Logo Frankfurter Literaturwissenschaftler 1914-1945

Ernst Erich Noth

...die germanistischen Lehrer

In seiner Autobiographie erinnert sich Noth an sein Germanistik-Studium in Frankfurt bzw. seine literaturwissenschaftlichen Lehrer. Neben den Ordinarien Hans Naumann und Franz Schultz waren das Martin Sommerfeld und Max Kommerell.

Die größte Sympathie empfindet Noth für Martin Sommerfeld, der von 1922 bis 1927 zuerst Privatdozent und dann von 1927 bis zu seiner Emigration in Jahr 1933 außerordentlicher Professor war. Als Vizepräsident der Frankfurter Goethe-Gesellschaft (1928-1932) und Präsident der hiesigen Literarischen Gesellschaft (1929-1932) war er ins literarische Leben der Stadt integriert, verließ Deutschland allerdings im September 1933. Noth schreibt über ihn: „Sommerfeld, ein ausgezeichneter Gelehrter und feinsinniger Lehrer, war nur außerordentlicher Professor und dazu noch Jude, was an der Frankfurter Universität, entgegen den Vorstellungen schlecht unterrichteter Außenseiter, keineswegs ein Vorteil zu sein brauchte und einem in gewissen Fächern sogar zum Nachteil gereichen konnte“ (Noth: Erinnerungen, S. 256).

Für kurze Zeit studierte Noth auch bei Max Kommerell, bei dem es über „Kleist, Hölderlin und Jean Paul wirklich etwas zu hören und zu lernen“ gab (Noth: Erinnerungen, S. 261). Kommerell war von 1930 bis 1941 in verschiedenen Anstellungsverhältnissen in Frankfurt tätig. Ihn zählt Noth zu den viel zu früh Verstorbenen und stellt ihn in eine Reihe mit den Gelehrten, die Deutschland in der Zeit des Nationalsozialismus ‚verloren’ hat. Dass Kommerell 1939 in die NSDAP eingetreten war, scheint Noth entweder nicht zu wissen oder zu ignorieren.

Der problematischste germanistische Lehrer Noths ist sicherlich Hans Naumann: als Nachfolger von Friedrich Panzer in den Jahren von 1922 bis 1933 zuständig für die ältere deutsche Literatur. In den Erinnerungen wird er folgendermaßen eingeführt: „Hans Naumann [...] war seit jeher ein eifriger Nationalist gewesen [...]: der Schritt vom thron- und altarfrommen Konservativen zum linientreuen Nationalsozialisten sollte ihm nicht besonders schwer fallen“ (Noth: Erinnerungen, S. 256). Naumann positionierte sich im Jahr 1933 sehr schnell: Im März unterstützte er Hitler bei seiner Kandidatur zur Reichspräsidentenwahl mit seiner Unterschrift auf der Liste „Die deutsche Geisteswelt für Liste 1“, im Mai wurde er Mitglied der NSDAP und war Redner bei der Bücherverbrennung in Bonn. Im Jahr 1935 trat er dem NS-Dozentenbund bei. Im November 1945 wurde Naumann die venia legendi durch die englische Militärregierung entzogen. Noth urteilt nichtsdestoweniger differenziert über den Wissenschaftler Naumann. Er schätzt ihn als „ausgezeichnete[n] Kenner der höfischen Dichtung“ (Noth: Erinnerungen, S. 260) und als Germanisten, der über die zeitlichen Grenzen der mittelalterlichen Literatur hinausging. Naumann schrieb nämlich bereits 1923 eine Geschichte der Gegenwartsliteratur, in einer Zeit also, in der die universitäre Beschäftigung mit zeitgenössischer Literatur eher unüblich war. An „Verkennungen und sogar Entstellungen“ (Noth: Erinnerungen, S. 260) fehle es dieser Literaturgeschichte allerdings nicht. Seine charakterlichen Eigenschaften schätzte Noth weniger: Er bezeichnet ihn als selbstgefällig und arrogant.

Ein weniger grelles Porträt zeichnet Noth von Franz Schultz, seinem Doktorvater. Er attestiert ihm „tolerante Aufgeschlossenheit“ wegen der Annahme des Themas der Dissertation und „Mut“ bei der Verteidigung desselben gegen die Angriffe der „Naumann-Gruppe“ (Noth. Erinnerungen, S. 261), doch schreibt er dann lieber über dessen auffällige Krawatten und das Interesse an hübschen Studentinnen. Auch über die politische Anpassungsfähigkeit des eigentlich als liberal geltenden Schultz, der aber 1933 dennoch „zu den ‚Märzgefallenen’“ gehörte und „in seiner ersten Vorlesung unter dem Naziregime Gott dafür“ dankte, „dass mit einer kläglichen geschichtlichen Periode eine ebenso klägliche literarische zum Abschluß gekommen sei“ (Noth: Erinnerungen, S. 256 f.), schreibt Noth. Doch findet sich wenig über den Forscher Schultz – „einige anregende (…) Gedanken“ in Bezug auf den Essay Das Schicksal der deutschen Literaturgeschichte (Noth: Erinnerungen, S. 261) – und nichts über den Lehrer.

Noth erklärt das später. Andere Lehrer hätten größere Bedeutung für ihn gehabt, das habe an deren Persönlichkeit und seiner, Noths, damaligen politischen Orientierung gelegen, und deshalb sei sein Urteil „nicht notwendigerweise“ ein „sachliches oder fachliches“ (Noth: Erinnerungen, S. 261).

Literatur

Noth, Ernst-Erich: Erinnerungen eines Deutschen, Erstes Buch: Die deutschen Jahre, hg. von Lothar Glotzbach, Frankfurt am Main 2009