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Julius Petersen

...der akademische Lehrer

Die respekt- bzw. ehrfurchtsvolle Weise, mit der sich nicht nur Kollegen, sondern auch Studenten über Petersen äußerten, lässt Rückschlüsse auf seine Wirkung zu. Er war offensichtlich ein Mensch, der einen hohen Grad an Autorität besaß.

 

Im Blick der Kollegen und Schüler

Dass es sich bei Julius Petersen um einen sehr einflussreichen Akademiker handelte, zeigt allein die Art und Weise, mit der die Universitätsleitung in Frankfurt versuchte, ihn vom Garnisonsdienst zu befreien. Im Briefwechsel der Universitätsdirektion mit dem Militär ist von "Unentbehrlichkeit" die Rede; immer wieder werden Kompromisse vorgeschlagen, Bitten geäußert, Notlagen sichtbar gemacht. Auch seine Kollegen versuchen, ihn dahingehend zu beeinflussen. Ein "Feldpostbrief" von Siegfried Fliedner aus dem Jahr 1941, gerichtet an Petersens Witwe bezeichnet ihn als „einzigartigen Menschen“ und hebt seine Opferbereitschaft für seine Studenten hervor. Zudem spricht er von dem „Gefühl der Würde seines hohen Amtes“ und einem „weiten Kreis“ von Menschen, die er beeinflusste. Auch seine Beschreibung Petersens als „Lehrer“ und „Vater“ ist bezeichnend.[1]

 

Selbstbild

Ein Beitrag Petersens zu "Problemen der Hochschulreform" sagt viel über dessen Selbstverständnis: Er beschreibt dort die Evaluation der Dozenten, die während seiner Zeit an der Yale University stattfand, und schließt seine Beschreibung mit dem Zusatz, dass, wenn derartige Abstimmungen Einfluss auf die hiesigen Stellenbesetzungen hätten, „so würde[n] sie zu einer Gunstbuhlerei der Dozenten vor den Studenten führen, die sich mit der Achtung des Standes nicht verträgt".[2] Ein Professor ist schon für den jungen Petersen eine über die Meinung der Studenten erhabene Persönlichkeit, die Würde an den Tag legen und Respekt einflößen sollte. Seine spätere Karriere wirkt in dieser Hinsicht wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung: Der selbstbewusste, von seinem 'Stand' als Dozent überzeugte Akademiker folgte 1921 dem Ruf nach Berlin und hatte dort bis zu seinem Tod eines der wichtigsten Ämter inne, das einem Germanisten in dieser Zeit zufallen konnten.

 

[1] Fliedner, Siegfried: Ein Feldpostbrief, in: Julius Petersen zum Gedächtnis, Leipzig o.J., S. 32-33

[2] Petersen, Julius: Probleme der Hochschulreform, in: Frankfurter Universitäts-Zeitung (18. 6.1920), S. 83