Martin Sommerfeld
- Außerordentlicher Professor für Deutsche Philologie an der Universität Frankfurt in der Weimarer Republik
- Exilierte 1933 in die USA und war u.a. an der Columbia University in New York Visiting Professor of German Literature
- Literarhistoriker mit geistesgeschichtlicher Orientierung und Spezialist für Barock, Sturm und Drang sowie Weimarer Klassik
- Schüler von Franz Schultz // Lehrer von Wilhelm Emrich und Ernst Erich Noth
- Zeitgleich an der Universität Frankfurt mit Matthias Friedwagner, Helmut A. Hatzfeld, Arnold Hirsch, Leo Löwenthal, Erhard Lommatzsch und Hellmuth Petriconi
Martin Sommerfeld wurde am 2. Mai 1894 in Angerburg (Ostpreußen) geboren und starb am 26. Juli 1939 in Bristol (Vermont) USA. Seine Eltern waren Heinrich Sommerfeld, Kaufmann und Fabrikbesitzer, und Berta Sommerfeld, geb. Klein. Er besuchte die Höhere Privatknabenschule in Königsberg, das Königliches Gymnasium in Insterburg und legte schließlich 1912 sein Abitur am Königlichen Prinz-Heinrich-Gymnasium in Berlin-Schöneberg ab. 1919 heiratete er Helene Sommerfeld (cand. phil.), geb. Schott (1892-1974). Sommerfeld war jüdischer Konfession.
1912-1916 | Studium der Germanistik, Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte, Historische Hilfswissenschaften, Kunstgeschichte, Französische und Englische Literaturgeschichte in Berlin, München und Frankfurt am Main |
1916 | Promotion bei Franz Muncker (München): „Friedrich Nicolai und der Sturm und Drang“ |
1922 | Habilitation bei Franz Schultz (Frankfurt am Main): „Hebbel und Goethe. Studien zur Geschichte des deutschen Klassizismus im 19. Jahrhundert“ |
1922-1927 | Privatdozent für Deutsche Philologie, insbesondere Deutsche Literaturgeschichte an der Universität Frankfurt am Main |
1927-1933 | Nichtbeamteter außerordentlicher Professor für Deutsche Philologie, insbesondere Neuere deutsche Literaturgeschichte an der Universität Frankfurt am Main |
1933 | Entzug der Lehrerlaubnis und Emigration in die USA |
1933 | Visiting Foreign Instructor of German, Columbia University, New York |
1934-1936 | Visiting Professor of German Literature, Columbia University, New York |
1935-1936 | Special Lecturer of German, City College, New York |
1936-1939 | Professor of German Language and Literature, Smith College, Northhampton |
1939 | Lehrtätigkeit an der Summer School, Middlebury College, Bristol |
1939 | Ruf ans Queens College, New York, jedoch vor Antritt der Stelle verstorben |
Monographien
- Friedrich Nicolai und der Sturm und Drang. Borna-Leipzig 1917. (erweiterte Fassung: Halle/Saale 1921)
- Hebbel und Goethe. Studien zur Geschichte des deutschen Klassizismus im 19. Jahrhundert. Bonn 1923
- Deutsche Klitteraturgeschichte in groben Zügen. Ein bibliopsiles Repetitorium von M.S. Offenbach 1924 (Privatdruck)
- Der Bücherleser. Gedanken zu seine Rechtfertigung. Frankfurt am Main 1925. „In einhundertsechzig Exemplaren auf Japan-Bütten für die Mitglieder der Frankfurter Bibliophilen Gesellschaft abgezogen und ihnen zum 22. Februar 1925 gewidmet von Moriz Sondheim, Dr. Leo Baer, Edwin Baer“
- Goethe in Umwelt und Folgezeit. Gesammelte Studien von Dr. Martin Sommerfeld, ehem. Professor an der Universität Frankfurt am Main, Professor an der New York University. Leiden 1935
- The „Baroque“ Epoch in German Literature. Smith College Studies. New York 1939
Editionen und Herausgeberschaften
- Vormärz. Eine lyrische Anthologie. München 1918
- Moritz August von Tümmel: Wilhelmine oder Der verliebte Pedant. Mit einem Nachwort. München 1918
- Jean Paul: Friedenspredigt. Eine Auswahl aus seinen politischen Schriften. München u.a. 1919
- Johann Georg Hamann: Versuch einer Sibylle über die Ehe. Nachdruck der Ausgabe von 1775. Frankfurt am Main 1925
- Johann Christoph Sachse: Der deutsche Gil Blas. Eingeführt von Goethe. Oder Leben, Wanderungen und Schicksale J.C. Sachses eines Thüringers. Vom ihm selbst verfaßt. Frankfurt am Main 1925
- Deutsche Barocklyrik. Nach Motiven ausgewählt und geordnet. Berlin 1929
