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Hermann August Korff

...in der Perspektive Erich Kästners

Da Erich Kästner während seines Studiums der Germanistik, Philosophie und Geschichte in Leipzig (1919-1925) wie auch unmittelbar danach journalistische Arbeiten für die "Neue Leipziger Zeitung" verfasst hat, ist es nicht verwunderlich, dass er in diesem Zusammenhang auch über den 1925 an die Leipziger Universität berufenen Professor Hermann August Korff berichtet. Kästner wohnt Korffs Leipziger Antrittsvorlesung im November 1925 persönlich bei, würdigt ihn aber auch im Zusammenhang mit dem Methodenwechsel in der Germanistik in anderen Artikeln. Korffs Methodik stand Kästner durchaus positiv gegenüber; er bezeichnet sie in seinem Artikel „Köster und Korff. Eine zeitgemäße Betrachtung zur historischen Methodik“ gar als „meisterhaft gekonnt“.[1] So lobt er in diesem Zusammenhang unter anderem Korffs „stets erstaunlich bleibende Formulierung“[2] und bezeichnet die Einleitung zum ersten Band des „Geistes der Goethezeit" als etwas, dem „schlechterdings nichts an die Seite gestellt werden könnte“.[3] Kästner beendet seine Betrachtung mit den Worten: „[E]s ist ein Werk,  das allen wahrhaftig Lebendigen gilt. Und das heißt, all denen, die aus dem Labyrinth der bloßen Tatsachen hinausverlangen, um vom Berg der Deutung aus den Sinn der Vergangenheit zu begreifen, ohne den auch die Gegenwart ein tödliches Labyrinth bleiben muss.“[4]

Obschon es wenige Zeitungsartikel Kästners zum Thema des Methodenwechsels gibt, vermögen diese dem Leser dennoch nahezubringen, wie sich jener auf den universitären Alltag der damaligen Zeit auswirkte. Kästner betrachtet alle wissenschaftlichen Methoden als nebeneinander gleichberechtigt existierend, auch wenn er dieselbe Toleranz den Mitarbeitern der Geisteswissenschaften an der Leipziger Universität in ihrem Streit um geistesgeschichtliche oder positivistische Methode, nicht attestieren kann: „Zwei Generationen, keineswegs reinlich durch ihr Alter getrennte Generationen schütteln übereinander die Köpfe, reden und denken aneinander vorbei.“[5] Die von Kästner als „ebenbürtige Geltungsbereiche“[6] bezeichneten verschiedenen wissenschaftlichen Strömungen charakterisiert er mithilfe der Begriffe „Deskription und Deutung.“[7] Da dies „zwei Geisteshaltungen ohne jeden gemeinsamen Berührungspunkt“[8] seien, stellt er die Möglichkeit einer Verständigung beider Parteien als aussichtslos hin. Paradox findet er diese Vorgänge dennoch, „weil es in den Grenzen der Geschichtswissenschaft geschieht;  innerhalb einer Disziplin also, die als oberstes Gesetz gerade die Pflicht anerkennt, die hier verletzt wird: das Verstehen!“[9]

Endnoten

[1] Kästner, Erich: Köster und Korff. Eine zeitgemäße Betrachtung zur historischen Methodik. In: ders.: Der Karneval des Kaufmanns. Gesammelte Texte aus der Leipziger Zeit 1923-1927. Hg. v. Klaus Schuhmann. Leipzig 2004, S. 213-222, hier S. 221. Albert Köster war bis zu seinem Tod im Jahre 1924 Inhaber des Leipziger Lehrstuhls, den Korff 1925 einnahm.

[2] Ebd., S. 220.

[3] Ebd., S. 221.

[4] Ebd., S. 222.

[5] Kästner, Erich: Deskription und Deutung. Zum Methodenwandel in der Literaturwissenschaft. In: ders.: Erich Kästner. Werke. Bd. VI: Splitter und Balken. Publizistik. Hg. v. Hans Sarkowicz u. Franz Josef Görtz. Wien 1998, S. 112-118, hier S. 113.

[6] Ebd., S. 117.

[7] Ebd., S. 116.

[8] Ebd.

[9] Ebd., S. 118.