Dr. Stephanie Dreyfürst

Stephanie Dreyfürst
Studium 1998-2004 (Germanistik, Kunstgeschichte und Musikwissenschaft)

Interview, Schnitt und Text: Leonardo Dalessandro

Nachdem Stephanie Dreyfürst im Anschluss an das Abitur eine Lehre als Schreinerin abgeschlossen hatte, studierte sie zunächst Architektur an der TU Darmstadt. Als sie eines Morgens vor der Statikvorlesung Goethes Faust zu lesen begann, ahnte sie, dass ihr etwas im Studium fehlte. Ihrem Herzen folgend wechselte sie kurzerhand an die Goethe-Universität und immatrikulierte sich im Jahr 1998 mit dem Hauptfach Germanistik.

Die Studieneingangsphase erlebte Dreyfürst zwar etwas entspannter als ihre zwei bis drei Jahre jüngeren Mitstudierenden, der Umzug in das Studierendenwohnheim am Beethovenplatz aber gestaltete sich für sie, die in Darmstadt noch allein gelebt hatte, als „soziale Herausforderung“, mit der sie erst einmal zurechtkommen musste. Fachlich begeisterte sie vor allem die Möglichkeit, sich den von ihr favorisierten Epochen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit ganzheitlich zu nähern, nämlich aus literatur-, kunst- und musikwissenschaftlicher Perspektive.

Bald schon wurde sie in der Fachschaft Musikwissenschaft aktiv: Hierüber nahm sie als studentische Vertreterin an Berufungskommissionen zur Besetzung von Professuren teil und setzte sich für die Bezahlung von zunächst noch unentgeltlich durchgeführten Tutorien ein. An der hochschulpolitischen Gremienarbeit schätzte sie nicht allein das Potential, etwas zum Positiven verändern zu können. Sie lernte ihre Lehrenden darüber hinaus in einem anderen Kontext kennen und sammelte auf diese Weise wertvolle Erfahrungen zum fachlichen und zwischenmenschlichen Miteinander im Hochschulbetrieb. Dass nur ein kleiner Teil der Studierendenschaft von der Möglichkeit zur Mitbestimmung Gebrauch machte, ärgerte sie, denn die studentischen Stimmen konnten in den Gremien durchaus den Ausschlag geben.

Nach der Magisterzwischenprüfung im vierten Semester war es für Dreyfürst an der Zeit, ein wenig „Auslandsluft zu schnuppern“, wie sie sagt: Sie studierte für ein Semester an der Universität Wien, wo sie wegen der dort stark verschulten Studienstruktur mit ihrer faktenorientierten Lehre das interessengeleitete und deutlich freiere Studium in Frankfurt schätzen lernte. Für das Vorhaben, ein geisteswissenschaftliches Studium in Regelstudienzeit abzuschließen, wäre man seinerzeit von den Lehrenden ausgelacht worden, erinnert sich Dreyfürst: Um eine Materie einigermaßen zu durchdringen, brauche man Zeit, und die Regelstudienzeit sei bloß „eine Zahl auf dem Papier“ – so die vorherrschende Meinung vor den Bologna-Reformen.

Im Hauptstudium beschäftigte sie sich abseits der Lehrveranstaltungen mit Kunst, Musik und Literatur: So engagierte sie sich ehrenamtlich in einem Chor und nahm an Konzertreisen durch ganz Europa teil. Der monatlich stattfindende literarische Zirkel einer Dozentin, zu dem sie eingeladen worden war, wurde zu einem geradezu „heiligen Termin“. In dieser Studienphase ging es ihr vor allem darum, das Maximum aus ihren eigenen Interessen herauszuholen. Gleichzeitig war sie als studentisches Kommissionsmitglied an den Vorbereitungen des Umzugs der ersten Institute vom Campus Bockenheim auf das ab 2001 als Campus Westend genutzte ehemalige IG Farben-Gelände beteiligt: „Heiße Diskussionen“ gab es vor allem zur räumlichen Aufteilung der Gebäude. Traditionsreiche studentische Freiräume wie das vor dem Umzug in der Gräfstraße befindliche Café Anna Blume mit seinem „morbiden Charme“ konnten durch den Einsatz der Studierendenschaft im IG Farben-Haus erhalten werden. Im Streit um die Umbenennung des Gebäudes in „Poelzig-Bau“ positionierte sie sich eindeutig für eine Beibehaltung des Gebäudenamens. Die Verstrickung des IG Farben-Konzerns in die nationalsozialistische Herrschaft und den systematischen Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden sollte auf diese Weise präsent bleiben.

Mit Blick auf die Phase des Studienabschlusses erinnert sie sich vor allem an spannende Seminare, die sie fachlich nachhaltig prägten und letztlich nicht nur zu ihrem Studienabschluss, sondern auch zu ihrer Promotion führten. Ihre Arbeit als Tutorin in der Germanistik ließ sie zudem selbst zur Lehrperson werden. Die Vorbereitungen auf die Abschlussprüfungen erfuhr sie vor dem Hintergrund eines hohen Leistungsdrucks als intensiv und anstrengend. Die Prüfungen selbst absolvierte sie teilweise „wie in Trance“. Der Studienabschluss war zwar ein besonderer Schritt, dass sie ihr Abschlusszeugnis damals aber ohne eine Verabschiedung der Absolvent*innen per Post erhielt, bedauert sie heute. Ein wenig mehr Zeremoniell hätte sie sich doch gewünscht. In Rückschau würde sie allerdings gar nichts anders machen: „Ein Studium nach Lustprinzip“ an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main, konkludiert Stephanie Dreyfürst, „war genau das richtige.“