Logo Frankfurter Literaturwissenschaftler 1914-1945

Bodo Mergell

  • Student in Frankfurt am Main zwischen 1930 und 1934, später wissenschaftlicher Assistent und Privatdozent für Germanistik in Frankfurt
  • Spezialist für die deutsche Literatur des Mittelalters, insbesondere für Wolfram von Eschenbach und seine französischen Quellen (Promotion 1936; Habilitation 1939)
  • kämpfte im Zweiten Weltkrieg in Frankreich und war ab 1946 in Mainz tätig
  • litt unter einer Nervenkrankheit, die Einfluss auf seine akademische Laufbahn hatte
  • war an der Universität Frankfurt zeitgleich mit Julius SchwieteringFranz Schultz, Henning Brinkmann, Hans Hermann Glunz, Josef Kunz, Erhard Lommatzsch und Friedrich Ohly

Bodo Mergell wurde am 26. Juni 1912 in Gießen als Sohn des Eisenbahners Theodor Mergell und seiner Ehefrau Erna, geb. Rusch, geboren. Die Familie war evangelischer Konfession. Den Großteil seiner Schulzeit verbrachte Mergell auf dem Kaiser Wilhelm-Gymnasium in Frankfurt am Main, wo er 1930 sein Reifezeugnis (mit Auszeichnung) erhielt. Im Anschluss an sein Abitur begann er das Studium der Germanistik, Romanistik und Klassischen Philologie in Frankfurt am Main. Allerdings wurde seine Karriere dort durch den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges unterbrochen. Mergell wurde an die Front nach Frankreich kommandiert. Während seines Kriegsdienstes war er für die NSDAP in der Nachrichtenabteilung und als Dolmetscher tätig. Nach seiner Entlassung aus dem Heeresdienst las Mergel ein Semester lang an der Universität Frankfurt bis er schließlich 1946 an die Universität nach Mainz wechselte. Doch dort ereilte ihn eine Nervenkrankheit, die ihn auf Grund langer Aufenthalte in Heilanstalten stark beeinträchtigte und auch indirekt zu seinem Tod am 11. April 1954 in Frankfurt führte.

ab 1930Studium der Germanistik, Romanistik, Klassischen Philologie und Musik
1934Anstellung als studentische Hilfskraft, Assistent am "Deutschen Seminar"
1936Promotion bei Julius Schwietering (Frankfurt am Main) mit der Dissertation: "Wolfram von Eschenbach und seine französischen Quellen. Teil 1: Wolfram Willehalm"
1936Staatsexamen für das höhere Lehramt
1939Habilitation bei Julius Schwietering (Frankfurt am Main) mit der Habilschrift: "Wolfram von Eschenbach und seine französischen Quellen. Teil 2: Wolframs Parzival"
1941Berufung zum Universitäts-Dozenten ("Lehrbefugnis für Deutsche Philologie") – Dozenturproben während eines Heimaturlaubs, Thema: "Der Stand der Forschung über den Ackermann aus Böhmen"
1944-1946Lehrtätigkeit an der Universität in Frankfurt am Main
1946Entlassung aus dem Universitätsdienst durch das Großhessische Staatsministerium
1946Berufung an die Universität in Mainz; wird außerplanmäßiger außerordentlicher Professor für Deutsche Philologie mit dem Fachgebiet Mittelhochdeutsch

Monographien

  • Wolfram von Eschenbach und seine französischen Quellen. Teil I: Wolframs Willehalm. Frankfurt am Main 1936
  • Wolfram von Eschenbach und seine französischen Quellen. Teil II: Wolframs Parzival. Frankfurt am Main 1939
  • Tristan und Isolde. Ursprung und Entwicklung der Tristansage des Mittelalters. Mainz 1949

Aufsätze

  • Wolframs "Willehalm" und seine französische Quelle. In: Mitteilungen des Wolfram von Eschenbach-Bundes 2 (1937), S. 22-32
  • Nibelungenlied und höfischer Roman. In: Euphorion 45 (1950), S. 305-336
    (auch in: Nibelungenlied und Kundrun, hg. von Heinz Rupp. Darmstadt 1976, S. 3-39)
  • Der Gral in Wolframs Parzival. Entstehung und Ausbildung der Gralsage im Hochmittelalter. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 73 (1951), S. 1-94 und 74 (1952), S. 77-159 (auch als Sonderabdruck Halle/Saale 1952)
  • Neue Veröffentlichungen zu Wolfram von Eschenbach. Zusammengestellt von Bodo Mergell. In: Wolfram-Jahrbuch (1953), S. 101-102
  • Wolfram und der Gral in neuem Licht (Forschungsbericht). In: Euphorion 47 (1953), S. 431-451
  • Zur zyklischen Form der Spruchdichtung Hergers. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 27 (1953), S. 31-47
  • Zur Entstehungsgeschichte der Sage und Dichtung vom Gral. In: Germanisch-Romanische Monatsschrift 34 = N.F. 3 (1953), S. 91-109
  • Ezzos Gesang. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 76 (1954), S. 199-216
  • Annolied und Kaiserchronik. Otto Schumann in memoriam. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 77 (1955), S. 124-146
  • Nantasan in Wirnts Wigalois. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 77 (1955), S. 147
  • Les livres de Gahmuret dans le Parzival de Wolfram von Eschenbach. In: Les romans du Gral dans la littérature des XIIe et XIIIe siècles. Paris 1956, S. 185-197

