Logo Frankfurter Literaturwissenschaftler 1914-1945

Josef Kunz


Josef Kunz wurde am 10. März 1906 in Frankfurt am Main geboren. Seine Eltern waren der Mittelschulrektor Peter Kunz und Berta Kunz, geb. Burkard. Er besuchte das Humanistische Gymnasium in Höchst und legte dort 1924 seine Reifeprüfung ab. Kunz studierte in Fulda und Freiburg und ab 1926 in Frankfurt am Main u.a. Katholische Theologie, Philosophie, Romanistik, Klassische Philologie und Germanistik. Während der NS-Zeit war Kunz Studienassessor ohne Verbeamtung und ohne feste Anstellung. Seine Studien an der Universität Frankfurt setzte er fort. Er lehrte und forschte an der hiesigen Fakultät für Neuere Deutsche Philologie ab 1947 und war nach den Wirren des Zweiten Weltkrieges an deren Aufbau beteiligt. Er starb am 23. August 1990 in Hofheim im Taunus.

1924-1928Studium der Katholischen Theologie, Philosophie, Romanistik, klassische Philologie und Germanistik in Fulda, Freiburg, Paris und Frankfurt am Main
1931Staatsexamen in Französisch, Lateinisch und Griechisch in Frankfurt am Main
1932Promotionsversuch mit einer soziologischen Arbeit über die Novellen Maupassants
1932-1933Studium der Pädagogik, Philosophie und Religionswissenschaften in Frankfurt am Main
1933Assessorexamen
1937-1939Schuldienst und gleichzeitiges Studium der Germanistik in Frankfurt am Main
1939

Ergänzungsprüfung Staatsexamen für Deutsch als Hauptfach

1939-1944Weiteres Studium der Germanistik, Romanistik, Philosophie und Klassischen Philologie
1940Promotion bei Franz Schultz (Frankfurt am Main): „Clements Brentano 'Godwi'. Ein Beitrag zur Erkenntnis des Lebensgefühls der Frühromantik
1946Habilitation bei Franz Schultz (Frankfurt am Main): Eichendorff. Höhepunkt und Krise der Spätromantik. Ein Beitrag zum Verständnis seiner Novellendichtung
1947-1951Privatdozent für Deutsche Philologie an der Universität Frankfurt am Main
1949

Lehrbeauftragter an der Technischen Hochschule Darmstadt und am Berufspädagogischen Institut (BPI) in Frankfurt am Main

1950Vertretung des Lehrstuhls für Deutsche Philologie in Frankfurt am Main
1951-1959Außerordentliche Professur für Deutsche Philologie in Frankfurt am Main
1957-1959Leiter der Internationalen Ferienkurse der Johann Wolfgang Goethe-Universität, später an der Philipps-Universität Marburg
1959Ordentliche Professur für Deutsche Philologie in Frankfurt am Main und Vertretung des Lehrstuhls für Neue Deutsche Literatur der Universität Marburg
1960-1968Außerordentliche Professur für Neuere Deutsche Literaturgeschichte der Universität Marburg
1960zugleich Vertretung des außerordentlichen Lehrstuhls für Deutsche Philologie in Frankfurt; Lehrbeauftragter an der Staatl. Hochschule für Bildende Künste in Kassel, mehrfach Gastprofessor an den Universitäten Poitiers und Tours in Frankreich
1968-1977Professeur associé an der Faculté des lettres der Université de Paris X, Nanterre
1971Emeritierung
1971-1979Gastprofessor am Middlebury-College Vermont, USA
1979Lehrauftrag des Middlebury-College, Außenstelle Universität Mainz

Monographien

  • Clemens Brentanos Godwi. Ein Beitrag zur Erkenntnis des Lebensgefühls der Frühromantik, Diss. Frankfurt am Main 1940.
  • Eichendorff. Höhepunkt und Krise der Spätromantik. Ein Beitrag zum Verständnis seiner Novellendichtung, Habil. Oberursel/Taunus 1951, (unveränd. reprograf. Nachdruck Darmstadt 1967)
  • Die deutsche Novelle zwischen Klassik und Romantik, Berlin 1966 (= Grundlagen der Germanistik, 2)
  • Die deutsche Novelle im 19. Jahrhundert, Berlin 1970 (= Grundlagen der Germanistik, 10)
  • Die deutsche Novelle im 20. Jahrhundert, Berlin 1977 (= Grundlagen der Germanistik, 23)

Editionen und Herausgeberschaften

  • Johann Wolfgang Goethe: Biographische Einzelschriften, Zürich 1949 (= Artemis Gedenkausgabe, 12)
  • Johann Wolfgang Goethe: Dramatische Dichtungen, Bd. 3, Hamburg 1952 (= Hamburger Ausgabe, 5)

