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Matthias Friedwagner


Matthias (auch: Mathias) Friedwagner wurde am 3. Februar 1861 in Gallspach (Oberösterreich) geboren. Seine Eltern waren Johann Friedwagner, Grundbesitzer und Zimmermann, und Maria Friedwagner, geb. Niedermayr. Er besuchte die Oberrealschule und das humanistische Staatsobergymnasium in Linz. Mit seiner Ehefrau Hermine Mathilde Friedwagner, geb. Richter (1867-1932), hatte er eine Tochter, Irmingard Editha Maria von Frauendorfer (*1900). Friedwagner war katholischer Konfession. Er starb am 5. April 1940 in seiner Heimatstadt.

1880-1885Studium der Germanistik und Romanistik in Wien; Tätigkeit am Wiener Hofarchiv
1886-1888Lehrer des Französischen an der Kaiserlichen Marine-Realschule in Pula (im heutigen Kroatien)
1889Promotion bei Adolf Mussafia (Wien): „Über die Sprache des altfranzösischen Heldengedichtes Huon de Bordeaux“
1888-1890Lehrer an der Währinger Staats-Oberrealschule in Wien
1890/91Forschungsaufenthalt in Paris und am Österreichischen Historischen Institut in Rom
1895Forschungsreisen nach Frankreich, England, Belgien und Italien
1898Habilitation bei Adolf Mussafia (Wien); seitdem Tätigkeit als Privatdozent in Wien
ab 1900Ordentlicher Professor an der Universität Czernowitz (in der heutigen Ukraine)
1903-1904Dekan an der Universität Czernowitz
1910-1911Rektor an der Universität Czernowitz
Sommer 1910wird als Nachfolger Heinrich Morfs an die Frankfurter Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften berufen und bis zur Übernahme seiner Lehrtätigkeit im Sommersemester 1911 vertreten
1911-1914Ordentlicher Professor an der Frankfurter Akademie
ab 1914Ordentlicher Professor an der Universität Frankfurt am Main
1916-1918Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Frankfurt am Main
ab 1917Geheimer Regierungsrat
1928Emeritierung. Friedwagner lehrte jedoch weiter: seine wohl letzte Veranstaltung war für das Wintersemester 1934/35 angekündigt

Monographien

  • Goethe als Corneille-Übersetzer. Ein Beitrag zur Geschichte des französischen Dramas in Deutschland. Wien 1890
  • Über die Sprache des altfranzösischen Heldengedichtes Huon de Bordeaux (Wiener Dissertation, Neuphilologische Studien, Bd. 6). Paderborn 1891

Texteditionen

  • Meraugis von Portlesguez, Altfranzösischer Abenteuerroman von Raoul von Houdenc. Zum ersten Mal nach allen Handschriften herausgegeben (Raoul von Houdenc, Sämtliche Werke, Bd. 1). Halle 1897
  • La Vengeance Raguidel. Altfranzösischer Abenteuerroman von Raoul von Houdenc. Zum ersten Mal nach allen Handschriften herausgegeben (Raoul von Houdenc, Sämtliche Werke, Bd. 2). Halle 1909
  • Rumänische Volkslieder aus der Bukowina, Bd. 1: Liebeslieder (Literaturhistorisch-musikwissenschaftliche Abhandlungen, Bd. 5). Würzburg 1940

Aufsätze

  • Frau von Staël's Anteil an der romantischen Bewegung in Frankreich. Sonderabdruck aus den Verhandlungen des 9. allgemeinen deutschen Neuphilologentages in Leipzig. Hannover 1901
  • Troubadours und Minnesang, in: Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts in Frankfurt am Main (1913)
  • Über die Volksdichtung der Bukowiner Rumänen. Inaugurationsrede gehalten am 2. Dezember 1910. Czernowitz 1911

Ein vollständiges Schriftenverzeichnis mit Titeln, Rezensionen und Aufsätzen Friedwagners findet sich in Erhard Lommatzsch, Zur Erinnerung an Matthias Friedwagner. In: Zeitschrift für Romanische Philologie 61 (1941), S. 45-62. 

