Die Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg

von Hildegard Wolf-Krechel

Ohne eine Universitätsbibliothek ist eine Universität gar nicht denkbar. Die Universitätsbibliothek ist das Gedächtnis der Wissenschaft. Sie ist der Wissensspeicher, der bisherige Forschungsergebnisse aufbewahrt und der Wissenschaft zur Verfügung stellt. Hier finden Studierende die Bücher, mit denen sie Hausarbeiten schreiben und sich auf Prüfungen vorbereiten können. Forschende und Studierende leihen und konsultieren die Bestände. Sie sitzen gemeinsam in den Lesesälen, in denen das Rascheln von Buchseiten und das Klackern der Computertastaturen die Geräuschkulisse von Wissenschaft bildet. [Anm. 1]

Mit sechs Millionen Medien gehört die Universitätsbibliothek der Goethe-Universität Frankfurt am Main zu den größten wissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland. Jährlich werden etwa eineinhalb Millionen Ausleihen bearbeitet, rund sechzigtausend Medien neu erworben und die Sammlungen der Universitätsbibliothek erweitert. [Anm. 2]

Die Wissenschaftler und Studierenden finden in der Bibliothek einen Wissensspeicher vor, den sie gebrauchen und aktualisieren. Die Besucher der Universitätsbibliothek haben immer ein gegenwärtiges Interesse an dem dort bewahrten Wissen. Sie deuten es neu, diskutieren es und erneuern es damit. Das Nutzen der Buch- und Überlieferungsbestände der Bibliothek – das Lesen – ist ein zentrales Element von Wissenschaft, das bereits die Studierenden im ersten Semester mit berühmten Gelehrten verbindet, so dass es als Ausdruck universitärer Identität gelten kann. Die universitäre Gemeinschaft ist eine Gemeinschaft der Bibliotheksbenutzer. [Anm. 3]

Die Frankfurter Universitätsbibliothek trägt seit 2005 den Namen des Arztes und Naturforschers Johann Christian Senckenberg. Seine Bibliothek ging in die 1763 von ihm errichtete Dr. Senckenbergische Stiftung ein. Bei der Universitätsgründung 1914 bildete sie den Grundstock der Universitätsbibliothek. Zunächst blieb sie selbständiger Sammlungsbestand innerhalb der Stadt- und Universitätsbibliothek, bis sich die Stadt Frankfurt 1999 aus der Trägerschaft der Universitätsbibliothek zurückzog. Seither ist die Senckenbergische Bibliothek Teil der Universitätsbibliothek, die sich 2005 nach ihrem Begründer benannte. Mit dem neuen Namen Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg hält die Universitätsbibliothek seither das Gedenken an den berühmten Forscher des 18. Jahrhunderts wach. [Anm. 4]

Diese Namensgebung lässt sich zudem lesen als Verankerung der Universitätsbibliothek – und mit ihr der Universität – in einer Wissenschaftstradition, die über das Gründungsdatum 1914 bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht. Aktuelle Selbstdarstellungen der Universitätsbibliothek bezeugen die Berufung auf die symbolische Aura Senckenbergs. Das gegenwärtige Interesse an der Vergangenheit der Bibliothek unterstreicht die symbolische Wirkung der Universitätsbibliothek und spricht ihr damit eine normative und formative Wirkung für die Zukunft zu. [Anm. 5]

1 Vgl. Klaus Ring: Festansprache des Vorsitzenden, in: Bibliothek im Wandel. Fünfundzwanzig Jahre Freunde der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main (= Frankfurter Bibliotheksschriften 15), Frankfurt am Main 2010, S. 9; Aleida Assmann: 1998 - Zwischen Geschichte und Gedächtnis, in: Assmann, Aleida/Frevert, Ute, Geschichtsvergessenheit – Geschichtsversessenheit. Vom Umgang mit deutschen Vergangenheiten nach 1945, Stuttgart 1999, S. 21-52; Jan Assmann: Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, in: Kultur und Gedächtnis, Frankfurt am Main 1988, S. 9-19.

2 Vgl. Berndt Dugall: Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Frankfurt am Main 2013.

3 Vgl. Jan Assmann: Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, in: Kultur und Gedächtnis, Frankfurt am Main 1988, S. 9-19; ders.: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, 2. Aufl., München 1997, S. 52-57f.

4 Vgl. Thomas Bauer: Johann Christian Senckenberg. Eine Frankfurter Biographie 1707-1772, Frankfurt am Main 2007; August de Bary: Johann Christian Senckenberg (1707-1772). Sein Leben auf Grund der Quellen des Archivs der Dr. Senckenbergischen Stiftung, Hildesheim 2004; ders.: Geschichte der Dr. Senckenbergischen Stiftung, 1763-1938. Ein Zeugnis des Frankfurter Bürgersinns in 175 Jahren, Frankfurt am Main 1938; Dugall, S. 9; Peter Rost: Der Neubau der Goethe-Universität. Von Bockenheim auf den Campus Westend und den Campus Riedberg, in: Die neue Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Ihr Neubau und ihre Rückkehr zur Stiftungsuniversität, hrsg. von Rudolf Steinberg, Frankfurt am Main 2013, S. 88f.

5 Vgl. Pierre Nora: Zwischen Geschichte und Gedächtnis, Berlin 1990; vgl. Ring, S. 7f.

Hildegrad Wolf-Krechel, Die Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, in: USE: Universität Studieren / Studieren Erforschen, 21.03.2014, URL: http://use.uni-frankfurt.de/erinnerungsort/wolf-krechel/.

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Blick auf die Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg am Eingang mit Senckenberg-Infotafel
Foto: Hildegard Wolf-Krechel

Informationen zur Veranstaltung

Dozentin: PD Dr. Barbara Wolbring
Veranstaltungsart: Seminar
Semester: SoSe 2013
Fachbereich / Institut: Philosophie und Geschichtswissenschaften (FB 08), Historisches Seminar