Aufsätze

    • Über Julien Green, in: Diskus (1952), S. 10.
    • Thomas Mann, in: Deutsche Literatur im 20. Jahrhundert. Gestalten und Strukturen. Dreiundzwanzig Darstellungen, hg. von Hermann Friedemann und Otto Mann, Heidelberg 1954, S. 208-229.
    • Kleists Novelle "Die Marquise von O." Essai d'Interprétation, in: Annales de l'Université de Lyon 1958-1959, Lyon 1960, S. 1-15.
    • Kleists Gespräch Über das Marionettentheater, in: Kleists Aufsatz über das Marionettentheater. Studien und Interpretationen, hg. von Helmut Sembdner, Berlin 1967.
    • Die Tragik der Penthesilea, in: Literatur und Geistesgeschichte, Festgabe Heinz Otto Burger, hg. von Reinhold Grimm und Conrad Wiedemann, Berlin 1968, S. 208-225.

    WiSe 1947/48Vorlesung: Thomas Manns Romane
    Proseminar: Goethe. West-östlicher Diwan
    SoSe 1948Vorlesung: Der junge Goethe
    Proseminar: Eichendorff
    WiSe 1948/49Vorlesung: Gottfried Keller
    Proseminar: Gattungsprobleme des Romans
    SoSe 1949Vorlesung: Die Spätwerke Friedrich Hölderlins
    WiSe 1949/50Vorlesung: Geschichte der Deutschen Novelle I (16.-18. Jahrhundert)
    Kolloquium: Übung zur literarisch-wissenschaftlichen Methode mit Referaten und schriftlichen Arbeiten (Dichtung der Barockzeit)
    Proseminar: Das Gattungsgesetz des Dramas (Lektüre von Kleist: Prinz von Homburg)
    SoSe 1950Vorlesung: Lessing, Hamann, Herder
    Kolloquium: Übung zur Methodik der literaturwissenschaftlichen Forschung
    Proseminar: Probleme der Erzählkunst (Theodor Fontane: Stine, Stechlin)
    WiSe 1950/51Vorlesung: Goethes „Faust“
    Kolloquium: Fragen der literarwissenschaftlichen Methodik
    Proseminar: Probleme der dramatischen Dichtkunst
    SoSe 1951Vorlesung: Romantik
    Kolloquium: Übungen zur literarisch-wissenschaftlichen Methodik
    Proseminar: Übung zu der Vorlesung des letzten Semesters (Faust II)
    WiSe 1951/52Vorlesung: Geschichte der deutschen Novelle
    Proseminar: Methodische Fragen der Literaturwissenschaft
    SoSe 1952Vorlesung: Goethe in der mittleren Epoche seines Schaffens (von der frühen Weimarer Zeit bis zur Auseinandersetzung mit der französischen Revolution)
    Kolloquium: Probleme der literarhistorischen Methode
    Proseminar: Hölderlin
    WiSe 1952/53Vorlesung: Höhepunkte in der Geschichte des deutschen Romans von Grimmelshausen bis zur Gegenwart
    Kolloquium: Einführung in die literarhistorische Methode (mit Referaten)
    Proseminar: Rilkes „Sonette an Orpheus“
    SoSe 1953

    Vorlesung: Geschichte des deutschen Romans in Höhepunkten, II. Teil, Von der Romantik bis zur Moderne
    Kolloquium: Probleme der literaraturwissenschaftlichen Methodik