- Deutsche Lyrik 1880-1930. Berlin 1931
- Romantische Lyrik. Nach Motiven ausgewählt und geordnet. Berlin 1932
- Judith-Dramen des 16./17. Jahrhunderts nebst Luthers Vorrede zum Buch Judith. Berlin 1933
- George, Hofmannsthal, Rilke. New York 1938
Aufsätze
- Romantheorie und Romantypus der deutschen Aufklärung. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 4 (1926), S. 459-490 (Nachdruck Darmstadt 1965)
- Das Straßburger Akademietheater und die Wende von der Renaissance zum Barock. In: Elsaß-Lothringisches Jahrbuch 12 (1933), S. 109-134
WiSe 1922/23 | Das deutsche Drama seit der Mitte der 18. Jahrhunderts Literarhistorische Uebungen (Herder) |
SoSe 1923 | Geschichte der poetischen Theorie und Kritik, vom Mittelalter bis zur Gegenwart |
WiSe 1923/24 | Der große europäische Roman des 19. und 20. Jahrhunderts Literarhistorische Uebungen (Aelteres deutsches Drama) |
SoSe 1924 | Die deutsche Literatur des ausgehenden Mittelalters Proseminar: Goethes autobiographische Schriften |
WiSe 1924/25 | Geschichte der deutschen Lyrik seit Klopstock Proseminar: Roman des 18. Jahrhunderts |
SoSe 1925 | Geschichte der literarischen Theorie und Kritik, vom Mittelalter bis zur Gegenwart Proseminar: Novalis` Schriften, mit einer Einführung in das Studium der deutschen Romantik |
WS 1925/26 | Friedrich Hebbel und seine Zeit sowie Dichtung und Gesellschaft Proseminar: Hamann und Herder |
SoSe 1926 | Uebungen zur Geschichte der literarischen Kritik Proseminar: Aelteres deutsches Drama |
WiSe 1926/27 | Geschichte der deutschen Literatur im Zeitalter der Aufklärung (Das 18. Jahrhundert, I. Teil) Keller, Fontane, Thomas Mann |
SoSe 1927 | Geschichte der deutschen Literatur im Zeitalter des Sturms und Drangs (Das 18. Jahrhundert, II. Teil) Proseminar: Goethes autobiographische Schriften |
WiSe 1927/28 | Geschichte der deutschen Literatur im Zeitalter des Barock Schillers aesthetische Schriften, mit Interpretation ausgewählter Kapitel Proseminar: Literarhistorische Uebungen (Gottfried Keller und C. F. Meyer) |
SoSe 1928 | Goethes Schriften zur Kunst und Literatur Der deutsche Roman seit Goethe Proseminar: Literarhistorische Uebungen (Hölderlin) |
WiSe 1928/29 | Geschichte der deutschen Literatur im Zeitalter des Barock Friedrich Hebbel und seine Zeit Proseminar: Literarhistorische Uebungen |
SoSe 1929 | Geschichte des deutschen Dramas Proseminar: Literaturhistorische Uebungen (Lessing und Wieland) |
WiSe 1929/30 | Hauptprobleme der Literaturwissenschaft Geschichte der deutschen Literatur im Zeitalter der Aufklärung (1700-1770) Literaturhistorische Uebungen (Schiller) Proseminar: Gottfried Keller und C. F. Meyer |
SoSe 1930 | Geschichte der deutschen Literatur im Zeitalter des Sturm und Drang Literaturhistorische Uebungen: Friedrich Hebbel Proseminar: Uebungen zur Dichtung des Barock |
WiSe 1930/31 | Die deutsche Romantik Literarhistorische Uebungen: Soziale Probleme in der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts Proseminar: Schiller |
SoSe 1931 | Der deutsche Roman seit Goethe Literarhistorische Uebungen: Hölderlin Proseminar: Lessing |
WiSe 1931/32 | Geschichte des deutschen Dramas (mit Berücksichtigung des Theaters) Literarhistorische Uebungen aus dem Zusammenhang von Dichtung und Gesellschaft (vornehmlich im 18. Jahrhundert) Proseminar: Der junge Goethe |
SoSe 1932 | Geschichte der deutschen Literatur im Zeitalter des Barock Proseminar: Uebungen zur Geschichte der Lyrik im 19. und 20. Jahrhundert |
WiSe 1932/33 | Geschichte der deutschen Literatur im 18. Jahrhundert (Zeitalter der Aufklärung) Literaturhistorische Uebungen (für Fortgeschrittene), Goethe im 19. Jahrhundert Proseminar: Klassisches Drama |
SoSe 1933 | Friedrich Hebbel und seine Zeit Proseminar: Renaissance- und Barock-Drama (mit Berücksichtigung des Theaters) |
WiSe 1933/34 | Das Vorlesungsverzeichnis der Universität Frankfurt verzeichnet unter dem Namen Sommerfelds: „z. Zt. beurlaubt“. |
Quelle: Vorlesungsverzeichnisse der Universität Frankfurt am Main.