An der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften zu Frankfurt am Main:

SoSe 1911

Historische Grammatik der französischen Sprache [I. Lautlehre]

Victor Hugo

Besprechung und Kritik von Werken der französischen Sprachgeschichte

Altfranzösische Übungen

WiSe 1911/12

Historische Formenlehre der französischen Sprache

Geschichte des französischen Dramas bis in die Zeit der Klassiker

Besprechung von neueren Werken der romanischen Philologie

Übungen zur altprovenzalischen Sprache und Dichtung

SoSe 1912

Provenzalische Grammatik

Corneille und Racine

Don Quijote

Sully Prudhomme und die "parnassische" Dichtung

WiSe 1912/13

Historische Syntax der französischen Sprache: Der einfache Satz

Dante

Phonetische und sprachgeographische Übungen

Übungen zur Sprache und Literatur des XVI. Jahrhunderts

SoSe 1913

Historische Syntax der französischen Sprache (Fortsetzung)

Geschichte der französischen Literatur in der ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts

Dantes "Inferno"

Übungen zur altfranzösischen Sprache und Literatur

WiSe 1913/14

Französische Phonetik

Französische Literatur im XVIII. Jahrhundert

Victor Hugos "Légende des Siècles"

Phonetische und sprachgeographische Übungen [Sprachatlas]

 

An der Universität Frankfurt am Main:

WiSe 1914/15

Historische Grammatik der französischen Sprache [Lautlehre]

Boccaccios Decamerone

Das altfranzösische Rolandslied

Neufranzösische Mundarten und Übungen am Sprachatlas

SoSe 1915

Geschichte der französischen Literatur im XVII. Jahrhundert

Erklärung des französischen Yvain (mit Übungen)

Übungen zur Sprachgeographie Frankreichs

Don Quijote

WiSe 1915/16

Französische Formenlehre in historischer Entwicklung

Anglonormannisch (auch für Anglisten)

Neufranzösische Mundarten

Alfred de Vigny, Poésies

SoSe 1916

Geschichte der französischen Literatur zur Zeit Ludwigs XIV.

Provenzalische Grammatik

Molières "Femmes savantes"

Übungen zur provenzalischen Sprache und Literatur

Besprechung schriftlicher Arbeiten

WiSe 1916/17

Vergleichende historische Syntax der französischen Sprache

Dante

Übungen zur französischen Sprache und Literatur des XVI. Jahrhunderts

SoSe 1917

Geschichte der französischen Literatur im XVIII. Jahrhundert

Übungen zum altfranzösischen Tristanroman von Beroul

Erklärungen von Dantes Divina Commedia

Phonetische und sprachgeographische Übungen

WiSe 1917/18

Einführung in das Studium der romanischen Philologie

Französische Phonetik

Calderón, El Alcalde de Zalamea

V. Hugos Lyrik: Feuilles d'automne

SoSe 1918

Geschichte der französischen Literatur im XIX. Jahrhundert

Französische Verslehre

Altfranzösische Übungen

Besprechung schriftlicher Arbeiten

Don Quijote

WiSe 1918/19

Historische französische Grammatik I (Lautlehre)

Erklärung der ältesten französischen Sprachdenkmäler

Übungen zur altprovenzalischen Sprache und Literatur

Zwischensemester für Kriegsteilnehmer (3. Februar - 16. April 1918):

Französische Literatur und Kultur in der ersten Hälfte des XVII. Jahrhunderts

Einführung in das Altfranzösische

Molières "Femmes savantes"

SoSe 1919

Geschichte der französischen Literatur im Zeitalter Ludwigs XIV.

Erklärung des altfranzösischen Wilhelmsliedes

Übungen zur neufranzösischen Syntax

WiSe 1919/20

Historische französische Formenlehre

Französische Phonetik

Montaigne, Essais

Zwischensemester Frühjahr 1920 (2. Februar - 31. März):

Historische französische Syntax: der zusammengesetzte Satz

Erklärungen des altfranzösischen Rolandsliedes

Übungen zur neufranzösischen Syntax

SoSe 1920

Geschichte der französischen Literatur des XVIII. Jahrhunderts

Französische Verslehre in historischer Entwicklung

Cervantes' Don Quijote

Übungen zum altfranzösischen Rolandsliede

WiSe 1920/21

Historische Syntax der französischen Sprache: Der einfache Satz

Altfranzösische Übungen

Dantes Leben und Werke

Racines Athalie

SoSe 1921

Geschichte der französischen Literatur im XIX. Jahrhundert

Altprovenzalische Grammatik mit Übungen

Übungen zur Sprache und Dichtung der Troubadours

WiSe 1921/22

Einführung in die romanische Philologie

Altfranzösische Übungen

Rumänische Grammatik mit Übungen

Dante, Divina Commedia

SoSe 1922

Geschichte des französischen Dramas bis Corneille

Erklärung von französischen Texten des 16. Jahrhunderts

Sprachgeographische Übungen

WiSe 1922/23

Geschichte der französischen Sprache; I. Lautlehre

Erklärung altfranzösischer Dichtungen (XII. Jhdt.) Li lais de Guingamor et de Tydorel

Französische Mundarten (mit Übungen am Sprachatlas)

SoSe 1923

Geschichte der französischen Literatur im XVII. Jahrhundert

Erklärung des altspanischen Cid

Übungen zum altfranzösischen Prosastil des XVII. und XVIII. Jhdts.

