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Arnold Hirsch

...Rückzug der Habilitation

Nach seiner Promotion lebte Arnold Hirsch in Berlin, um dort Seminare bei Julius Petersen zu besuchen und seine Habilitation vorzubereiten. Im Sommer 1932 kehrte er allerdings nach Frankfurt zurück, um die Zulassung als Privatdozent für deutsche Philologie zu erhalten. Sein Ziel war die Habilitation, die er im Herbst desselben Jahres beantragte. Julius Schwietering und Franz Schultz wurden als Gutachter der Habilschrift bestimmt. Als Hirsch am 9. April 1933 sein Habilitationsgesuch auf Anraten des Dekans Erhard Lommatzsch zurückzog, lag jedoch noch keine Beurteilung der Arbeit vor.

Am 7. April 1933 trat das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ in Kraft. Es stellte den ersten Schritt zur Gleichschaltung des öffentlichen Dienstes dar und ermöglichte die sofortige Versetzung, Entlassung oder Ruhestandsetzung von „nicht-arischen“ oder politisch unerwünschten Bürgern. Personen, die durch den Einsatz ihrer selbst oder eines Familienmitglieds im 1. Weltkrieg zunächst vor Kündigungen geschützt waren, wurden jedoch schon im Mai durch die Dritte Durchführungsverordnung ebenfalls der Willkür von Hitlers Gesetzgebung ausgesetzt. Hinzu kamen die Reichshabilitationsordnung, mit der, durch die Trennung von Dozentur und Habilitation, der wissenschaftliche Nachwuchs anhand außerwissenschaftlicher politischer Maßstäbe auf Kurs gebracht wurde, sowie das „Gesetz über die Entpflichtung und Versetzung von Hochschullehrern“, durch das nun auf Ordinarien und Exordinarien zugegriffen werden konnte. Durch die Einführung des Reichsbürgergesetzes 1935 wurden dann alle verbliebenen oder bis zu diesem Zeitpunkt geschützten Angestellten mit „nicht-arischem“ Hintergrund ebenfalls sofort kündbar.

Das Bestreben dieser Gesetzgebung war es, ein „militärähnliches Ordnungsideal“ (Bracher 1966, S. 134) in den Universitäten zu etablieren. So wurden etwa die Selbstverwaltungsrechte der Universitäten aufgehoben. In Deutschland hatte dies nach Karl Dietrich Bracher in den Jahren 1933 und 1934 zur Folge, dass 313 ordentliche, 109 außerordentliche, 208 nichtbeamtete außerordentliche, 75 Honorarprofessoren, 332 Privatdozenten, 42 Lektoren u.ä., 232 Assistenten, 133 Mitarbeiter an wissenschaftlichen Instituten und 174 Akademiker (z.B. Lehrer) entlassen wurden. Dies entsprach etwa 30% des beschäftigten Lehrkörpers dieser Zeit. An der Universität Frankfurt wurden von 351 Lehrenden 128 entlassen, dies entsprach 36,5% des gesamten Lehrkörpers. Etwa 80% Prozent wurden allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit oder einer ‚nichtarischen’ Eheschließung aus dem Dienst entfernt. Der Verlust eines großen Anteils von Lehrenden hatte zur Folge, dass ganze Fakultäten umgeformt wurden, Institute wegfielen und Forschungsarbeiten nicht weitergeführt werden konnten. Deutschlands Wissenschaft wurde auf nationalsozialistische Ziele hin ausgerichtet. Zusätzlich gab es nun die Möglichkeit, Personen, die in einem Strafverfahren verurteilt worden waren, die Ehrenwürde (Doktorat, Professur) abzuerkennen. Dies hatte den Verlust zahlreicher Titel zur Folge.

Arnold Hirschs zog sein Habilitationsgesuch zwei Tage nach Erscheinen des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ zurück. Aufgrund seiner jüdischen Religionszugehörigkeit erhielt er nicht die Möglichkeit, sein wissenschaftliches Potential weiter zu entfalten.


Literatur

Bracher, Karl Dietrich: Die Gleichschaltung der deutschen Universität. In: Universitätstage 1966. Nationalsozialismus und die deutsche Universität. Berlin 1966, S. 126-142

Friedländer, Saul: Das Dritte Reich und die Juden. Übers. von Martin Pfeiffer. München 1998, bes. S. 38-73

Grüttner, Michael / Kinas, Sven: Die Vertreibung von Wissenschaftlern aus den deutschen Universitäten 1933–1945. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 55,1 (2007), S. 123-186 

Sauder, Gerhard: Der Germanist Arnold Hirsch (1901-1954) – eine Erinnerung. In: Béhar, Pierre (Hg.): Médiation et conviction. Paris 2007, S. 459-461