Hans Hermann Glunz
- Ordentlicher Professor für englische Philologie an der Universität Frankfurt am Main von 1934 bis zu seinem Tod 1944
- Spezialist für altenglische Philologie, besonders für das mittelalterliche Dichtungsverständnis
- Verfasser wichtiger Beiträge der 1930er Jahre zur Shakespeareforschung
- Aufwärts strebender Anglist, der im "Dritten Reich" schnell Karriere machte und sich zum Nationalsozialismus bekannte
- Mit seiner Studie zur "Literarästhetik des europäischen Mittelalters" geriet Glunz in eine Kontroverse mit dem Romanisten Ernst Robert Curtius
- Zeitgleich an der Universität mit Hennig Brinkmann, Max Kommerell, Josef Kunz, Erhard Lommatzsch, Bodo Mergell, Friedrich Ohly, Julius Schwietering und Franz Schultz
Hans Hermann Glunz wurde am 12. Mai 1907 in Mainz geboren. Sein Vater war der Eisenbahningenieur Hermann Glunz, der als Soldat im Ersten Weltkrieg starb, seine Mutter Katharina Glunz, geb. Weihrauch. Glunz wurde katholisch erzogen. Er verbrachte seine gesamte Schullaufbahn zwischen 1913 und dem Abschluss des Gymnasiums 1925 in Darmstadt. Glunz heiratete am 19. Dezember 1933 Grete Koppenberg, mit der zusammen er 1935 eine Tochter bekam. 1937 trat Glunz in die NSDAP ein. 1941 als Dolmetscher zum Wehrdienst eingezogen, fiel er am 3. März 1944 an der Ostfront.
1925-1930 | Studium an den Universitäten Frankfurt am Main, München und Köln |
1928 | Promotion in München bei Max Förster mit der Dissertation zum Thema: "Die lateinische Vorlage der westsächsischen Evangelienversion" |
1929-1930 | Nichtplanmäßiger Assistent am Englischen Seminar, Universität Köln |
1930-1932 | Erwerb des Ph.D. an der Cambridge University, Trinity College |
1932 | Habilitation an der Universität Köln bei Herbert Schöffler; Thema: "Britannien und Bibeltext. Der Vulgatatext der Evangelien in seinem Verhältnis zur irisch-angelsächsischen Kultur des Frühmittelalters" |
1933 | Veröffentlichung der Ph.D. Arbeit: History of the Vulgate in England - from Alcuin to Roger Bacon - Being an Inquiry into the Text of some English Manuscripts of the Vulgate Gospels |
1932-1934 | Privatdozent an der Universität Köln und außerplanmäßiger Lektor für Englisch an der Universität Bonn |
8.11.1934 | Ernennung zum persönlichen Ordinarius und Bestellung zum Direktor des Englischen Seminars an der Universität Frankfurt |
1936 | Ernennung zum planmäßiger Ordinarius der Universität Frankfurt |
- Die lateinische Vorlage der westsächsischen Evangelienversion, Leipzig 1928
- Die Verwendung des Konjunktivs im Altenglischen, Leipzig 1929
- Britannien u. Bibeltext. Der Vulgatatext der Evangelien in seinem Verhältnis zur irisch-angelsächsischen Kultur des Frühmittelalters, Leipzig 1930
- History of the Vulgate in England - from Alcuin to Roger Bacon - Being an Inquiry into the Text of some English Manuscripts of the Vulgate Gospels, Cambridge 1933
- Die Literarästhetik des europäischen Mittelalters - Wolfram, Rosenroman, Chaucer, Dante, Frankfurt am Main 1937
- Shakespeare und Morus, Bochum-Langendreer 1938
- Der „Hamlet“ Shakespeares. Frankfurt am Main 1940
- Shakespeares Staat, Frankfurt am Main 1940
- „Nationale Eigenart im mittelalterlichen Schrifttum Englands“, in: Paul Meissner (Hg.): Grundformen der englischen Geistesgeschichte, Stuttgart u.a. 1941, S. 97-189
SoSe 1935 | Englandkunde Proseminar: Stilistische Übungen Spätviktorianische Dichtung |
WiSe 1935-36 | Englische Literatur im Mittelalter Proseminar: Einführung ins Altenglische Englischer Klassizismus |
SoSe 1936 | Literatur der Renaissance und die Frühzeit des Dramas in England Proseminar: Beowulf: Lektüre und Interpretation Hamlet |
WiSe 1936-37 | Shakespeare Neuere Englische Dichtung (publice) Romane des 19. Jahrhunderts |
SoSe 1937 | Englische Literatur in der Barockzeit Proseminar: Übungen zur historischen Syntax des Englischen Zur mittelenglischen Dichtung |
WiSe 1937-38 | Englische Dichtung in der Zeit des Klassizismus Die Shakespearesche Tragödie Proseminar: Einführung ins Altenglische |
SoSe 1938 | Aufklärung und Romantik in der englischen Dichtung Proseminar: Einführung ins Mittelenglische Prosa des 19. Jahrhunderts |
WiSe 1938-39 | Englische Literatur des 19. Jahrhunderts, 1. Teil Proseminar: Übungen zum englischen Wortschatz Englisches Barockdrama |
SoSe 1939 | Englische Literatur des 19. Jahrhunderts, 2. Teil Proseminar: Beowulf: Lektüre und Interpretation Übungen zur Stilbestimmung |
WiSe 1939-40 | Geschichte der englischen Sprache 1500-1900 Der Roman der Engländer Proseminar: Einführung ins Altenglische Altenglische Dichtung |
1940, 1. Trimester | Geschichte der englischen Sprache Proseminar: Stilistische Übungen Englische Essayisten |
1940, 2. Trimester | Die englische Literatur des Mittelalters Proseminar: Altenglische Übungen Englische Dichtung im 19. und 20. Jahrhundert |
1940, 3. Trimester | Englische Literatur in der Neuzeit bis Shakespeare Proseminar: Übungen zur historischen Syntax Altenglische Epik |
1941, 1. Trimester | Shakespeare Proseminar: Einführung ins Mittelenglische Der englische Roman |
SoSe 1941 | Englische Dichtung von Shakespeare bis Wordsworth Proseminar: Übungen zum neuenglischen Wortschatz Das englische Drama der neueren Zeit |
WiSe 1941-42 | Englische Literatur der Romantik Grundzüge der Dichtung Nordamerikas Proseminar: Stilübungen Über Beziehungen zwischen englischer und deutscher Dichtung (Anm.: diese im Vorlesungsverzeichnis angekündigten Veranstaltungen hat Glunz wohl nicht mehr gehalten). |
Quelle: Vorlesungsverzeichnisse der Universität Frankfurt am Main.