WiSe 1923/24

Historische Formenlehre der französischen Sprache

Französische Phonetik

Phonetische Übungen

SoSe 1924

Geschichte der französischen Literatur im 18. Jahrhundert

Einführung in die Sprache und Dichtung der Troubadours

Akademische neusprachliche Gesellschaft: Romanistische Arbeitsgemeinschaft (besonders für Lehrer höherer Schulen)

Altprovenzalische Übungen

WiSe 1924/25

Altfranzösische Übungen

Historische spanische Grammatik

Lamartines Jugendlyrik

SoSe 1925

Geschichte der französischen Literatur im XIX. Jahrhundert

Historische spanische Grammatik II. Teil: Formenlehre

V. Hugo: La Légende des Siècles

WiSe 1925/26

Historische französische Syntax

Französische Phonetik

Calderón: La vida es sueño

SoSe 1926

Historische französische Syntax, II. Teil

Erklärung des altfranzösischen Tristan von Beroul

Sprachgeographische Übungen am Atlas linguistique de la France

WiSe 1926/27

Einführung in die romanische Philologie

Geschichte der französischen Literatur im 17. Jahrhundert

Übungen am französischen Sprachatlas

SoSe 1927

Sprache und Dichtung der altprovenzalischen Troubadours

Geschichte der französischen Literatur im 17. Jahrhundert

Übungen zur französischen Sprache und Literatur des 16. Jahrhunderts

WiSe 1927/28

Historische französische Grammatik I. Lautlehre

Altfranzösische Übungen

Altprovenzalische Übungen

SoSe 1928

("Ab 1.4.28 von den amtl. Verpflichtungen entbunden.") 

Französische Phonetik

Französische Verslehre in historischer Entwicklung

Yvain von Christian von Troyes

WiSe 1928/29

("Von den amtl. Verpflichtungen entbunden.") 

Historische französische Formenlehre

Die ältesten französischen Sprachdenkmäler

Paul Verlaine

SoSe 1929Erklärung altfranzösischer Texte
WiSe 1929/30Historische französische Syntax
SoSe 1930

Erklärung der altfranzösischen Tristan-Dichtung von Beroul

Geschichte der französischen Literatur im XIX. Jahrhundert

WiSe 1930/31

Einführung in die provenzalische Sprache und Literatur

Altfranzösische Übungen

SoSe 1931

Historische französische Syntax: die Satzgruppen

Erklärung altfranzösischer Heldendichtungen

WiSe 1931/32

Historische französische Syntax: die Satzgruppen

Erklärung altfranzösischer Heldendichtungen

WiSe 1932/33Molière und sein Kreis
WiSe 1933/34Französische Phonetik
WiSe 1934/35Voltaire und Rousseau

Quelle: Vorlesungsverzeichnisse der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften (Frankfurt am Main) und der Universität Frankfurt am Main

Matthias Friedwagner; Bild: UAF (Uniarchiv Frankfurt am Main)

Friedwagners Frankfurter Romanistik: historisch tief, thematisch breit und gegenwartsbezogen

Als Matthias Friedwagner aus Czernowitz (in der heutigen Ukraine) an die Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften nach Frankfurt berufen wurde, waren seine akademischen Interessen eng mit der Mittelalterphilologie verbunden. Dennoch hatte er Potentiale, die ihn für die an Bürgernähe und Praxisorientierung interessierte Akademie und ab 1914 auch für die Universität attraktiv machten. Dazu zählte insbesondere sein Interesse an der Beschreibung der romanischen Gegenwartssprachen, an der Dialektforschung und an der Sprachgeographie. Seine Beschäftigung mit den Literaturen von zumindest vier romanischen Ländern (Frankreich, Italien, Spanien, Rumänien) erinnert von ihrer historischen Tiefe (Mittelalter bis spätes 19. Jh.) und ihrer Methodik an die Arbeiten seines Vorgängers in Frankfurt, Heinrich Morf. Institutionell war Friedwagner eine der Stützen der Philosophischen Fakultät, deren Geschicke er als Dekan während des Ersten Weltkriegs leitete. Als Inhaber des einzigen Frankfurter Romanistik-Lehrstuhls engagierte er sich für die Fremdsprachenausbildung, die unter seiner Regie neben dem Französischen, Italienischen und Spanischen auch das Rumänische einschloss, dem er, aus seiner Zeit in der Bukowina herrührend, allgemein eine besondere Bedeutung zumaß.
 

