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Hellmuth Petriconi

...und seine Lehre an der Uni Frankfurt

Hellmuth Petriconi lehrte zwischen 1923 und 1932 an der Universität Frankfurt am Main. Er war als Romanist besonders der Hispanistik verschrieben und bis auf einzelne Fälle (Helmut Hatzfeld gab manchmal auch spanische Seminare) alleine verantwortlich für diesen Teil der romanistischen Lehre. Dennoch kann man seine Arbeit als allgemeiner und vergleichender Literaturwissenschaftler nicht außer Acht lassen, da Petriconi immer an einem Vergleich verschiedener Literaturen interessiert war. Schon damals wurde deutlich, dass er sich nicht nur als Hispanist fühlte, sondern vielmehr der gesamten Romanistik gegenüber verpflichtet war. Dennoch muss man ihn als Wegbereiter der Iberoamerikanistik in Deutschland bezeichnen (Kruse 2001: 604).

In seinen Lehrveranstaltungen, aber auch in seinen Schriften, war Petriconis methodischer Ansatz ein komparatistischer, d.h. motiv- und themengeschichtlich orientiert. Er bevorzugte immer die vergleichende Betrachtungsweise und verglich den zu bearbeitenden Text mit anderen Texten, die diesem als Vorbild gedient haben könnten. Durch diese Betrachtungsweise gelang es ihm, die Einheit und Besonderheit literarischer Texte hervorzuheben und in einen historischen Zusammenhang zu stellen (Beyerle 1967:107).

Thematisch spezialisierte sich Petriconi früh auf die neueren spanischen Literaturen. Es war äußerst ungewöhnlich im Kontext der deutschen Romanistik der Weimarer Republik, dass ein Nachwuchsromanist seine beiden Qualifikationarbeiten mit zwei neueren Themen in Lateinamerikanistik und Hispanistik bestritt.

Ungewöhnlich ist auch Petriconis akademischer Schreibstil. In seiner Habilschrift über die spanische Literatur der Gegenwart etwa hält er sich mit Werturteilen nicht zurück; seine Studie enthält deutliche, zum Teil auch polemische Kritik an manchen Autoren und Schulen (vgl. Kruse 2001:604). Dennoch – oder gerade deshalb? – hatte Petriconi 'eine gute Nase' für neuere Entwicklungen. Der noch weitgehend unbekannte Jorge Luis Borges etwa, der zu diesem Zeitpunkt gerade als Dichter und Essayist hervorgetreten war, wird am Ende der Habilschrift bereits als vielversprechendes literarisches Talent gewürdigt.

Petriconis Lehrplan in Frankfurt war vielfältiger als es seine akademischen Schwerpunkte erahnen lassen. Er gab ein sprachübergreifendes Seminar über den Ritter- und Schäferroman der spanischen, italienischen und französischen Literatur und ein portugiesisches Seminar zur Eço de Queiroz‘ A relíquia. Seine hispanistischen Seminare umfassten die neueren spanischen Literaturen ebenso wie die ältere spanische Literatur. Entsprechend waren Autoren wie Cervantes (Seminare zum Don Quijote oder zu einzelnen Novelas ejemplares) oder auch die Dramaturgie und Poetik des Lope de Vega in Petriconis Lehrplan vertreten. Daneben gab er noch allgemein gehaltenen Seminare zur Blütezeit der älteren spanischen Literatur oder ein Seminar zum Cantar de Mio Cid. Dennoch sind Petriconis Arbeitsschwerpunkte freilich auch in der Lehre wiederzufinden: Lehrveranstaltungen zur spanischen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts, wie Seminare zum neueren spanischen Theater, zu Juan Valera (Morsamor) oder zu den spanischen Denkern und Kritikern der Gegenwart sind leicht erkennbar. Außerdem lehrte Petriconi zum Ende seiner Zeit an der Frankfurter Universität spanische und lateinamerikanische 'Kulturkunde'.

Die Lehrveranstaltungen der französischen Literatur waren wohl eher Überblicksseminare, die inhaltlich von der Renaissance über den Rokoko, die Romantik, den Realismus (Balzac) bis zur französischen Literatur der Gegenwart reichten.

Eine Besonderheit der Lehre Petriconis war, dass er nicht nur als Literaturwissenschaftler an der Universität Frankfurt arbeitete, sondern auch für die Fremdsprachenausbildung des Spanischen zuständig war. Jedes Semester gab Petriconi Seminare zur spanischen Sprache für Anfänger und Fortgeschrittene oder zur spanischen Konversation, Umgangssprache und Handelskorrespondenz. Diese Sparte des Lehrplans übernahm Petriconi während seiner Zeit in Frankfurt alleine. Für seinen Unterricht nutzte er gerne die „Kleine spanische Sprachlehre“ von Sauer-Runge (Gross, Heidelberg, 1920) und die „Spanische Konversationgrammatik“ von C.M. Sauer (Gross, Heidelberg). Auffällig ist in diesem Zusammenhang ein Seminar zur  „Geschichte und Grammatik der spanischen Schriftsprache“ (SoSe 1929).



Literatur

Beyerle, Dieter: Hellmuth Petriconi zum Gedächtnis, in: Arcadia – International Journal for Literary Studies 2,1 (1967), S. 103-108

Kruse, Margot. Hellmuth Petriconi 1895-1965, in: Arndt, Karl (Hrsg.): Göttinger Gelehrte: Die Akademie der Wissenschaften zu Göttingen in Bildnissen und Würdigungen 1751-2000 Bd. 2. Göttingen 2001, S. 604

Vorlesungsverzeichnisse der Universität Frankfurt am Main