    Proseminar: Die Iphigenien-Tetralogie G. Hauptmanns

    WiSe 1953/54Vorlesung: Dichtung nach den beiden Weltkriegen
    Kolloquium: Methodik-Probleme der Literaturwissenschaft (mit Referaten und schriftlichen Arbeiten)
    Mittelseminar: Der West-östliche Divan
    SoSe 1954Vorlesung: Heinrich von Kleist: Leben und Werk
    Kolloquium: Methodische Fragen der Literaturwissenschaft (mit Referaten und schriftlichen Arbeiten)
    Mittelseminar: Nietzsche. Zarathustra
    WiSe 1954/55Vorlesungen: Geschichte der deutschen Lyrik vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart in Einzelinterpretationen
    Vorlesung: Erasmus von Rotterdam und Ulrich von Hutten. Zur Geistes- und Literaturgeschichte des 16. Jahrhunderts
    Mittelseminar: Probleme der Literaturwissenschaft mit Referaten und wissenschaftlichen Arbeiten
    SoSe 1955Vorlesung: Geschichte der deutschen Lyrik, II. Teil (19. Jahrhundert bis zur Moderne); Proseminar: Probleme der Literaturwissenschaft mit Referaten und wissenschaftlichen Arbeiten
    Mittelseminar: Gattungsprobleme des Dramas (Interpretation von Kleists „Prinz von Homburg“)
    WiSe 1955/56Kolloquium: Franz Kafka. Gehalt und Sprachform der Erzählungen
    Mittelseminar: Probleme der Literaturwissenschaft (mit Referaten und wissenschaftlichen Arbeiten)
    SoSe 1956Vorlesung: Geschichte des deutschen Romans 3. Teil: Der Roman im späten 19. Jahrhundert (Raabe, Spielhagen, Fontane)
    Kolloquium: Die deutsche Komödie in der Zeit des Naturalismus und der Neuromantik (unter besonderer Betonung Hoffmannsthals)
    Mittelseminar: Probleme der Literaturwissenschaft (mit Referaten und wissenschaftlichen Arbeiten)
    WiSe 1956/57Kolloquium: Gottfried Keller als Novellendichter, mit besonderer Betonung des „Sinngedichtes“
    Übung: Das Zeitgefühl in der abendländischen und naturvölkischen Welt (Motiv: Das goldene Zeitalter) mit Helmut Petri
    Mittelseminar: Übungen zur Interpretation von Dichtungen (mit Referaten und schriftlichen Arbeiten)
    SoSe 1957Vorlesung: Friedrich Hölderlin: Leben und Werk, Versuch einer Gesamtdarstellung; Kolloquium: Faust I
    Mittelseminar: Formprobleme des modernen Dramas (nach Peter Szondi „Theorien des modernen Dramas“)
    WiSe 1957/58Vorlesung: Hölderlin II. Teil Leben, Werk
    Kolloquium: Faust II
    Seminar: Zur Typologie des klassischen Dramas. Formprobleme des Shakespeare-Dramas und des klassischen Dramas
    SoSe 1958Vorlesung: Geschichte der deutschen Novelle
    Kolloquium: Faust II
    Mittelstufe/ Mittelseminar: Stilprobleme in der erzählenden und dramatischen Dichtung Kleists
    WiSe 1958/59Vorlesung: Geschichte der deutschen Novelle im 19. und 20. Jahrhundert
    Kolloquium: Faustdichtung nach Goethe mit besonderer Berücksichtigung Th. Manns „Dr. Faustus“
    Mittelstufe/ Mittelseminar: Formprobleme der Novelle
    SoSe 1959Vorlesung: Romantik (mit besonderer Berücksichtigung der Frühromantik)
    Kolloquium: Kleist und Kafka (Vergleich zwischen dem „Michael Kohlhaas“ und dem „Prozeß“) Mittelstufe/ Seminar: Möglichkeiten und Methoden der Stilanalyse
    WiSe 1959/60Vorlesung: Von der Hochromantik zum 19. Jahrhundert (unter besonderer Berücksichtigung Jean Pauls und Kierkegaards)
    Unterstufe/ Seminar: Einführung in die Methoden des literaraturwissenschaftlichen Studiums Mittelstufe/ Seminar: Die deutsche Novelle im späten 19. und im 20. Jahrhundert
    Oberstufe/ Seminar: Der alte Goethe
    SoSe 1960Vorlesung: Goethes „West-östlicher Divan“
    Kolloquium: Die mittlere und späte Zeit Hölderlins. Interpretation ausgewählter Gedichte

    Quelle: Vorlesungsverzeichnisse der Universität Frankfurt am Main.

    Josef Kunz; Bild: Privates Bildarchiv Josef Kunz, Hofheim im Taunus, abgedruckt in: Dialog. Literatur und Literaturwissenschaft im Zeichen deutsch-französischer Begegnung. Festgabe für Josef Kunz, hg. von Rainer Schönhaar, Berlin 1973

    Zwischen Weimarer Republik, Nationalsozialismus und Studentenunruhen

    Das „Wanderleben“ des Germanisten Josef Kunz ist bezeichnend für eine Generation von Akademikern, die zwischen Weimarer Republik, Nationalsozialismus und dem Ende des Zweiten Weltkrieges studierte und eine wissenschaftliche Laufbahn einschlug. Stets bestimmten Umbrüche in der Geschichte den Lebensweg von Josef Kunz. Seine Biografie macht diese Umbrüche in Jahreszahlen deutlich. Von den Nationalsozialisten verfolgt, von den Studenten der 68-Bewegung nach Paris verscheucht, erscheint er als der ewig getriebene Lehrer und Professor, der am Ende stets wieder dort ankam, wo alles begonnen hatte: in Frankfurt am Main und in Hofheim am Taunus.
     

