Die Stiftungsuniversität – Die Gründungsgeschichte als Identitätsmerkmal der Goethe-Universität

von Katharina Müller

Am 18. Oktober 1914 sollte Kaiser Wilhelm II. die Frankfurter Universität feierlich eröffnen. Doch die Feier fand nicht statt, denn kurz zuvor hatte der Erste Weltkrieg begonnen. So nahm die Universität Frankfurt am Main ihre Arbeit in aller Stille auf.

In diesem Jahr aber, zum hundertsten Geburtstag unserer Uni, erinnern wir feierlich an ihre Gründung als Stiftungsuniversität. Denn diese historische Besonderheit, von privaten Geldgebern finanziert worden zu sein, ist heute noch wichtig für die hessische Hochschule. Die Frankfurter Stiftungsuniversität von 1914 ist ein Erinnerungsort für die Goethe-Universität von 2014.

Entscheidend für die Funktionsweise dieses Erinnerungsortes ist, dass sich ein Kollektiv gemeinsam einen Fixpunkt in der Vergangenheit wachruft. Die Erinnerung ist für das Verständnis der Universität von heute wichtig, weil sie symbolisch aufgeladen ist. Ein Beispiel für einen solchen historischen Fixpunkt ist die Initiative einiger wohlhabender Frankfurter Bürger, eine Hochschule ins Leben zu rufen. Den Anstoß gaben der Frankfurter Unternehmer Wilhelm Merton und Oberbürgermeisters Franz Adickes. Ihre Vision einer Universität für Frankfurt und Spenden von Privatpersonen sowie Stiftungen haben die Gründung schließlich ermöglicht. Dass die junge Universität durch Stiftungskapital finanziert wurde, führte zu zwei Besonderheiten: Dadurch war sie unabhängig vom preußischen Staat und zudem mit der Stadt und ihren Bürgern der Stadt auf besondere Weise verbunden.

Der bürgerliche Einsatz für die Universität spiegelte sich wiederum im Aufbau der Universitätsverwaltung wider. Die wichtigsten Gremien waren der Große Rat und das Kuratorium. Dort fanden die Stellvertreter der Stiftungen und der Stadt Frankfurt ihren Platz und entschieden über die Geschicke der Universität. Unter allen deutschen Universitäten war dies eine Besonderheit.

Sehr früh schon wurde der Stiftungsstatus für die Frankfurter Hochschule zu einem Identitätsmerkmal und Erinnerungsort. Schon 1924 versiegten die finanziellen Quellen der privaten Spender und der Stiftungen. Der preußische Staat und die Stadt Frankfurt teilten sich von nun an die Kosten für die Universität. Obwohl der Einfluss der Stifter auf ihre Gründung zu schwinden begann und der des Staates zunahm, blieben der Große Rat und das Kuratorium bestehen. Sie aufzulösen hätte bedeutet, eine wichtige Tradition der Universität aufzugeben, aus der sie ihr Selbstverständnis bezog: Ihre Verbindung zu den Stiftern und Gründern wäre gekappt worden. Damit wären aber auch zwei Elemente ihrer Einzigartigkeit verloren gegangen, die sie von anderen deutschen Hochschulen unterschied. Die beiden Gremien, die den Stiftungscharakter symbolisierten, waren damit schon 1924 Erinnerungsorte.

Im Jahr 1967 ging die Universität schließlich vollständig in die Trägerscahft des Landes Hessen über. Auch die beiden Stiftergremien verschwanden. Doch 2008 wurde die Goethe-Universität rechtlich wieder in eine Stiftungsuniversität umgewandelt. Das bedeutet, dass sie teilweise aus privaten Mitteln finanziert wird. Auch gibt es seitdem neben Hochschulrat, Senat und Präsidium wieder ein Stiftungskuratorium, das den Stiftern erlaubt, an den Geschicken der Universität teilzuhaben. Im Zuge dieser Entwicklung verwies die Hochschulleitung immer wieder auf die Ursprünge unserer Hochschule als von Frankfurter Bürgern gegründete und finanzierte Institution. Dann rückte die Erinnerung an die ehemalige Gründung der Stiftungsuniversität und ihre Einzigartigkeit in der damaligen deutschen Hochschullandschaft wieder in den Mittelpunkt. Sich daran zu erinnern, bedeutete, die Rückumwandlung von 2008 in der Tradition von 1914 zu sehen - als Rückkehr zu den Wurzeln.

Es sind deutliche Unterschiede vorhanden zwischen der Stiftungsuniversität von 1914 und unserer Universität im Jahr 2014. Sie ist nicht vollständig finanziell unabhängig vom Staat. Zwei Drittel der Kosten trägt immer noch das Land Hessen.

Doch machen gerade diese Unterschiede die Erinnerung an die ursprüngliche Stiftungsuniversität umso nötiger. So wurde die Universität im Jahr 2008 zwar neu strukturiert, doch geschah dies, indem ihre alte, traditionsreiche Identität als ehemalige Bürger- und Stiftungsuniversität erinnert und somit bewahrt wurde. Auf diese Weise wird Geschichte, in Form von Erinnerung, zur Grundlage gegenwärtiger Entwicklungen. Ein Erinnerungsort wie die Frankfurter Stiftungsuniversität schafft so Legitimation und Identität.

Schmuckblatt der Stiftungsurkunde
Foto: Universitätsarchiv Frankfurt

Informationen zur Veranstaltung

Dozentin: PD Dr. Barbara Wolbring
Veranstaltungsart: Seminar
Semester: SoSe 2013
Fachbereich / Institut: Philosophie und Geschichtswissenschaften (FB 08), Historisches Seminar

Katharina Müller, Die Stiftungsuniversität – Die Gründungsbeschichte als Identitätsmerkmal der Goethe-Universität, in: USE: Universität Studieren / Studieren Erforschen, 21.03.2014, URL: http://use.uni-frankfurt.de/erinnerungsort/mueller/.

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