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Franz Schultz

...Literaturwissenschaftliche Methodik

Nach Schultz´ plötzlichem Tod im Jahr 1950 erscheint ein Nachruf mit einer genauen Charakterisierung der Methodik seiner wissenschaftlichen Arbeiten in der Zeitschrift „Wirkendes Wort". Eine Beschreibung seiner präzisen und eher traditionellen Arbeitsweise, die auch in den Aussagen seiner Schüler deutlich wird, lässt sich auch hier finden.

Zur „wissenschaftliche[n] Grundhaltung" heißt es: Schultz blieb „allen modischen Strömungen der Literaturwissenschaft fern, [er] entlarvte Schlagworte und prüfte unerbittlich begriffliche Ordnungsversuche auf ihren sachlichen Wert [...] er forderte genaue Kenntnis aller Einzelheiten, unbestechliche Wahrhaftigkeit und Sachlichkeit, die sich vor dem Gegenstand ausweist, aber auch Verständnis jeder literarischen Erscheinung aus ihrer Eigentümlichkeit […] Bei allem Eindringen in das Einzelne drängte es ihn doch zu zusammenfassender Darstellung […] und zu methodischer Besinnung, die den eigenen Standpunkt klären will." (Anonym: Wirkendes Wort, S. 192)

Bei der Betrachtung der Titel seiner Vorlesungen, die Schultz im Zeitraum zwischen 1921 und 1950 hielt, zeigt sich deutlich, dass er immer wieder versuchte, einen epochalen Gesamtüberblick zu vermitteln, in den er die „gesamte deutsche Dichtung“ einbeziehen wollte (vgl. Anonym: Wirkendes Wort, S. 192).

Da einer von Schultz´ großen Forschungsschwerpunkten im Bereich der Romantik lag, soll im Folgenden exemplarisch ein Blick auf seine Vorgehensweise in der zweibändigen Monographie „Klassik und Romantik der Deutschen“ geworfen werden: Schultz betont bereits im Vorwort der ersten Auflage von 1934, dass es ihm wichtig sei, „die Linien der dichterischen Erzeugnisse unverwischt zu lassen, ja sie durch die Erörterung von Fragestellungen erst recht zu betonen.“ (Schultz: Klassik und Romantik, Teil I, S. V Vorwort zur ersten Auflage). In der Einleitung hebt er hervor, dass er die Epochen der Romantik und Klassik allumfassend verstehen möchte: Ihm gehe es, mit den Worten eines "neueren Geisteshistorikers" gesprochen, um ein „Verstehenlassen von Zusammenhängen“ und weniger um die Bestimmung von Gegensatzpaaren als „Entweder-Oder“ (vgl. Schultz: Klassik und Romantik, Teil I, S. 6). Er empfinde die genaue Bezeichnung einer Epoche mit einer festen Terminologie ohne Erklärungen und Deutungen sowie das Ausgehen von einem epochalen Zielpunkt, aus dem sich alles konstruieren lasse, als problematisch und verweist darauf, dass sich jede Generation erneut mit den Epochenbezeichnungen auseinandersetzen müsse (vgl. ebd., S. 3ff.).

Dies bildet auch das Motto zu seinen Ausführungen: Er zitiert eben jenen „neueren Geisteshistoriker“ und stellt dessen Aussagen seinen zwei Bänden als Leitfaden voran: „Wir können dem, was die Kulturäußerungen eines Zeitalters verbindet, einen Namen geben, durch den wir einander verstehen, aber bestimmen können wir es nicht.“ (Schultz: Klassik und Romantik, Teil I, S. 6f.). Die Darstellung der „Dichtung und [des] Dichterische[n]“ dieser beiden Epochen soll, so Schultz, als eine Art „Grundlage für die Interpretation der Dichtung [dienen] und ein Teil dieser Interpretation selber sein“ (ebd., S. 7f.).

In einem Vortrag, den Schultz am 15. September 1950 auf der Germanistentagung in München mit dem Titel „Der gegenwärtige Stand der Romantikforschung“ gehalten hat, geht der Literarhistoriker nochmals auf die in seinem Vorwort 1934 beschriebene Problematik hinsichtlich der Epoche der Romantik ein: Schultz beschreibt, dass an das Wort „Romantik“ eine „Fülle von Assoziationen“ geknüpft sei (vgl. Schultz: Klassik und Romantik, Teil II, Anhang, Vortrag, S. 430f.):

Ein Glockenspiel von Vorstellungen und Empfinden jener Zeitepoche klingt auf, ein buntes Farbengegauckel beginnt, ein Füllhorn von schmeichelnden Gaben immaterieller Art wird ausgeschüttet, ein Kaleidoskop von Nebensituationen, von Klängen, von Abenteuer und dunklem Geheimnis fügt sich zusammen und entwirrt sich nur in dem einen oder anderen Punkte. Mehr als ein Mythus der deutschen Klassik gibt es einen solchen der deutschen Romantik. (vgl., ebd., S. 431)

Schultz hebt auch in diesen Ausführungen hervor, dass es nie zu einer endgültigen Ergründung von „Wesen und Form der Romantik“ kommen könne (vgl., ebd., S. 432): „Immer nur annäherungsweise könne eine solche Begriffsbestimmung, handle es sich um Epochen, Strukturzusammenhänge, Menschen, Werke, eine Entsprechung in der geschichtlichen Erfahrung und Realität finden.“ (vgl. ebd.)

Hieran wird deutlich, dass es in den Arbeiten von Schultz gerade auch um ein „Nachempfinden“ der Zeit und der Wesensmerkmale der Epoche gegangen war (vgl. Schultz: Klassik und Romantik, Teil I, S.7).

Schultz schließt seinen letzten Vortrag im Herbst 1950 mit der Hoffnung ab, dass es zu einer „Hermeneutik der romantischen Dokumentationen aller Art“ kommen möge, und äußert die Erwartung, dass dies die „Aufgabe der jungen Generation“ sein werde (vgl. Schultz: Klassik und Romantik, Teil II, Anhang, Vortrag, S. 439).

 

 

Literatur

Schultz, Franz: Klassik und Romantik der Deutschen, 1. Teil: Die Grundlagen der klassisch-romantischen Literatur. Stuttgart 1952, Vorwort und Einführung, S. 1-8

Schultz, Franz: „Der gegenwärtige Stand der Romantikforschung“. Vortrag, gehalten auf der Germanistentagung in München am 15. September 1950. In: Ders.: Klassik und Romantik der Deutschen, 2. Teil: Wesen und Form der klassisch-romantischen Literatur. Stuttgart 1952, S. 429- 439

[anonym:] Nachrichten. Franz Schultz. In: Wirkendes Wort 1 (1950/1951), S. 64

[anonym:] Würdigungen von Dichtern, Forschern, Erziehern. Franz Schultz. In: Wirkendes Wort 1 (1950/1951), S. 192

Titelblatt des ersten Teils der zweibändigen Monographie "Klassik und Romantik der Deutschen"

Schultz, Franz: Klassik und Romantik der Deutschen, 1. Teil: Die Grundlagen der klassisch-romantischen Literatur. Stuttgart 1952