Photograph of Martin Sommerfeld (Nr. F 3142): Courtesy of the Leo Baeck Institute, New York
Ein typischer Frankfurter Extraordinarius und Neugermanist
Martin Sommerfeld war in vieler Hinsicht ein typischer Vertreter der Frankfurter Germanistik in der Weimarer Republik: Er war ein jüdischer Gelehrter, der zeitgemäß methodisch geistesgeschichtlich orientiert war und in Forschung und Lehre konsequent neugermanistisch arbeitete – er verfasste beide Qualifikationsschriften im neueren Bereich und gab ebenso Seminare zur Barockliteratur wie zu zeitgenössischen Autoren. Nach Promotion, Habilitation und der Ernennung zum außerordentlichen Professor in Frankfurt konnte er sich berechtigte Hoffnungen auf einen eigenen Lehrstuhl an einer deutschen Universität machen. Diese Hoffnungen fanden mit seiner Vertreibung 1933 ein Ende – den Ruf auf eine ordentliche Professur am Queens College in New York, den Sommerfeld 1939 im us-amerikanischen Exil endlich erhielt, konnte er nicht mehr antreten. Sommerfeld war, wie einige Bemerkungen etwa Ernst Erich Noths es vermuten lassen, einer der angesehenen und beliebten Lehrenden der Philosophischen Fakultät an der Universität Frankfurt am Main.
...Methodik der universitären Schriften
Die methodische Herangehensweise Martin Sommerfelds ist in den meisten seiner im universitären Kontext veröffentlichten Schriften ähnlich, es lässt sich ein Grundprinzip ausmachen, dass hier zunächst anhand der Dissertation „Friedrich Nicolai und der Sturm und Drang“ dargestellt werden soll. In seiner Dissertation beschreibt und analysiert Sommerfeld das Verhältnis des Aufklärers Nicolai zum Sturm und Drang. Zunächst legt er das literarische, ästhetische und theoretische Programm Nicolais dar und geht dann auf seine Beziehungen zu anderen Dichtern, besonders zu jenen der konträren Geisteshaltung des Sturm und Drang ein,... [Weiterlesen]
..."Klitteraturgeschichte" oder das "bibliopsile Repetitorium"
Neben den wissenschaftlichen Veröffentlichungen hat Martin Sommerfeld im Rahmen seiner Mitgliedschaft in der Frankfurter Bibliophilen-Gesellschaft zwei eher ungewöhnliche Werke verfasst: zum einen die „Deutsche Klitteraturgeschichte in groben Zügen. Ein bibliopsiles Repetitorium" und zum anderen „Der Bücherleser. Gedanken zu seiner Rechtfertigung“,… [Weiterlesen]
...Vertreibung von der Universität Frankfurt
Im Frühjahr 1932 drangen „uniformierte Nazistudenten“ und SA-Männer in die Universität Frankfurt ein und verprügelten „Andersdenkende, Juden und Ausländer“, wie Ernst Erich Noth in seinen Erinnerungen eines Deutschen berichtet. Sommerfeld habe schon geahnt, es war kurz vor der Taufe der Universität auf den Namen Johann Wolfgang Goethe-Universität, „daß hier mit dem Namen Goethes anläßlich seines hundertsten Todestages Schindluder getrieben werden sollte“ und man sich seines Bleibens in diesem Deutschland „bald nicht mehr sicher sein sollte“. [Weiterlesen]
Im Blick der Nachwelt
"Wir sind stolz und froh, dass er diesen Sommer zu uns kam, und wir haben ihn nicht nur bewundern gelernt als Meister seiner Kunst sondern lieben als Menschen und Freund. Froh und heimisch ist er geworden in seinem neuen Vaterlande"... [Weiterlesen]
Essay
Martin Sommerfeld - Wegbereiter der Rezeptionsästhetik?
von Anna Eberhardt
Das Essay „Der Bücherleser. Gedanken zu seiner Rechtfertigung“ ist einer der interessantesten Texte Martin Sommerfelds, denn obwohl er sich einem literaturwissenschaftlichen Thema, dem Verhältnis von Autor und Leser sowie der Bedeutung der Rezeption von Liteatur durch den Leser, widmet, wurde er nicht im universitären Kontext veröffentlicht, sondern lediglich privat in kleiner Auflage für die Mitglieder der Frankfurter Bibliophilen-Gesellschaft gedruckt. [Weiterlesen]
Das Porträt von Martin Sommerfeld wurde zusammengestellt von Anna Eberhardt und Frank Estelmann