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Matthias Friedwagner

...das Rumänische als Herzensangelegenheit

Ausschnitt aus Friedwagner 1940

Übersetzung 

(von Matthias Friedwagner)

Grünes Blatt (gestickt) von Seide,

Schon erscheint die Morgenröte,

Geh' Geliebter, geh' nach Hause!

– Ich will nicht nach Hause gehen,

Wenn der Tag mich auch ereilet,

Denn dein Mund ist gar zu süße!

Wer hat dir das eingeredet?

Hast ein schwarzes Röcklein an,

Dich geputzt wie eine Dame.

– Ob's nun schwarz ist oder Seide,

Laß vom Kleide das Gerede,

Gehe, Schatz, ich bitt' dich, gehe!

– Ich werd' nicht nach Hause gehen,

Selbst wenn auch der Tag mich antrifft,

Denn zu süß war doch dein Mund.

– Wenn die Mutter nun ins Haus tritt

Oder Vater dich erwischt hier,

Gut wird es dir nicht ergehen!

– Laß die Mutter, soll mich sehen,

Und dein Vater soll mich prügeln,

Ich bleib hier, mein liebes Mädchen!


Lehre des Rumänischen

Dass im Vorlesungsverzeichnis des Sommersemesters 1912 mit den Veranstaltungen „Einführung in die rumänische Sprache“ und „Leichte rumänische Lektüre und Übungen (für Anfänger)“ erstmals auch das Rumänische in der Frankfurter Romanistik vertreten war, hing entscheidend mit dem Engagement Matthias Friedwagners zusammen. Dies wird schon dadurch klar, dass diese Veranstaltungen von dem Czernowitzer Lektor Ilie Toroutz abgehalten wurden – schließlich war Friedwagner ja vor seiner Frankfurter Zeit ein gutes Jahrzehnt lang ordentlicher Professor an der Universität Czernowitz gewesen und weiterhin korrespondierendes Mitglied der Rumänischen Akademie.

Friedwagner in der Bukowina

Matthias Friedwagner wurde zum Wintersemester 1900/01 an die Franz Josephs-Universität Czernowitz berufen. Anlässlich der hundertjährigen Zugehörigkeit der Bukowina zu Österreich war diese Universität im Oktober 1875 neu gegründet worden. Das Romanistikstudium an dieser vergleichsweise jungen Universität war aus heutiger Sicht sehr fortschrittlich: Dem Vielvölker-Kronland Bukowina mit seinen ukrainisch- (ruthenisch-), rumänisch- und deutschsprechenden Bevölkerungsteilen und den damit einhergehenden kulturpolitischen Forderungen versuchte man unter anderem durch die Einrichtung zweier Lehrstühle für die Romanistik gerecht zu werden, nämlich einem für Romanische Sprachen und Literaturen und einem für das Rumänische. Zudem war die Aufteilung in eine sprachwissenschaftliche und eine literaturwissenschaftliche Professur hier bereits im Jahre 1907 vollzogen worden.

Wenngleich die Unterrichts- und Verwaltungssprache an der Franz Josephs-Universität Deutsch war, studierte Friedwagner eifrig die Kultur und Sprache der Rumänen. Das Rumänische zählte seit der Übernahme der Czernowitzer Professur neben dem Altfranzösischen sogar zu seinen Interessensschwerpunkten.

Erforschung des Rumänischen

Kontinuierlich beschäftigte er sich in seinen Forschungen mit dem Rumänischen. Dies belegen unter anderem die von ihm verfassten Rezensionen und die Abhandlung "Über die Sprache und Heimat der Rumänen in ihrer Frühzeit". Laut seinem Frankfurter Nachfolger Erhard Lommatzsch gab es "wohl kaum eine wichtigere Schrift der besten Vertreter rumänischer Philologie aus den letzten dreißig Jahren [etwa 1910-1940], mit der sich Friedwagner nicht irgendwie wissenschaftlich auseinandergesetzt, die er nicht mit scharfsinnigen Wahrnehmungen begleitet und bereichert hätte" (Lommatzsch 1941: 51). An der Frankfurter Universität, wo er das Rumänische als Studiensprache etablierte, bot er mit der Veranstaltung "Rumänische Grammatik mit Übungen" (Wintersemester 1921/22) ein ausschließlich rumänisches Thema an.

