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Ernst Erich Noth

"Jup und Adolf" – eine Exilschrift

Jup und Adolf[1] ist eine in aktueller Absicht geschriebene satirische Abwandlung des Kinderbuches Max und Moritz von Wilhelm Busch, die 1943 von Ernst-Erich Noth in New York als Radiobeitrag für die NBC verfasst wurde.

Zum Hintergrund des Werks

Nach seiner Flucht in das französische Exil sieht sich Noth erneut gezwungen, seine Umgebung zu verlassen, da sein Name auf der Liste des Auslieferungsartikels 19 des Deutsch-Französischen Waffenstillstandsabkommens[2] auftaucht. Zunächst in den Untergrund abgetaucht, gelingt ihm 1941 die Flucht in die USA.

Kurz nachdem die USA Japan den Krieg erklären, und dem Land von Hitlerdeutschland der Krieg erklärt wird, wird Noth zunächst Redakteur und später Leiter der deutschen Abteilung der National Broadcasting Company (NBC) in New York. Von hier sendet er 1943 die von dem deutschen Schauspieler Werner Zacharias gesprochenen Verse Jup und Adolf.[3]

Die von Wilhelm Busch verfasste Schreckensgeschichte von Max und Moritz, die Familie und Nachbarn mit bösen Streichen terrorisieren, wird dabei passgenau auf die deutsche Situation übertragen. So wird Max zu Jup, was der Spitzname Joseph Goebbels' war, Hitlers Gefolgsmanns und Propagandaministers, und Moritz wird zu Adolf Hitler.

Eine Satire auf Hitlerdeutschland

Wilhelm Buschs Geschichte beginnt bekanntlich mit den Versen:

Ach, was muß man oft von bösen
Kindern hören oder lesen!!
Wie zum Beispiel hier von diesen,
Welche Max und Moritz hießen;
Die, anstatt durch weise Lehren
Sich zum Guten zu bekehren,
Oftmals noch darüber lachten
Und sich heimlich lustig machten.
[4]

Der Beginn von Noths Übertragung zeigt schon, wie nah er am Ausgangstext von Busch bleibt:

Ach, was muß man oft von bösen
Nazibonzen sehn und lesen.
Wie zum Beispiel hier von diesen,
Welche Jup und Adolf hießen.
Die, anstatt durch weise Lehren
Sich zum Guten zu bekehren,
Über alle Tugend lachten
Und sich offen lustig machten.
[5]

Anders als bei Busch, sind es bei Noth nicht die Birnen oder Zwetschgen, die gestohlen werden, er dichtet vielmehr:

Ja, zur Übeltätigkeit,
Ja, dazu sind sie bereit.
Menschen töten, Menschen quälen,
Länder, Geld, Fabriken stehlen –
Das scheint freilich angenehmer
Und zuerst auch viel bequemer
Als durch Arbeit und durch Brot
Lindern Deutschlands große Not.
[6]

Der beißende Sarkasmus dieser Verse zieht sich durch den gesamten Text, der allerdings schon nach dem vierten Streich endet und nicht wie bei Busch, nach dem siebten.

Gegen soldatische Ideale

Auch der Beginn des vierten Streiches ist inhaltlich und rhetorisch interessant:

Adolf faßte den Beschluß:
Daß der Mensch nichts lernen muß.
(…)
Was solln sich im Schreiben, Lesen,
Üben Herrenmenschenwesen –
Was solln sich mit Rechnungssachen
Hitlerjungens Mühe machen –
Wenn sie nur auf Adolfs Lehren
Lauschen und ihn blind verehren!
Daß dies mit Geschick geschah,
Dafür war das Jupchen da.
[7]

Den Gedanken, dass der Diktator und sein Propagandaminister durch Gleichschaltung und Zentralisierung des gemeinsamen Lebens und Lernens Rufe der Vernunft unterdrücken wollen, hatte Ernst Erich Noth bereits 1934, also neun Jahre vor der Veröffentlichung des Hörbeitrages Jup und Adolf, artikuliert, und zwar in seinem Essay Die Tragödie der deutschen Jugend, der zuerst in Paris in französischer Übersetzung unter dem Titel La Tragédie de la Jeunesse allemande erschienen war. Darin schreibt Noth:

"Dies Programm geht fast haargenau auf die Erziehungstheorien zurück, die Hitler in seinem grundlegenden Buch Mein Kampf aufgestellt hat. Dies Erziehungsideal ist rein soldatisch aufgefaßt, es wird von extremer Geist- und Bildungsfeindlichkeit getragen und es geht vornehmlich von politischen und militärischen Nützlichkeitserwägungen aus und wird durch diese bestimmt. Dem Geist wird Wegtreten! kommandiert, er verschwindet ins hintere Glied der Skala der neuen Erziehungswerte, deren Anordnung nach den neuesten offiziellen Verlautbarungen lautet: Körper, Charakter, Geist."[8]

Ein Aufruf zum Widerstand

Die von Wilhelm Busch verfassten Verse und Geschichten sind immer ein Appell an die sich bildenden Moralvorstellungen von Kindern, die sich ihrer Handlungen und deren Konsequenzen im Rahmen ihres Umfeldes bewusst werden sollen. Man soll weder Tiere quälen noch stehlen, sonst droht die Konsequenz, in die Mühle geworfen und zu Schrot gemahlen zu werden. Dass niemand Max und Moritz vermisst oder letztlich um sie trauert, soll dabei helfen, ihre vorangegangen Missetaten zu rekapitulieren und zu reflektieren, weshalb im Wohnort der beiden nur freudig gesagt wird: „Gott sei Dank! Nun ist's vorbei / Mit der Übeltäterei!"[9]

In Noths Parodie Jup und Adolf hingegen ist an einen Appell an bloße Moralvorstellungen nicht mehr zu denken. Der Text erstellt die Prognose, dass jedem Anhänger Hitlers seine blinde Gefolgschaft zum Verhängnis werden wird. Auch steckt in Noths Radiobeitrag ein Aufruf zum aktiven Widerstand gegen Hitler, der in der humorvoll-satirischen Form des Textes vom Hörer wahrgenommen werden soll.

Endnoten

[1] Noth, Ernst-Erich: Jup und Adolf. Deutsche Erstausgabe, hg. von Claudia Noth, Bensheim an der Bergstraße 2003.

[2] „Auslieferung und Verhaftung“ der genannten Personen. Vgl. Karl Holl: Das deutschsprachige Exil in den USA seit 1993. In: Jürgen Elvert & Michael Salewski (Hg.): Deutschland und der Westen im 19. und 20. Jahrhundert. Teil 1: Transatlantische Beziehungen, Stuttgart 1993, S. 328.

[3] Noth: Jup und Adolf, op. cit., S. 44-45.

[4] Busch, Wilhelm: Max und Moritz. In: Erich Pabel-Arthur Moewig (Hg.): Wilhelm Busch. Die schönsten Geschichten für jung und alt, Rastatt 1991, S. 7.

[5] Noth: Jup und Adolf, op. cit., S. 9.

[6] Ebd., S. 10.

[7] Ebd., S. 30-31.

[8] Noth, Ernst-Erich: Die Tragödie der deutschen Jugend. Deutsche Erstausgabe, hg. von Claudia Noth, Bensheim an der Bergstraße 2002.

[9] Busch: Max und Moritz, op. cit., S. 26.