragwürdig. Ihn interessiert vielmehr die Sprache.

Die deutsche Sprache

Voraussetzung für die Ausdifferenzierung eines Volkes sei die Sprache, denn auf deren Grundlage könne sich die „Einheit einer Nation und das Bewusstsein dieser Einheit gründen“[1]. Panzer begreift diesen Einfluss jedoch als Wechselwirkung, da die Sprache nicht nur der Nährboden einer Volksgemeinschaft sei, sondern auch durch diese als Ausdrucksweise der Kultur diene. Jede Volksgemeinschaft strebe nach einer einheitlichen Hochsprache. Da sich Deutschland allerdings aus mehreren Volksgemeinschaften zusammensetzte, sei die Erlangung einer einheitlichen gesprochenen und geschriebenen Sprache mit Problemen verbunden. Gerade in der Überwindung dieser Hürden jedoch begreift Panzer den hohen Wert der deutschen Sprache, da die „Taten und Leiden [der Nation] in ihr erkennbaren Niederschlag“ fänden“[2]. Da mehrere Volksgemeinschaften mit ihren eigenen Akzenten und Spracheigenschaften auf die deutsche Hochsprache eingewirkt haben, sei in ihr von all diesen Volksgemeinschaften etwas erkennbar, seien es einzelne Wörter oder Redewendungen aus den verschiedenen Regionen. Nur durch diese besondere Färbung, so ist Panzer überzeugt, „spiegelt unsere Schriftsprache die schöne Mannigfaltigkeit deutschen Lebens treulich wider“[3]. Der Stellenwert der Sprache als Spiegel der „völkischen Seele“ ist wiederholt Kerngedanke seiner Reden. Das Volkslied sei hierbei wohl die reinste und natürlichste Ausdrucksform des deutschen Volkstums.

Das deutsche Volkslied

Im Verlauf seiner Rektoratsrede betont Panzer, dass das Volkstum weniger von den Bürgern als vielmehr von der gebildeten Oberschicht gestützt werde, da es letztere sei, welche die Sitten und Bräuche pflege. Dennoch teilt er dem „einfachen Volk“ im Zusammenhang mit der Bedeutung des deutschen Volksliedes eine besondere Rolle zu: Die Lieder würden nämlich erst durch das Volk lebendig. Dieses überliefere und verändere sie, wenn auch nicht bewusst, sondern vielmehr durch Missverständnisse etwa beim Hören oder durch fehlendes Erinnerungsvermögen.[4] Zusätzlich ist er der Ansicht, dass auch das Volk Lieder schaffen könne, in denen die „Volksseele“ der Deutschen Wirkung zeige. Generell sieht Panzer das Volkslied als „Spiegel der geistigen Bewegung unserer Nation“[5].

Die Deutschkunde

Neben dem Theater als Einrichtung zur Förderung der Einheitssprache verlangt Panzer auch von den Schulen ein stärkeres Engagement in der Deutschkunde. Diese Forderung stammt bereits aus den Verhandlungen bei der Gründung des Deutschen Germanisten-Verbands im Jahr 1912. Panzer sieht einen Handlungsbedarf in der Deutschkunde nicht nur hinsichtlich der zunehmenden Verquickung des Deutschen mit Einflüssen anderer Sprachen. Er spricht sich auch für eine Reduzierung des Lateinunterrichtes aus. Das deutsche Volk habe durch den Gebrauch der lateinischen Sprache „südliche Sitten“[6] angenommen und sei in der eigenen Sprachentwicklung gestört worden.

Einfluss der Religion

Der Religion spricht Panzer einen geringeren Wert für das deutsche Volk zu. Durch die Spaltung der christlichen Kirche durch Martin Luther gebe es „in Deutschland zwar keine einheitliche Religion, wohl aber eine Religiosität, in der ein deutscher Katholik dem deutschen Protestanten näher stehen möchte als etwa einem italienischen Konfessionsgenossen“[7]. Dennoch habe sie die deutsche Sprache beeinflusst. So haben sich viele religiöse Ausdrücke sowohl des katholischen als auch des protestantischen Christentums in der deutschen Volkssprache ‚verfestigt’. Panzer zufolge müsse die deutsche Sprache, die das Schicksal der deutschen Nation trage und somit auch Ausdruck bzw. der Spiegel des deutschen Volkes sei, stets gepflegt werden, damit der historische Wert und das ästhetische Gespür weitergegeben werden könne.

