Teilabguß Alexander des Großen als Pharao

von Samantha Feick

Objekt

Abgußsammlung der Klassischen Archäologie, ohne Inv.nr.
Institut für Archäologische Wissenschaften, J. W. Goethe-Universität
nach einem Original im Liebieghaus, Inv.nr. St.P.565
Abguß unter Peter C. Bol, Schenkung durch Vinzenz Brinkmann,
Ankauf des Originals im Jahr 2000 aus Privatbesitz

H 23,2 cm, B 19,2 cm, T 6,3 cm, D ca. 1,5 cm

Technische Merkmale

nicht ergänzter Teilabguß in Gips, Rückseite ausgehöhlt und grob modeliert, mit horizontaleingelassener schmaler Stahlplatte zur Stabilisierung

Teilabguß der sog. Alexanderstatue aus dem Liebieghaus
Teilabguß der sog. Alexanderstatue aus dem Liebieghaus, Abguß-Sammlung der Klassischen Archäologie, Abt. I Institut für Archäologische Wissenschaften, Inv.nr. St.P.565 (Photo: S. Böhm/B. Schödel 2013)

Beschreibung

Bei dem Abguß handelt es sich um den Teilabdruck in Gips einer leicht unterlebensgroßen Statue aus Rosengranit. Der Ausschnitt umfaßt den Kopf vom Scheitel bis zum Brustansatz in Vorderansicht. Der Dargestellte trägt ein Kopftuch, die sog. Königshaube der Pharaonen, darüber ein Diadem, dessen Zentrum durch die Uräusschlange, ein Schutz- und Machtzeichen der altägyptischen Pharaonen und Götter, geschmückt wird. Das breite, über die Schultern reichende Kopftuch ist im Abguß an den Seiten auf ca. zwei cm Breite kantig abgeschnitten.

Das Gesicht wird durch kräftige Augenlieder, im Halbrund geschwungene Augenbrauen, eine schmale, an der Spitze bestoßene Nase, ein schmales spitzes Kinn und gewölbte Wangen charakterisiert. Die Ohren werden von Tuch oder Diadem verdeckt. Unter dem Diadem schaut eine Reihe kurzer Buckellocken hervor. Die unebene Oberfläche des Abgusses ist auf die Beschaffenheit des Rosengranits, aus dem das Original besteht, zurückzuführen.

Vorteile eines Teilabdrucks

Der Teilabguß in Gips birgt gegenüber dem Original für wissenschaftliche Studien einige Vorteile. Zum einen ist er natürlich günstiger und leichter abzunehmen, als ein kompletter Abguß und leichter handhabbar und transportierbar. Zum anderen ermöglicht er eine Konzentration auf das Gesicht. Gegenüber der unruhigen Oberfläche des farbigen und gemusterten Rosengranits läßt sich die Gesichtsmodellierung an dem Abguß mit seiner einheitlichen weißen Färbung besser studieren.

Im Abguß wird auch die gegenüber anderen Stücken eher mindere Qualität der Bildhauerarbeit sichtbar, die durch das besondere Material am Original verschleiert wird. Wie unten aufgezeigt sind es gerade die Gesichtszüge, an die sich Datierungs- und Identifikationsvorschläge knüpfen. Indem sich der Betrachter nur dem Gesicht des Dargestellten gegenüber sieht, gehen jedoch auch Merkmale des Originals verloren wie die eigentliche Wirkung von Größe, Material und des Standmotives im Typus ägyptischer Pharaonenstatuen.

Soweit bekannt wurde kein weiterer Abdruck vom Original genommen; er ist somit ein Einzelstück innerhalb der deutschen Abgußsammlungen.

Datierung des Originals

Die Datierung eines solchen heterogenen Kunstwerks mit ägyptischen und römischen Einflüssen ist selbst für Fachleute schwierig. Das Original wird in hellenistische bis römische Zeit datiert. Zunächst sprach sich A. Grimm für eine Datierung in das späte 4. oder frühe 3. Jh. v. Chr. aus.

Weitere Datierungsvorschläge wurden in unmittelbarem Zusammenhang mit der Identifizierung der Pharaonen-Statue unterbreitet. Als eine ägyptisierende griechische Pharaonen-Statue datierte sie P. C. Bol in die frühhellenistische Zeit. Aufgrund stilistischer Merkmale spricht sich H. Schulze für eine Entstehung nach der Zeit Alexander d. Gr. aus; auch die Vermischung der Herrscherbilddarstellungen der beiden Kulturen, der griechischen und der ägyptischen, wäre erst ab dieser Zeit zu fassen.