Hans Glunz; Aufriss aus: Frank-Rutger Hausmann: Anglistik und Amerikanistik im "Dritten Reich". Frankfurt am Main 2003
Ein Anglist im Kriegseinsatz
Das Englische Seminar der Universität Frankfurt war, ebenso wie das Deutsche und Romanische Seminar, in der Zeit des Nationalsozialismus im Jügelhaus (Mertonstraße 17/21) ansässig. Seine Größe war recht überschaubar. Zusätzlich zu Glunz unterrichteten der Lektor Dr. Arthur Koelbing – zuständig für Englische Sprache (5-6 Seminare pro Semester) – und die Lehrbeauftragte Dr. Gertrud von Petzold – zuständig für Englische Konversation und Kulturkunde (3-4 Seminare pro Semester). Glunz galt den Nazis als ideologisch zuverlässig. Auch beteiligte er sich sowohl an außercurricularen Veranstaltungen, die eindeutig der nationalsozialistischen Ideologisierung der Dozentenschaft diente, wie an im engeren Sinne nationalsozialistischen akademischen Aktivitäten (wie am "Kriegseinsatz der deutschen Geisteswissenschaftler"). Seine Zeitgenossen sahen in ihm auch einen Spezialisten für Shakespeare und das mittelalterliche Dichtungsverständnis – wie viele andere geriet er in letzterem Punkt in eine Kontroverse mit dem Romanisten Ernst Robert Curtius.
...die Zeit von 1933-1944
Obwohl Glunz eine lupenreine Karriere in der NS-Zeit hinlegte, Mitglied in allen wichtigen NS-Verbänden war, ist er doch wohl mehr als Mitläufer und weniger als Anhänger zu bezeichnen. Beargwöhnt wurde seine Nähe zum Katholizismus. Als er sich 1941 um eine Professur in Köln bewarb, wurde diese vom NSDDB-Vertrauensmann der Philosophischen Fakultät der Frankfurter Universität hintertrieben. [Weiterlesen]
...die Kontroverse mit Ernst Robert Curtius
Hans Hermann Glunz und Ernst Robert Curtius waren sich in den Jahren 1932 bis 1934 begegnet, als jener Privatdozent in Köln und gleichzeitig Lektor an der Universität Bonn war. Die Angriffe von Curtius, die Karl Thönnissen als regelrechte „’Glunziade’“, also als „Strafexpedition gegen den Anglisten“ (Thönnissen 2000: 11) bezeichnet, begannen im Jahr 1938 mit einer Reihe von Artikeln in der Zeitschrift für romanische Philologie. [Weiterlesen]
Über Hans Hermann Glunz
„In der deutschen Anglistik, die immer unter Durchschnitt der philologischen Fächer besetzt war, kann niemand es mit Hans Glunz aufnehmen.“ [Weiterlesen]
Essay
Hans Hermann Glunz: ein (angepasster) Anglist im "Dritten Reich"
von Magdalena De Gasperi
Von einem Literaturwissenschaftler, der sich in aller Konsequenz mit der nationalsozialistischen Gesellschaft arrangiert hat, der dann auch eine überaus geradlinige Karriere in der NS-Zeit machte, könnte man erwarten, dass die akademischen Schriften wie diejenigen vieler Kollegen politisch eindeutige bzw. rassistische Äußerungen zur ‚Überlegenheit’ Deutschlands und zur ‚Unterlegenheit’ anderer Völker enthielten. Seine zentralen wissenschaftlichen Arbeiten (Die Literarästhetik des europäischen Mittelalters und Shakespeares Staat) sind allerdings frei von solchen Parolen, sie stehen zu seiner öffentlich geäußerten politischen Haltung sogar eher in Widerspruch. [Weiterlesen]
Das Porträt von Hans Hermann Glunz wurde zusammengestellt von Magadalena De Gasperi, Frank Estelmann und Bernd Zegowitz