WiSe 1944/45

(angekündigt)

Die deutsche Dichtung in der salischen und stauffischen Zeit

Einführung in das Mittelhochdeutsche

Gotische Übungen

Quelle: Vorlesungsverzeichnisse der Universität Frankfurt am Main.

Bodo Mergell - ein passionierter Wissenschaftler im Gebiet der mittelhochdeutschen Literatur

Bodo Mergell war ein außergewöhnlicher Germanist der Frankfurter Universität, den wohl nur sein früher Tod im Alter von nur 42 Jahren an einer seinen Talenten entsprechenden Karriere in der Germanistik hinderte. Bereits mit 24 Jahren promovierte er zum Dr. phil. Er verfasste Schriften zu Wolfram von Eschenbach und wurde schließlich 1939 im Alter von 27 Jahren habilitiert. Bevor er an der Frankfurter Universität lehren konnte, wurde er jedoch zum Wehrdienst einberufen und in Frankreich stationiert. Angesichts seiner Aktivitäten während der Zeit des Nationalsozialismus kam die Wiesbadener Spruchkammer Anfang 1947 zum Urteil, ihn als Mitläufer einzustufen, was seiner weiteren Karriere an deutschen Universitäten nicht im Wege stand. Ein größeres Hindernis war ein schweres Nervenleiden, das ihn bei der Ausübung seiner akademischen Tätigkeiten beeinträchtigte und an dem er letztlich auch starb. Mergell wurde von Kollegen als Germanist mit einem großen Wissensdurst und viel Liebe für sein Fachgebiet, die deutsche Literatur des Mittelalters, insbesondere die mittelhochdeutsche Literatur, geschätzt.
 

...eine steile Karriere bis zum Kriegsausbruch

Bodo Mergell und die Johann Wolfgang Goethe-Universität – es hätte die glanzvolle Karriere eines talentierten Forschers an einer ihm teuren Hochschule, in einer von ihm geliebten Stadt werden können. Mit dem Wintersemester 1930/31 begann er sein Studium der Germanistik, Romanistik und Klassischen Philologie an der Universität in Frankfurt; hier bestand Mergell 1936 das Staatsexamen für das Höhere Lehramt. [Weiterlesen]
 

...ein Mitläufer im Nationalsozialismus

Dass die wissenschaftliche Karriere von Bodo Mergell im "Dritten Reich" vergleichsweise gut voranschritt, ist auch auf sein politisches Mitläufertum zurückzuführen. [Weiterlesen]
 

…Weggang von Frankfurt und Krankheit

Unerwartet rasch bot sich dann bereits in der frühen Nachkriegszeit die Chance, die akademische Karriere, wenn auch nicht in Frankfurt, so doch im nahen Mainz an der Johannes Gutenberg-Universität erneut aufzunehmen. Nun erwies sich jedoch die eigene Gesundheit als entscheidendes Hindernis. [Weiterlesen]

 

Im Blick der Nachwelt

"Am 11. April wurde der außerordentliche Professor der germanischen Philologie an der Universität Mainz, Dr. Bodo Mergell, den Seinen, den Freunden und der Wissenschaft nach kurzer Krankheit durch einen unerwarteten Tod allzufrüh entrissen." [Weiterlesen]
 

Essay

Bodo Mergells Dissertation – Wolfram von Eschenbach und seine französischen Quellen

von Andreas Goebel

Mergell trat zum ersten Mal in das Blickfeld der mittelhochdeutschen Forschung, als er 1936 seine Doktorarbeit mit dem Titel „Wolfram von Eschenbach und seine französischen Quellen. Teil I: Wolframs Willehalm“ veröffentlichte. Vergleichsweise neu war sein Versuch, detailliert die französischen Quellen Wolframs aufzuzeigen, ohne sich in einer Menge von Details zu verlieren. [Weiterlesen]
 

Das Porträt von Bodo Mergell wurde zusammengestellt von Andreas Goebel, Nicole Buchalik und Nathalie Graßmuck