Identifikation

Die Statue zeigt einen griechischen König in der Gestalt eines ägyptischen Pharao. Der Dargestellte wurde daher als Alexander der Große angesprochen, der 332 v. Chr. Ägypten eroberte. Diese Annahme ist wie die Datierung nicht unumstritten, denn die bekannten griechischen und römischen Alexanderbildnisse mit bewegtem Kopf, großen Augen und recht wildem strähnigen Haar unterscheiden sich deutlich von dem hier besprochenen.

Die Vermischung griechischer und ägyptischer Formsprache erschwert die Identifizierung. Laut P. C. Bol sind das Gesicht mit seinen fließenden Abstufungen und der einheitliche Aufbau des Kopfes auf griechischen Einfluß zurückzuführen. C. Reinsberg sieht in der Gestaltung des Lockenkranzes mit betonter Mitte „eine ägyptischen Version der Anastole“, ein über der Stirn aufgeworfener Haarschopf, der charakteristisch für die Portraits Alexander d. Gr. ist. In der ägyptisch-hellenistischen Portraitdarstellung wird erst im späten 3. Jh. v. Chr. das Motiv des sichtbaren Stirnhaares aufgegriffen; dann jedoch in Form sichelförmigen Locken.

Dennoch ist der griechische Einfluß in mehreren Punkten ablesbar: die organische Belebung, der gemilderte Ausdruck durch die nahezu rundbogigen Augenbrauen, die Augenbildung, der zusammengezogene kleine Mund, der weiche Ausdruck und die räumliche Tiefenwirkung des Kopfes. P. C. Bol, A. Andreou und C. Reinsberg identifizieren mit den angeführten Argumenten den Dargestellten als Alexander den Großen. 

Von anderer Seite wie durch H. Schulze wird eine Identifizierung mit einem der Nachfolger Alexander d. Gr. wie etwa Ptolemaios V.  (210-180 v. Chr.) vorgeschlagen. Der Haarkranz, sie sichtbaren Locken, das eher füllige Gesicht, die Größe und die Jugendlichkeit passen gut zu einem der Nachfolger, die meist jung an die Macht kamen und früh starben.

Von der Originalstatue ausgehend, ist eine Identifizierung mit einem der Nachfolger überzeugender, als eine Argumentation über den Teilabguß bzw. das Antlitz. Zudem tritt die Vermischung griechischer und pharaonischer Elemente in den ptolemäischen Portraits erst unter Ptolemaios III. (246-222 v. Chr.) auf.

Auch die Identifizierung mit einem römischen Kaiser wäre denkbar. Dagegen spricht sich A. Andreou aus, da seiner Ansicht nach für römische Kaiserbildnisse streng eingehaltene Frisurentypen vorgeschrieben sind. Daß Alexander d. Dr. in ägyptischen Reliefs ohne Lockenkranz dargestellt wird, begründet A. Andreou mit der Tradition, die Portraitierten in diesem Medium nicht über ihre persönliche Ikonographie, sondern über die beigefügte Königskartusche charakterisiert würden. 

Da das Gesicht der Statue im Abguß besser zu erkennen ist und die übrigen Ptolemäer durch Vergleiche mit inschriftlichgesicherten Darstellungen gemäß A. Andreou auszuschließen seien, ist die Annahme, daß Alexander d. G. dargestellt sei, meiner Meinung nach gerechtfertigt.

  • Andreou, Andreas: Keiner trug die Locken so wie er. Das kann nur Alexander sein: Zur Identität des griechisch-ägyptischen Pharaos im Städel, In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 46, 23. 02. 2006, 37. 
  • Bol, Peter C.: Die Frankfurter Alexanderstatue, in: P. C. Bol u.a. (Hrsg.), Ägypten Griechenland Rom. Abwehr und Berührung. Städelsches Kunstinstitut 26. 11. 2005 – 26. 2. 2006 (2006) 14-19.
  • Bol, Peter C.: Alexander d. Gr., in: ebd. 563 f. Kat.nr.134.
  • Reinsberg, Carola: Alexanderbilder in Ägypten, in: P. C. Bol u. a. (Hrsg.), Fremdheit – Eigenheit. Ägypten, Griechenland und Rom. Austausch und Verständnis, Städl-Jahrbuch 19 (2004) 319-339.
  • Schulze, Harald: Das soll Alexander der Große sein? Es gibt Zweifel an der Zuschreibung der Pharaostatue in der Frankfurter Ausstellung  „Ägypten – Griechenland – Rom“, In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.12.2005, Nr. 302, 31.

Samantha Feick, Teilabguß Alexander des Großen als Pharao, in: USE: Universität Studieren / Studieren Erforschen, 3.12.2013, URL: http://use.uni-frankfurt.de/archaeologischesobjekt/feick/.