    ...Mehr Lehrer als Wissenschaftler

    Josef Kunz war keine extravertierte, schillernde Persönlichkeit. Er agierte qualifiziert, solide und konsequent im Stillen. Er trug dazu bei, die Germanistik in Frankfurt nach den verheerenden Folgen durch den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg wieder aufzubauen. Mit Engagement verfolgte er diese Aufgabe und war zum Ende der 1940er-Jahre und zu Beginn der 1950er-Jahre mehr Lehrer als Wissenschaftler, um den universitären Betrieb und die Lehre innerhalb der Neueren Philologie zu gewährleisten. [Weiterlesen]
     

    ...Ein "Wanderleben" als Student und Lehrer

    1906 in Frankfurt am Main geboren, wuchs Josef Kunz in einem katholisch geprägten Elternhaus in Hofheim am Taunus auf. Zu seiner geistigen Heimat zählte er die katholische Jugendbewegung der 1920er-Jahre, den Quickborn-Arbeitskreis, welcher maßgeblich durch den Religionsphilosophen Romano Guardini geprägt war. Mit achtzehn Jahren nahm er ein Studium der katholischen Theologie und Philosophie in Fulda auf, wechselte aber nach zwei Semestern nach Freiburg, um Romanistik, Klassische Philologie und Germanistik zu studieren. 1926 zog es ihn nach Frankfurt zurück. Wie viele andere Studenten dieser Zeit strebte Kunz mit seinen Studieninteressen das wissenschaftliche Lehramt im höheren Schuldienst an. [Weiterlesen]
     

    ...Die frühen Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg

    Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Lehrsituation an der Universität Frankfurt mehr als prekär. Viele Fakultäten waren durch die Emigration vieler hochkarätiger Wissenschaftler nahezu verwaist. Auch die Germanische Philologie hatte einen Schwund von Dozenten zu beklagen. Die einen, wie Karl Reinhardt, Walter F. Otto und Julius Schwietering, waren geflohen oder vom NS-Regime zwangsversetzt worden, die anderen, wie Hans Naumann, Hermann Gumbel und Hennig Brinkmann, hatten sich den Nationalsozialisten angedient und waren mit ihren politischen Ansichten für die Frankfurter Universität nicht mehr tragbar. Es herrschte ein gravierender Mangel an wissenschaftlichem Nachwuchs und so setzte nach dem Ende des Krieges eine Flut von Habilitationen ein, zumeist von Privatdozenten, die aus politischen oder ideologischen Gründen zur Zeit der Nationalsozialisten nicht zugelassen wurden. Infolgedessen erhielten zwischen 1946 und 1948 insgesamt 36 Privatdozenten ihre Venia legendi, auch Josef Kunz. Sein Weg dorthin war jedoch ein beschwerlicher. [Weiterlesen]
     

    ...Weggang aus Frankfurt

    Kunz agierte im Stillen und blieb als Wissenschaftler außerhalb der Universität zunächst unauffällig. Die Karriere war ihm immer gleichgültig, wie er in seiner Dankesrede zur Verleihung des Kulturpreises schrieb. Kollegen bescheinigten ihm dagegen einen beachtlicher Lehrerfolg. So wurde er 1953 zum Vertrauensdozent der Studienstiftung des Deutschen Volkes ernannt, war im selben Jahr Redakteur für den „Wegweiser durch die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main“ und leitete ab 1957 die Internationalen Ferienkurse der Johann Wolfgang Goethe-Universität. [Weiterlesen]

     

     

    Im Blick der Nachwelt

    „Unsere heimatliche Region verliert an ihm einen hochgeschätzten, vielfach tätig engagierten Mitbürger, die Stadt Hofheim den ersten Träger ihres Kulturpreises. Die deutsche Geisteswelt aber verliert an ihm einen der bedeutenden Gelehrten der Nachkriegszeit...[Weiterlesen]

    Essay

    Josef Kunz - Ein Grenzgänger auf Wanderschaft

    von Tobias Chriske

    Josef Kunz wurde 1906 als Sohn des Mittelschulrektors Peter Kunz in Frankfurt am Main geboren. Der Vater nahm von 1914 bis 1918 am Ersten Weltkrieg teil und Berta Kunz zog die Söhne Josef und Walther in den Wirren des Krieges alleine groß. Nach Kriegsende zog die Familie nach Hofheim am Taunus, weil Peter Kunz als Leiter der vereinigten Volks- und Realschule dorthin versetzt wurde. [Weiterlesen]

     

     

    Das Porträt von Josef Kunz wurde zusammengestellt von Tobias Chriske