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Josef Kunz

...Weggang aus Frankfurt

Kunz agierte im Stillen und blieb als Wissenschaftler außerhalb der Universität zunächst unauffällig. Die Karriere war ihm immer gleichgültig, wie er in seiner Dankesrede zur Verleihung des Kulturpreises schrieb (vgl. Kunz 1981). Kollegen bescheinigten ihm dagegen einen beachtlicher Lehrerfolg. So wurde er 1953 zum Vertrauensdozent der Studienstiftung des Deutschen Volkes ernannt, war im selben Jahr Redakteur für den „Wegweiser durch die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main“ und leitete ab 1957 die Internationalen Ferienkurse der Johann Wolfgang Goethe-Universität.

Weggang aus Frankfurt

Kunz' Lehrerfolge sollten mit einer ordentlichen Professur gewürdigt werden und so wurde seine Stelle im Mai 1959 in ein Ordinariat umgewandelt. Dies konnte jedoch seine Wegberufung an die Universität Marburg nicht verhindern. Er fühlte sich wohl in Frankfurt, wollte dennoch gerne einmal wechseln, wie er selbst schrieb (Hammerstein 2012, S. 85). Nach seinem Weggang vertrat er sich noch einige Semester selbst, weil seine Professur zunächst vakant blieb. Neben seiner Tätigkeit in Marburg war er Gastprofessor an den Universitäten in Poitiers und Tours in Frankreich und hatte seinen Wohnsitz weiterhin in Hofheim am Taunus, aber auch in Paris.

Ein neuer Wind weht

Die Zeiten hatten sich indessen gewandelt. Im Zuge der 1960er-Jahre trat der geistig-kulturelle und politische Wandel in die noch junge Bundesrepublik ein und machte auch vor den Universitäten nicht halt. Es war die Zeit der Frankfurter Schule. Auch Josef Kunz sollte dieser Wandel noch treffen. 1964 wurde das Ordinariat für Deutsche Philologie IV neu besetzt und Kunz wurde als möglicher Kandidat gehandelt. Die Prüfungskommission tagte unter dem Vorsitz des Dekans Konrad Kraft. Anwesende Germanisten waren Gottfried Weber, Heinz Otto Burger – der die Nachfolge Kurt Mays angetreten hatte – Paul Stöcklein und Klaus von See sowie als fachfremder Kollege Theodor W. Adorno. Als Kandidat wurde auch der Literaturwissenschaftler Peter Szondi aus Zürich gehandelt, für den sich Adorno maßgeblich einsetzte. Während die Germanisten sich positiv über eine Kandidatur von Josef Kunz äußerten, war Adorno entschieden dagegen und Kraft, der Dekan, stand der positiven Reaktion der Germanisten skeptisch gegenüber. An der Reaktion Adornos wird deutlich, was in weniger als vier Jahren offen zu Tage treten wird: Josef Kunz wird zu einer Riege von Professoren gehören, deren Stimmen im Zuge der geistig-kulturellen Umbrüche verhallen werden.

Die 68er-Bewegung in Marburg

Kunz lehrte bis 1968 in Marburg, dann erfassten ihn die Auswirkungen der Studentenunruhen. Er distanzierte sich von diesen und folgte einem Ruf auf einen romanistischen Lehrstuhl an die Université de Paris X in Nanterre. Was genau in Marburg passiert war, ist nicht bekannt. Bruno Russ schrieb, dass Kunz unter dem „Druck der Revolte“ an die Universität in Paris emigrierte (Russ 1990). Konnte er 1937 als Romanist nicht mehr ausreichend unterrichten, ging er 1968 als ein solcher von Marburg nach Paris, wo er fast zehn Jahre als Gastprofessor blieb.

Ein betulicher Konformist?

Das war Josef Kunz gewiss nicht. Den Nationalsozialisten war er ein Dorn im Auge. Er war auch keineswegs ein Opportunist, doch brach er nicht alle Brücken hinter sich ab und blieb seiner Heimat Frankfurt erhalten. Die 68er-Bewegung machte ihm dies zum Vorwurf. Obendrein war er ein Germanist der alten Schule und schien etwas aus der Zeit gefallen. So konstatierte der Wiesbadener Kurier vom 9. März 1986: „Aber vieles aus jener Generation, die auf irgendeiner Weise die Erfahrung des Dritten Reiches aufarbeiten muß, und dies auf eine kritische bis zynisch analytische Weise tut, ist ihm nicht mehr erreichbar, keine Ablehnung, aber eine Zurückhaltung, die generationsmäßig bedingt ist" (Russ 1986). Josef Kunz schwieg. Der selbsterklärte Grenzgänger war schon wieder auf Wanderschaft.

Josef Kunz an der Unversität von Tours, 1960er-Jahre; Bild: mit freundlicher Genehmigung des Stadtarchivs Hofheim am Taunus in Vertretung von Roswitha Schlecker unter Mitarbeit von Heinz Till


Literatur

Hammerstein, Notker: Die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Nachkriegszeit und Bundesrepublik 1945-1972, Bd. 2, Göttingen 2012

Kunz, Josef: „Auf der Grenze“. Dankesrede beim Empfang des Kulturpreises, Hofheim 1980 (24. Mai 1981), Till Archiv, Archiv der Stadt Hofheim am Taunus, Sig, 11.10, Bl. 26

Russ, Bruno: Joseph Kunz † Dichtung als Möglichkeit, sich selbst zu erkennen. Zum Tode des Literaturwissenschaftlers, in: Wiesbadener Kurier, 27. August 1990

Russ, Bruno: Josef Kunz – Existenzerfahrung und künstlerische Bewältigung. Zum 80. Geburtstag des Literaturwissenschaftlers, in: Wiesbadener Kurier, 9. März 1986