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Arnold Hirsch

...Der Aufstieg des Bürgertums im barocken Roman

Unter dem Titel „Das Spätbarock und die Anfänge des bürgerlichen Romans“ reichte Arnold Hirsch im Herbst 1932 seine Habilitationsschrift ein. Es sollte ein Werk über den beginnenden sozialen Wandel im ausgehenden 17. Jahrhundert sein, eines, mit dem Hirsch neue Ansätze in der Barockforschung etablieren wollte. Die 240 Seiten umfassende Studie wurde 1934 trotz allem unter dem Titel „Bürgertum und Barock im deutschen Roman – Eine Untersuchung über die Entstehung des modernen Weltbildes“ veröffentlicht und wird bis heute „in allen Forschungsgebieten über Studien zum Barockroman als Pionierleistung gewürdigt“ (Sauder: Germanist, S. 461).

Hirsch geht es in seiner Arbeit darum, die Romanproduktion des späten 17. Jahrhunderts zu analysieren, um so die Wurzeln des bürgerlichen Weltbildes freizulegen. Er betrachtet dabei zunächst den Pikaroroman, der sich nach Hirsch unter Johann Beer zum Abenteuerroman wandelt. Darauf folgen Kapitel über den politische Roman bei Christian Weise und Johannes Riemer sowie den politischen Roman als literarische Bewegung. Die letzten Kapitel befassen sich mit dem Schäferroman und dessen realistischen Zügen. Sein Ziel ist es, die Neuentstehung bürgerlicher Elemente in der Gesamtheit der Romanproduktion sowie die fehlende Verbürgerlichung im Staats- und Liebesroman aufzuzeigen. Hirsch betont jedoch, dass, um die Entwicklung der bürgerlichen Züge in ihrer Gesamtheit zu charakterisieren, ein Gesamtbild der Epoche dargestellt werden müsse, und setzt sich dies zum Ziel späterer Arbeiten.

Hirsch betrachtet den Roman als „soziologisches Gewissen seiner Zeit“ (Sauder: Germanist, S. 460). Er gilt ihm als „Fixierung des Weltbildes“ (ebd.), durch die die Deutung der sozialen Zustände der Zeit festgehalten werden. Wie bereits in dem Aufsatz „Soziologie und Literaturgeschichte“ und in seiner Dissertation über die Novelle forderte er die Verbindung von Literaturwissenschaft und Soziologie. Er möchte auf diese Weise den Ursprung der bürgerlichen Gesinnung, die im 18. Jahrhundert vorherrschte, bereits ins letzte Drittel des 17. Jahrhunderts verlegen.

Von den ursprünglich erschienenen Exemplaren der Habilitationsschrift sind heute nur noch wenige vorhanden. Die meisten wurden in der Zeit des Nationalsozialismus vernichtet. Erst nach der zweiten Veröffentlichung im Jahr 1957 durch Herbert Singer (nach Hirschs Tod) wurde die Aufmerksamkeit auf die Forschungsergebnisse von Hirsch gelenkt. Diese führten dann in den 1960er und 1970er Jahren zu einer Neuorientierung in der Barockforschung.

Literatur

Sauder, Gerhard: Der Germanist Arnold Hirsch (1901-1954) – eine Erinnerung. In: Béhar, Pierre (Hg.): Médiation et conviction. Paris 2007, S. 459-461

Sauder, Gerhard: Hirsch, Arnold. In: König, Christoph (Hg.): Internationales Germanistenlexikon 1800-1950. Berlin 2003, S. 754-755

Singer, Herbert (Hg.): Vorwort. In: Arnold Hirsch - Bürgertum und Barock im deutschen Roman. Eine Untersuchung über die Entstehung des modernen Weltbildes. 2. Aufl. Köln, Graz: 1957, S. I-4