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Josef Kunz

...Mehr Lehrer als Wissenschaftler

Mehr Lehrer als Wissenschaftler

Josef Kunz war keine extravertierte, schillernde Persönlichkeit. Er agierte qualifiziert, solide und konsequent im Stillen. Er trug dazu bei, die Germanistik in Frankfurt nach den verheerenden Folgen durch den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg wieder aufzubauen. Mit Engagement verfolgte er diese Aufgabe und war zum Ende der 1940er-Jahre und zu Beginn der 1950er-Jahre mehr Lehrer als Wissenschaftler, um den universitären Betrieb und die Lehre innerhalb der Neueren Philologie zu gewährleisten.

Kulturpreis der Stadt Hofheim am Taunus

Wenn Ewald Rösch in seiner Laudatio zur Verleihung des Kulturpreises der Stadt Hofheim am Taunus über Kunz schreibt, dass bei diesem der Lehrer nicht vom Wissenschaftler zu trennen war, und wenn Kunz konstatiert, dass sein Engagement weder für die eine noch für die andere Seite der Karriere hilfreich war, spricht das für einen bescheidenen, zurückhaltenden Mann jener Generation von Gelehrten, die ihre Sprache bei Altbewährtem wiederfanden und sich auf die Tradition beriefen. (Rösch: Laudatio, Bl. 37 und Kunz: "Auf der Grenze")

Ein Grenzgänger?

Kunz verstand sich als forschender und lehrender Komparatist und wählte mit dem Titel der Aufsatzsammlung 'Auf der Grenze' von Paul Tillich programmatisch sein Lebensmotto. (Rösch: Laudatio, Bl. 43) In seiner Habilitationsschrift über Eichendorff stellte er das Zweideutige, Fragwürdige und die Erfahrung der Gefährdung einer romantischen Idylle gegenüber. In Goethes 'Wahlverwandschaften' versteckten sich hinter „Plan und Ordnung“ die „Kräfte des Dämonischen“ und bei Kleist sah er den Menschen stets tragisch verstrickt in der Aussichtslosigkeit der Schuld. Mit dem Interesse für die literarische Gattung der Novelle und den in ihr immerwährenden „Einbruch eines 'Unerhörten' in die vermeintlich geformte und gefestigte Welt“ zeigte sich das wissenschaftliche und auch persönliche Interesse von Kunz an den Themen von Krise und Spannungen. (Russ: Joseph Kunz)

Krise und Schicksal

Mit dem Moment des Überraschenden und Unberechenbaren seien hier zwei programmatische Motive der Novellendichtung genannt, die Einzug in eine 'vermeintliche Ordnung der Dinge in der Welt' halten. Will man den Lebensweg von Josef Kunz mit seinen wissenschaftlichen Interessen verknüpfen, so ergeben sich spannende Parallelen zwischen Biografie und Werkgenese. So markierte 1937 ein 'Schicksalsjahr' für Josef Kunz: Der Französischunterricht an deutschen Schulen wird verboten und ihm seine berufliche und finanzielle Grundlage entzogen – eine Leidenschaft, zumindest im akademischen Schaffen bis weit in die 1960er-Jahre hinein, findet ihr jähes Ende.

Eine Literatursoziologie in Frankfurt?

Weil Helmut Hatzfeld und Paul Tillich emigrieren kann er 1932 seine Promotion, eine soziologische Analyse der Novellen Guy de Maupassants, nicht abschließen. Dies ist der erste tiefe Einschnitt in die akademischen Interessen von Josef Kunz. Wie im Fall von Leo Löwenthal wurde auch hier ein literatursoziologischer Ansatz in seinen ersten innovativen Zügen gekappt. Kunz zog aus diesen Erlebnissen seine persönlichen Konsequenzen und wandte der Romanistik den Rücken zu, um sich ganz der Germanistik zu widmen.

Kulturpreis der Stadt Hofheim am Taunus, 1980; Bild: mit freundlicher Genehmigung des Stadtarchivs Hofheim am Taunus in Vertretung von Roswitha Schlecker unter Mitarbeit von Heinz Till


Nachweise

Kunz, Josef: „Auf der Grenze“. Dankesrede beim Empfang des Kulturpreises, Hofheim 1980 (24. Mai 1981), Till Archiv, Archiv der Stadt Hofheim am Taunus, Sig, 11.10

Rösch, Ewald: Laudatio auf den Preisträger, Herrn Prof. Dr. Dr. Josef Kunz. Anlässlich der Verleihung des Kulturpreises der Stadt Hofheim am Taunus am 24. Mai 1981, in: Archiv der Stadt Hofheim am Taunus, Sig. 10.10, Aktenblatt 37 und 43

Russ, Bruno: Joseph Kunz † Dichtung als Möglichkeit, sich selbst zu erkennen. Zum Tode des Literaturwissenschaftlers, in: Wiesbadener Kurier (27. August 1990)