Friedrich Ohly
Im Blick der Nachwelt
"Seinen Tod betrauern seine Schüler, die ihm in großer Zahl enger verbunden waren, als es an der Universität zwischen Lehrenden und Lernenden geläufig ist, betrauern alle, die den großen Gelehrten, den noblen Kollegen, den schweigend verstehenden, großherzigen und makellos treuen Menschen erlebt haben. Die Schriften Friedrich Ohlys sind heute in den Händen von Literatur- und Kunstwissenschaftlern, Historikern, Theologen, Philosophen, auch solchen, die sich keineswegs Mediävisten nennen. Unter den Mediävisten aber gibt es gegenwärtig wohl nur sehr wenige, die nicht von ihm gelernt hätten, und sei es als Kritiker oder auch ganz nichtsahnend durch Vermittlung anderer."
Franz Josef Worstbrock: F.O. (1914-1996). In: ZfdA 124 (1995). S. 373-374.
"In Mainz, Chicago, besonders in Kiel und Münster, wußte Ohly im Fremden des Mittelalters das Verwandte erkennbar zu machen, bestand er auf der Anerkennung der Geschichtlichkeit der Texte und zugleich auf dem Sinn des Wagnisses, sie vom Hier und Jetzt der Gegenwart her zu verstehen. [...] Grundaufgabe der Philologie [war] die Mobilisierung der Memoria gegen jede Erosion des Vergessens - das sind Felder, in denen Ohly stimulierend und ertragreich tätig war. Das spiegelt sich auch darin, daß Arbeiten Ohlys in Englische, Italienische, Ungarische und Russische übersetzt worden sind. Er hat als Mediävist die schwierige Selbstverständlichkeit praktiziert, die oft gefordert, selten erfüllt wird: von moderner Fachspezialisierung abzusehen, sich die Latinität einer ganzen Epoche zu stellen, aber doch die Zusammenhänge deutscher Literatur von den Anfängen bis zu neustesten Zeit lesend und forschend im Blick zu behalten."
Wolfgang Harms: Der Sinn mittelalterlicher Texte. Zum Tod von F.O. In: Süddeutsche Zeitung (9.4.1996).
"Wenige Wochen nach Vollendung seines zweiundachtzigsten Lebensjahres ist Friedrich Ohly am Karfreitag seiner langen, schweren Krankheit erlegen. Mit ihm verliert die deutsche Germanistik einen ihrer bedeutendsten Vertreter. Er hat in der Nachkriegszeit Außerordentliches zur Wiederherstellung ihres Ansehens in der Welt beigetragen. [...] Friedrich Ohly war ein begandeter Philologe. Unbeirr durch alle zuwiderlaufenden Zeitströmungen hat er am Böckhschen Ideal einer universellen Philologie festgehalten, deren 'Resultat das Historische selbst an sich ist'. Bei seiner Emeritierung bekannte er: 'Das Ethos des Philologen verpflichtet zur Bewahrung eines unbeschädigt über die Zeit zu bringenden Gedächtnisses als eines Vermächtnisses an Gegenwart und Zukunft.' Sein ganzes Leben war der Bewahrung des christlichen Erbes im Gedächtnis der Gegenwart gewidmet. Die Schlüsselrolle bei der Vermittlung dieses Erbes kommt dem Mittelalter zu. Diese Epoche steht im Zentrum von Ohlys Werk."
Karl Stackmann: Die Sprache der Schöpfung. Und das Historische an sich selbst. Zum Tod des bedeutenden Philologen F.O. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung (10.4.1996).