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Hermann August Korff

...und sein Lebenswerk

Die Entstehungsgeschichte von Korffs Lebenswerks „Der Geist der Goethezeit. Versuch einer ideellen Entwicklung der klassisch-romantischen Literaturgeschichte“ kann aufgrund seiner langen Zeitspanne in Beziehung zu Korffs akademischem Werdegang gesetzt werden. So erschien der erste Band „Sturm und Drang“ 1923, der zweite Band „Klassik“ vollständig 1930, wobei ersterer noch in Korffs Frankfurter Lehrtätigkeit fällt und er diesen auch in enger Zusammenarbeit mit Julius Petersen konzipiert hatte, dem er an der Frankfurter Universität begegnet war. Der dritte Band „Frühromantik“ fällt mit seinem Erscheinungsdatum 1940 in die Zeit der nationalsozialistischen Diktatur, der vierte Band „Spätromantik“ erschien 1953 in der DDR.

Korff hatte es sich mit seinem Werk zur Aufgabe gemacht, im Sinne der ideengeschichtlichen Strömung innerhalb der Geistesgeschichte die zeitliche Periode zwischen 1770 und 1830, die er Goethezeit nennt, als eine einheitliche, sich organisch entwickelnde, darzustellen. Diese synthetische Darstellungsweise beruht auf dem ideengeschichtlichen Ansatz, der wiederum zur Voraussetzung hat, dass die Dichtung des Idealismus als „Ideendichtung“[1] begriffen wird. So drücken sich in ihr nach Meinung Korffs die philosophischen Anschauungen Kants, Herders, Hegels, Schopenhauers, um hier nur einige zu nennen, aus.[2] Nach Korff bilden „Dichtung und Philosophie der Goethezeit eine untrennbare geistige Einheit“[3]. Diesen „Ideenorganismus“[4] sowie seinen natürlichen Verlauf versucht er in seinem Werk in seinem Gesamtzusammenhang nachzuweisen. Korff verortet die Entwicklung des Geistes der Goethezeit ideengeschichtlich in der Aufklärung; diese Entwicklung habe aber in der Abgrenzung zu ihr stattgefunden. Neue Zeiten würden neue Ideen verlangen, die den Bedürfnissen und Notwendigkeiten der jeweils aktuellen Wirklichkeit entsprächen.[5] Korff verfolgt in allen vier Bänden die Idee einer konsequenten Idealisierung „vom Irrationalismus des Sturm und Drang über die klassische Humanitätsidee zu deren Romantisierung“.[6]

Die lange Entstehungsphase der vier Bände beinhaltet notgedrungen die Problematik eines wissenschaftlichen Methoden- und Vorzeichenwechsels innerhalb ihrer Entwicklung. Korffs Herangehensweise an die Darstellung dieser Epoche ist der Ideengeschichte verpflichtet, welche beim Erscheinen des vierten Bandes als nicht mehr aktuell betrachtet wird. Obschon Korff an seinem Konzept stringent festhält, stellt er der 2. Auflage des ersten Bandes im Jahr 1954 eine neue und aktualisierende Einleitung voran, in welcher er manche seiner ursprünglichen Sichtweisen relativiert und welche ferner das Gesamtwerk einer neuen Betrachtungsweise unterzieht. Korff historisiert hier die Goethezeit explizit und stellt sie nicht mehr als den Aufgang eines neuen Zeitalters und Lebensgefühls dar, sondern als dessen Ausgang und Vollendung. Auch distanziert er sich in seiner Einleitung nachträglich. Folglich führt er an, dass eine als derartig kulturelle Höhe erfahrene Epoche für das nationale Selbstbild identitätsstiftend sei. Aber: „[I]n solchem Nationalgefühl [stecke] auch eine unvermeidliche Täuschung über sich selbst, denn es gründet sich eben nicht auf das Ganze dieses Volkes, sondern lediglich auf sein Bestes - es sieht an seinen negativen Möglichkeiten ohne Arg vorbei. Was aber Böses selbst in einem Volke stecken kann, das sich wie das deutsche in dem Idealbild der Goethezeit gespiegelt glaubte, dafür hat uns die Geschichte des letzten Menschenalters einen Anschauungsunterricht gegeben, den wir nie vergessen können, nie vergessen dürfen.“[7]

Trotz dieses Widerrufes schuldet die 1. Auflage des dritten Bandes unter anderem ihre heutige Aktualität der Widmung des Verfassers. So datierte er das Vorwort: „Am Tage der Einnahme von Paris, 14. Juni 1940“, und widmete die Studie den "Helden unseres Freiheitskampfes“[8] und ließ ein Hölderlin-Zitat folgen: „Die Schlacht ist unser…“.[9] Auch wenn es sich bei diesem Band um die Abhandlung der Frühromantik handelt, evozieren derartige Äußerungen doch eine bestimmte Lesart. Ab der zweiten Auflage dieses Bandes im Jahre 1949 lautet die Widmung nur noch: „Der Unvergesslichen“. Das kann einerseits als Anpassung an die neue Zeit gedeutet werden, andererseits aber auch als Bewusstwerdung der politischen Implikationen seiner Widmung.

Trotz der in dieser Arbeit dargestellten zum Teil problematischen Sichtweisen Hermann August Korffs, gilt es doch immer diese Äußerungen im Zusammenhang sowohl der geschichtlichen Entwicklungen als auch seines Gesamtwerkes zu sehen, dessen objektive Leistung nicht verkannt werden sollte. Ferner unterliegen auch Neudeutungen seines Werkes bestimmten ideellen Vorstellungen und Zielen, weshalb auch diese erst einer kritischen Untersuchung unterzogen werden müssen. Verwiesen sei an dieser Stelle auf den Aufsatz „H.A. Korff über Heinrich Heine“[10] von Ulrich Pongs, erschienen 1996, welcher sich eine Rehabilitierung Hermann August Korffs zur Aufgabe gemacht hat.

Endnoten

[1] Korff, H. A.: Geist der Goethezeit. Versuch einer ideellen Entwicklung der klassisch-romantischen Literaturgeschichte. Bd. 1: Sturm und Drang. Leipzig 1923, S. 2.

[2] Ebd.

[3] Ebd.

[4] Ebd., S. 3.

[5] Ebd., S. 9.

[6] Müller, Joachim: Korff, Hermann August, in: Neue Deutsche Biographie 12 (1979), S. 585-586 [Onlinefassung]; URL: www.deutsche-biographie.de/pnd11877784X. html, (Stand: 7.6.2013)

[7] Korff, H. A.: Geist der Goethezeit. Versuch einer ideellen Entwicklung der klassisch-romantischen Literaturgeschichte. Bd. 1: Sturm und Drang. 9. Auflage. Darmstadt 1974, S. 5.

[8] Mason, Eudo C.: H.A.K. In: German Life & Letters 17 (1963/64), S. 190-192, hier S. 191.

[9] Gretz, Daniela: Die deutsche Bewegung. Der Mythos von der ästhetischen Erfindung der Nation. München 2007, S. 100.

[10] Pongs, Ulrich: H.A. Korff über Heinrich Heine. In: Heine-Jahrbuch 35 (1996), S. 128-151.