Der Erste Weltkrieg

Der Wunsch nach einem einheitlichen Staat, so Panzer, sei bei den Deutschen weniger stark ausgeprägt als bei anderen Völkern. Er sei erst während des Ersten Weltkrieges verstärkt worden. Den Krieg begreift Panzer daher als zentralen Schlüsselmoment bei der Verwirklichung einer deutschen Einheit und der Stärkung des nationalen Stolzes. Die gemeinsame Sprache diene dabei als eine Grundlage für das deutsche Vaterland. Sie unterstütze die Soldaten im Kampf etwa mithilfe von Volksliedern und der Kriegsliteratur. Energisch fordert er nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg eine einheitliche Führung der deutschen Nation, bis dahin, dass er die Machtergreifung Hitlers 1933 begrüßt.[8] Die Ideologie des Nationalsozialismus ähnelt seinen Vorstellungen der deutschen Moralität: Die deutschen Tugenden, etwa der Zusammenhalt der Volksgemeinschaft, die Treue, die Tapferkeit und die Tüchtigkeit, stehen für die Nationalsozialisten und für Panzer im Vordergrund des deutschen Volkstums.[9] Den Rassenideologien der Nationalsozialisten stimmt Panzer jedoch nicht zu, obwohl auch er zu einem späteren Zeitpunkt den Begriff der ‚Rasse’ verwendet.

Empfohlene Zitierweise

Anne-Marie Coordes: Friedrich Panzer über Volkstum und Sprache. In: Frankfurter Literaturwissenschaftler 1914-1945, hg. von Frank Estelmann und Bernd Zegowitz. 2014. Onlinefassung. URL: http://use.uni-frankfurt.de/literaturwissenschaftler/panzer/coordes.


Endnoten

[1] Panzer, Friedrich: Volkstum und Sprache. Rektoratsrede, gehalten bei der Stiftungsfeier der Universität Heidelberg am 22.11.1926, Frankfurt am Main, S. 8.

[2] Ebd., S. 10.

[3] Ebd., S. 16.

[4] Vgl. Panzer, Friedrich: Das deutsche Volkslied der Gegenwart. Rede, gehalten bei dem Rektoratswechsel an der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften zu Frankfurt am Main am 4.11.1911, Jena, 1912, S. 23 f.

[5] Ebd. S. 18.

[6] Panzer, Volkstum, S. 17.

[7] Ebd., S. 6.

[8] Vgl. Hermand, Jost: Geschichte der Germanistik, Reinbek bei Hamburg 1994, S. 85 f.

[9] Vgl. Kasten, Ingrid: Friedrich Panzer (1870-1956). In: König, Christoph / Müller, Hans-Harald / Röcke, Werner (Hg.): Wissenschaftsgeschichte der Germanistik in Porträts. Berlin, New York, 2000, S. 152-161, hier S. 158.


Literatur

Hermand, Jost: Geschichte der Germanistik. Reinbek bei Hamburg 1994

Kasten, Ingrid: Friedrich Panzer (1870-1956). In: König, Christoph / Müller, Hans-Harald / Röcke, Werner (Hg.): Wissenschaftsgeschichte der Germanistik in Porträts. Berlin, New York 2000, S. 152-161

Panzer, Friedrich: Das deutsche Volkslied der Gegenwart. Rede, gehalten bei dem Rektoratswechsel an der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften zu Frankfurt am Main am 4.11.1911 von Friedrich Panzer, Jena 1912

Panzer, Friedrich: Volkstum und Sprache. Rektoratsrede, gehalten bei der Stiftungsfeier der Universität Heidelberg am 22.11.1926 von Friedrich Panzer, Frankfurt am Main 1927

Panzer Friedrich: Der deutsche Wortschatz als Spiegel deutschen Wesens und Schicksals. Köln 1938