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Julius Petersen in Frankfurt

von Laura Grossbach

Julius Petersen lehrte und forschte nur ein paar Jahre an der Universität Frankfurt am Main. Einen Großteil der Zeit, die er dort als ordentlicher Professor für Neuere deutsche Sprache und Literatur verbrachte, war er zum Garnisonsdienst einberufen, sodass die meisten seiner Kurse ausfallen mussten. Von 1917 bis 1918 konnte er gar keine Veranstaltungen anbieten, da er als Unteroffizier am Ersten Weltkrieg teilnehmen musste.

Im "Internationalen Germanistenlexikon" ist Petersens Zeit in Frankfurt auf das Wintersemester 1914/15 beschränkt. Kurslisten, Dokumente seiner Personalakte und auch seine eigenen Briefe belegen jedoch, dass er vom Sommersemester 1915 bis zum Wintersemester 1920/21 offiziell an der Universität Frankfurt angestellt war. Der fehlerhafte Eintrag im "Germanistenlexikon" lässt sich möglicherweise dadurch erklären, dass Julius Petersen nur einen geringen Teil seiner Kurse, welche er in Frankfurt zwischen 1915 und 1921 anbot, wirklich halten konnte. Er hielt die ersten drei Semester seiner Zeit in Frankfurt regulär seine Kurse, wurde dann jedoch ab dem Wintersemester 1916/17 zum Garnisons- bzw. Militärdienst abgestellt, weshalb er erst im Wintersemester 1918/19 wieder unterrichten konnte. Bis zum Wintersemester 1920/21 fanden seine Vorlesungen wieder regulär statt.

 

Die Berufung nach Frankfurt

Da die Akte Julius Petersens im Frankfurter Universitätsarchiv keinerlei Informationen über seine Berufung nach Frankfurt oder nach Berlin enthält, kann man über die Umstände seiner kurzen Zeit in Frankfurt nur spekulieren. In einem Brief vom 3. Juli 1914 gratuliert Anton Kippenberg zur Berufung: „Soeben lese ich Deine Berufung nach Frankfurt und dass Du sie angenommen. Ich gratuliere Dir aufs herzlichste und freue mich, wie meine alten Prophezeiungen sich erfüllen.“ [1] Auf welche Prophezeiung er sich hier beruft, wird nicht weiter ausgeführt. Es ist allerdings auffallend, dass Petersen in seiner Antwort zwar für die Glückwünsche dankt, allerdings nicht weiter auf seine Berufung eingeht. Auch wenn es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass er ungern in Frankfurt unterrichtete, spricht er dennoch in den folgenden Jahren in den Briefen an Kippenberg eher selten über die Universität oder seine Arbeit dort. Erst in einem Brief vom 10. August 1920 äußert er sich wieder explizit zur Stadt Frankfurt, als er gegen Ende seiner Zeit an der Universität schreibt: „Frankfurt wird inzwischen von einem Tag zum andern schöner.“[2]

 

Militärdienst

Julius Petersens Militärdienst erschwerte seine Lehrtätigkeit in Frankfurt sehr. Ein Großteil seiner Akte im Archiv der Frankfurter Universität besteht aus dem minutiös protokollierten Papierkrieg, welchen sich die Universitätsleitung mit Petersens Vorgesetzten bei der Armee lieferte. Petersen wurde bereits 1915 eingezogen, jedoch es gelang der Universität mit einem Schreiben vom 23. Juni 1915, ihn für ein Semester in der Nähe zu behalten. Als Begründung wurde angegeben, dass die Universität so kurzfristig keinen Ersatz mehr für ihren Dozenten finden könnte und er deshalb noch für eine kurze Zeit weiter unterrichten müsse. Der Erfolg der Anfrage ist wohl darauf zurückzuführen, dass bereits Vorkehrungen getroffen worden waren, Petersen universitätsnah zu stationieren. Ein Regiment in der Nähe, so die Universitätsleitung, das ihn einstellen und ihm genügend Freiheit zum Unterrichten lassen würde, habe sich gefunden.

Da bereits alle Vorkehrungen getroffen worden waren, ist es nicht verwunderlich, dass es Petersen noch eine Weile lang möglich war, seine Lehrtätigkeit fortzuführen. Letztendlich wurde er jedoch eingezogen, was eine Vielzahl an Bittgesuchen auslöste, die sich sowohl an das Militär als auch an Petersen selbst richteten, sodass davon ausgegangen werden muss, dass er selbst bei der Entscheidung ein Mitspracherecht hatte. Der Dekan der Fakultät, Kautzsch, schrieb ihm am 24. Februar 1916 einen Brief, in dem er ihm mit sehr schmeichelhaftem Ton zu verstehen gab, dass er für die Universität unersetzbar sei.

