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Wilhelm Emrich

…Karriere im Nationalsozialismus

Erstaunlich ist, dass Emrich trotz seiner engagierten linkspolitischen Ausrichtung im Studium und trotz seiner wissenschaftlichen Prägung durch die junge Frankfurter Schule im Jahr 1938 ein Habilitationsstipendium durch das Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung gewährt bekam.

Ob ihm dabei seine hoch gelobte Promotionsschrift zugute kam, es als ausreichend erachtet wurde, dass er ein Germanist war, der sich mit Eifer in die Goetheforschung stürzte, oder ob er sich über seine Annäherung an die Nationalsozialisten dieses Privileg erstritt, kann aufgrund der spärlichen Informationen nicht endgültig geklärt werden. Fest steht allerdings, dass viele seiner Kommilitonen mit vergleichbaren Biographien, die sich nicht mit den Nationalsozialisten gemein machten, fliehen mussten (Ernst Erich Noth) oder innerhalb Deutschlands Repressionen erdulden mussten (Kurt Mautz). Emrich hatte nur ein Jahr nach der Machtergreifung fast unbehelligt die Chance, seine wissenschaftliche Laufbahn in Deutschland fortzusetzen.

Unter dem Titel „Entstehung und Wesen der Bild- und Problemschichten in Goethes Faust II“ reichte Emrich 1940 seine Habilitation an der Frankfurter Universität ein, die aber 1941 durch die Fakultät abgelehnt wurde. Auffällig beim Sichten der Habilitationsakte ist vor allem der Umstand, dass sich kaum eine offizielle Rüge gegen seine ideologische Positionierung finden lässt. Eine Ausnahme ist ein kleiner, von Hand beschriebener Zettel, auf dem Emrichs Habilitation als „Arbeit eines Monomanen“ abgewertet wird (Habilitationsakte, UAF Abt. 137, ohne Nummerierung).(1) Die Gründe für die Ablehnung seiner Habilitationsschrift beziehen sich offiziell auf den Stil und die methodischen Ansätze. Dies verwundert umso mehr, da andere Habilitationsakten zu dieser Zeit wie selbstverständlich auch Gutachten über die politische Gesinnung beinhalteten, gerade wenn diese für die Nationalsozialisten zweifelhaft war.

 

Endnote

(1) Der Zettel befindet sich nur lose eingelegt ohne Nummerierung oder Datierung in der Habilitationsakte von Wilhelm Emrich. Universitätsarchiv Uni Frankfurt, Aktenzeichen: UAF Abt. 137, Nr. 18.