1914 erinnerte sich Friedwagner in seinem knappen Bericht über den "Unterricht in den romanischen Sprachen und Literaturen an der Akademie zu Frankfurt am Main 1910/11 – 1912", dass sein "Entschluss einer Änderung", die Bukowina gen Frankfurt zu verlassen, "nicht leichten Herzen gefasst ward". Weshalb ihm dieser Schritt viel abverlangte, kann vielleicht sein Aufsatz über "Rumänische Volkslieder aus der Bukowina" (Sonderabdruck aus der Festgabe für Adolf Mussafia aus dem Jahre 1905) illustrieren. Darin schreibt er:

"Die Rumänen der Bukowina sind ein schöner, begabter und außerordentlicher gastfreundlicher Volksstamm, ausgezeichnet durch die große Anhänglichkeit an die Heimat, die sie viel seltener als andere Landeskinder durch Auswanderung preisgeben, und dieses Heimatgefühl, das auch ihren Volksgenossen in Siebenbürgen und Rumänien eigen ist, findet in schwermütigen Liedern einen ergreifenden Ausdruck" (Friedwagner 1905: 4).

Sammler rumänischer Volkslieder aus der Bukowina

Im Rahmen des zunächst durch das Wiener Ministerium für Bildung und Kultur geförderten Projekts "Das Volkslied in Österreich" legte Friedwagner zwischen den Jahren 1907 und 1914 eine Sammlung rumänischer Volkslieder aus der Bukowina an, deren Herausgabe zu seiner Lebensaufgabe werden sollte.

Erst 1940 wurde der erste und bislang einzige Band veröffentlicht: "Liebeslieder". Er ist "in ehrerbietiger Dankbarkeit" dem Hohenzollern Carol II. gewidmet.

Ein Beispiel aus dieser Liedsammlung findet sich oben. Dabei handelt es sich um eine Art Tagelied in rumänischer Sprache, das mit der Übersetzung Friedwagners wiedergegeben wird.

Friedwagner war es nicht mehr vergönnt, das Erscheinen des Werks, dem er Jahrzehnte gewidmet hatte, zu erleben. In einem Nachwort zu dem Werk erinnert seine Tochter daran, dass ihr Vater, nachdem er die letzten Korrekturen erledigt hatte, nach kurzer Krankheit starb.

Literatur

Friedwagner, Matthias: Der Unterricht in den romanischen Sprachen und Literaturen an der Akademie zu Frankfurt a. M. 1910/11-1912. In: Vollmöllers Kritische Jahresberichte 4 (1913), S. 48-50

Friedwagner, Matthias: Rumänische Volkslieder aus der Bukowina, Bd. 1: Liebeslieder (Literaturhistorisch-musikwissenschaftliche Abhandlungen, Bd. 5). Würzburg 1940

Friedwagner, Matthias: Rumänische Volkslieder aus der Bukowina. Sonderabdruck aus der Festgabe für A. Mussafia (Bausteine zur Romanischen Philologie). Halle 1905

Kramer, Johannes: Die Romanisten an der Franz-Josephs-Universität Czernowitz. In: Victoria Popovici, Wolfgang Dahmen, Johannes Kramer (Hg.), Gelebte Multikulturalität. Czernowitz und die Bukowina. Frankfurt am Main u.a. 2010, S. 87-106

Lommatzsch, Erhard: Zur Erinnerung an Matthias Friedwagner. In: Zeitschrift für Romanische Philologie 61 (1941), S. 45-62

Pascaniuc, Elena: Matthias Friedwagner (1861-1940). Förderer der rumänischen Kultur in Deutschland. In: Victoria Popovici, Wolfgang Dahmen, Johannes Kramer (Hg.), Gelebte Multikulturalität. Czernowitz und die Bukowina. Frankfurt am Main u.a. 2010, S. 107-120