Der Aufbau des Briefes zeigt, wie stark bereits nach einem einzigen Semester der Wunsch war, Petersen zurückzuholen. Kautzsch beginnt damit, Petersen mit der Heraushebung seiner Unentbehrlichkeit zu schmeicheln. Hierauf folgt eine Anspielung auf den Andrang der Studenten: „Wider Erwarten ist die Zahl der Studierenden doch so groß, daß ebenso wie in der klassischen Philologie auch in der Germanistik beide Fachvertreter möglichst in vollem Umfange Vorlesungen und Uebungen halten sollten“ [3]. Damit appelliert Kautzsch an das Verantwortungsbewusstsein des Dozenten gegenüber seinen Studenten. Letztlich bittet er Petersen um seine Mithilfe: „Ich erlaube mir daher die Anfrage, ob Sie uns einen Weg zeigen können, auf dem wir erreichen könnten, Sie uns wieder zu gewinnen“ [4]. Noch im selben Jahr versuchte die Universität ein weiteres Mal, Petersen vom Heeresdienst zu befreien: Das Dekanat schrieb an den Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten in Berlin, in der Hoffnung, dass dieser eine Befreiung Petersens vom Militärdienst erwirken könne. Die Argumentation lautete, dass Petersens Kollege Friedrich Panzer allein nicht in der Lage wäre, die notwendige Anzahl an Seminaren anzubieten.

Erst im März 1917 muss Petersen dann doch eingezogen und im Frankfurter Artillerieregiment ausgebildet worden sein, im Mai war er bereits an der Westfront. Der Dekan Matthias Friedwagner ließ nichts unversucht, ihn wieder nach Frankfurt zu holen, doch bleiben diese Bemühungen fruchtlos: Petersen könne „erst nach Einlernung eines geeigneten Ersatzmannes entlassen werden“ [5]. Da sich die Einarbeitung einige Wochen hinziehen könne, würde sich eine Rückberufung danach nicht mehr rentieren. Als im Juli 1917 ein weiterer Antrag auf Befreiung vom Kriegsdienst mit dem Argument gestellt wurde, dass Petersen lediglich Bürodienst erledige, wurde dieser ebenfalls abgelehnt. Die Erläuterung in dem Schreiben vom 13. November 1917 begründet Petersens Unabkömmlichkeit damit, dass seine Aufgabe, holländische Zeitungen zu zensieren, von großer Wichtigkeit für den Krieg sei. Es sei „im Interesse der Aufrechterhaltung von Ordnung und Ruhe unter der Bevölkerung von größter Bedeutung, daß die Zensur mit Gründlichkeit und politischem Verständnis ausgeführt wird“ [6]. Das Schreiben schließt mit folgenden Worten: Die Tätigkeit Petersens dürfte „im gegenwärtigen Kriege wichtiger sein als die Ausübung der Lehrtätigkeit des Professor der deutschen Sprache und Literatur in Frankfurt a/M“ [7]. Wäre diese Aussage auf die Lehrtätigkeit allgemein beschränkt gewesen, hätte man sie als zwar etwas barsch, aber dennoch verständlich betrachten können. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass ein hoher Beamter des Militärs den Krieg als weitaus wichtiger einstuft als den Unterricht von Studenten der Germanistik. Das Herausheben des Standortes an dieser Stelle wirkt jedoch etwas merkwürdig.

 

Hochschulreform und Volksbildung

Trotz seiner relativ kurzen Zeit an der Universität in Frankfurt zeigte Petersen bereits während dieser Phase seines Lebens einen besonderen Einsatz für seine Studenten. Besonders interessiert war er an der Hochschulreform, die er in der "Universitäts-Zeitung" kommentierte. Er setzte sich zudem stark für die sogenannten Volksvorlesungen ein. Er scheint diese Form der Bildung über die Grenzen der herkömmlichen akademischen Bildung hinaus im Allgemeinen zu befürworten und befasst sich in seinen Artikeln sehr ausführlich mit den Vor- und Nachteilen.

Petersens Berufung nach Berlin im Jahre 1920 nahm Frankfurt einen überaus ambitionierten und engagierten Dozenten. Es ist nachvollziehbar, dass eine Professur in der Hauptstadt einen weitaus größeren Reiz auf einen ambitionierten Dozenten ausübte als ein ebensolcher Posten an einer relativ jungen Universität. Petersen schien nach diesem Wechsel den Ort gefunden zu haben, an welchem er sich dauerhaft etablieren konnte: Er blieb bis zu seinem Tod an der Universität in Berlin.

Empfohlene Zitierweise

Laura Grossbach: Julius Petersen in Frankfurt. In: Frankfurter Literaturwissenschaftler 1914-1945, hg. von Frank Estelmann und Bernd Zegowitz. 2014. Onlinefassung. URL: http://use.uni-frankfurt.de/literaturwissenschaftler/petersen/grossbach.


Endnoten

[1] Anton Kippenberg. Der Briefwechsel mit Julius Petersen 1907-1941, hg. von Thomas Neumann, Norderstedt 2000, S. 184.

[2] Ebd., S. 200.

[3] Universitätsarchiv Abt. 4, Nr. 1576.

[4] Ebd.

[5] Ebd.

[6] Ebd.

[7] Ebd.


Literatur

Boden, Petra und Bernhard Fischer: Der Germanist Julius Petersen (1878-1941). Bibliographie, systematisches Nachlaßverzeichnis und Dokumentation, Marbach am Neckar [o.J.] 

Boden, Petra: Julius Petersen. Ein Wissenschaftsmanager auf dem Philologenthron, in: Euphorion 88 (1994), S. 82-102

Kippenberg, Anton: Der Briefwechsel mit Julius Petersen 1907 bis 1941, hrsg. von Thomas Neumann, Norderstedt 2000

Petersen, Julius: Probleme der Hochschulreform, in: Frankfurter Universitäts-Zeitung 6 (1920), Heft 6 (18. Juni 1920), S. 83-85; Heft 7 (30. Juni 1920), S. 99; Heft 9 (25. Juli 1920), S. 131-132