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Hans Hermann Glunz

...die Kontroverse mit Ernst Robert Curtius

Hans Hermann Glunz und Ernst Robert Curtius waren sich in den Jahren 1932 bis 1934 begegnet, als jener Privatdozent in Köln und gleichzeitig Lektor an der Universität Bonn war. Die Angriffe von Curtius, die Karl Thönnissen als regelrechte „’Glunziade’“, also als „Strafexpedition gegen den Anglisten“ (Thönnissen 2001: 11) bezeichnet, begannen im Jahr 1938 mit einer Reihe von Artikeln in der Zeitschrift für romanische Philologie.

Drei Gründe können für die Attacken von Curtius ausgemacht werden: Glunz war ihm unsympathisch, seine Nähe zum Nationalsozialismus fand er abstoßend und mit der Literarästhetik des europäischen Mittelalters wilderte Glunz in einem der ureigensten Forschungsgebiete von Curtius, nämlich Dantes Divina commedia.

Dass Curtius Glunz nicht mochte, belegen Briefe wie der an Fritz Schalk vom 18. September 1941, in dem es über Glunz heißt, er sein „prätentiös ohne Berechtigung“ (Thönnissen 2001: 11, Anm. 26). Während der Romanist Curtius die NS-Zeit als „willkommene Muße“ (zitiert nach Thönnisssen 2001: 11) für seine Dante-Forschungen nutzen wollte, deren Ergebnisse er in der Form von kleineren Aufsätzen zu veröffentlichen gedachte, kam ihm der Anglist Glunz mit seiner stattlichen Monographie zuvor.

Abgesehen davon, dass Curtius Glunz als „esprit faux“ bezeichnete, der „nie saubere philologische Arbeit machen“ (zitiert nach Thönnissen 2001: 12) würde, geriet Glunz mit seinem Ansatz, das Aufkommen der mittelalterlichen Literatur „nicht aus dem Nachleben der Antike, sondern aus der Verquickung theologischen Denkens und literarischen Arbeitens“ (Hausmann 2003: 137) zu erklären in Widerspruch zu Curtius. Den Anstoß allerdings zur Beschäftigung mit dem lateinischen Mittelalter habe er, Curtius, Glunz ‚zu verdanken’, der ihn mit der Literarästhetik des europäischen Mittelalters als Philologe in die Pflicht genommen habe. So hat der angegriffene Glunz also nicht unbedeutenden Anteil an der Entstehung von Curtius’ Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter.

Literatur

Hausmann, Frank-Rutger: Anglistik und Amerikanistik im "Dritten Reich", Frankfurt am Main 2003

Thönnissen, Karl: Ethos und Methode. Zur Bestimmung von Beruf und Wesen der Metaliteratur nach Ernst Robert Curtius, Aachen 2001