...das Rumänische als Herzensangelegenheit

Dass im Vorlesungsverzeichnis des Sommersemesters 1912 mit den Veranstaltungen „Einführung in die rumänische Sprache“ und „Leichte rumänische Lektüre und Übungen (für Anfänger)“ erstmals auch das Rumänische in der Frankfurter Romanistik vertreten war, hing entscheidend mit dem Engagement Matthias Friedwagners zusammen. Dies wird schon dadurch klar, dass diese Veranstaltungen von dem Czernowitzer Lektor Ilie Toroutz abgehalten wurden – schließlich war Friedwagner ja vor seiner Frankfurter Zeit ein gutes Jahrzehnt lang ordentlicher Professor an der Universität Czernowitz gewesen und weiterhin korrespondierendes Mitglied der Rumänischen Akademie. [Weiterlesen]

...Romanistik im Frankfurter Universitätskalender von 1924/25

Bei der Buchhandlung Franz Benjamin Auffarth auf der Frankfurter Zeil konnten Studenten und die interessierte Öffentlichkeit den sogenannten Frankfurter Universitätskalender erwerben. Für das Studienjahr 1924/25 findet sich in diesem Taschenbuch neben allerhand Werbung für Tanzschulen, Ausgehlokale und Zigarettenmarken, einem herausnehmbaren Stundenplan und dem eigentlichen Kalendarium ein anschaulicher Artikel Friedwagners, der für das Studium der Romanischen Philologie begeistern möchte. [Weiterlesen]
 

..."einige Worte an Sie, liebe Kommilitonen"

Am 2. Dezember 1910 richtete Matthias Friedwagner das Wort an seine Studenten: in seiner Funktion als Rektor nutzte er auf einer öffentlichen Feier „die einzige Gelegenheit der Studentenschaft anders als durch das Schwarze Brett zu sprechen“. Auch wenn diese Inaugurationsrede an der Czernowitzer Universität abgehalten wurde, und sich Friedwagner nicht an die Frankfurter Studentenschaft wandte, ist anzunehmen, dass die hier getroffenen Aussagen seine Vorstellungen vom guten Studium im Allgemeinen übermitteln und, dass diese auch während seiner Frankfurter Zeit noch Gültigkeit besaßen. Wahrscheinlich ist, dass die Veröffentlichung dieser Ansprache dem eigentlichen Vortragsthema (die Volksdichtung der Bukowiner Rumänen) zu verdanken ist. [Weiterlesen]

 

 

Im Blick der Nachwelt

"Seine entscheidenden Verdienste liegen auf dem Gebiete der altfranzösischen und rumänischen Philologie. Wie in unserer Wissenschaft der Name Wendelin Foersters mit dem seines Lieblingsdichters Crestien de Troyes verbunden bleibt, so werden die Leser der abenteuerlichen Romane von Crestiens jüngerem Zeitgenossen Raoul de Houdenc immer den Namen seines Herausgebers Matthias Friedwagner begegnen. Er hatte sich kein leichtes Thema gestellt. 'Die undankbare Aufgabe einer kritischen Meraugis-Edition konnte Klügere eben nicht locken', bemerkte er einmal mit einem Anflug von Selbstironie." [Weiterlesen]

Essay

Matthias Friedwagners Plädoyer für das Spanische unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs

von Anne Bihan

Gegen Ende des Ersten Weltkrieges soll Matthias Friedwagner auf den Frankfurter Städtischen Bühnen gestanden haben – nicht um Theater zu spielen, sondern um seine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem spanischen Theater einem städtischen Publikum darzubieten. Mit einem Vorwort vom Oktober 1918 wurde diese Auseinandersetzung dann im Jahre 1919 als Aufsatz in der „Deutschen Bühne. Jahrbuch der Frankfurter Städtischen Bühnen“ herausgegeben. Doch Matthias Friedwagner war kein Hispanist. [Weiterlesen]
 

Das Porträt von Matthias Friedwagner wurde zusammengestellt von Anne Bihan und Frank Estelmann