Anna-Maria Birk

Anna-Maria Birk
Studium 1979-1985 (Rechtswissenschaften)

Interview: Kerstin Erlen; Schnitt und Text: Svenja Schäfer

Anna-Maria Birk fand erst mit 32 Jahren den Weg an die Universität. Ihre Eltern hatten für sie kein Studium vorgesehen, deshalb erlernte sie nach dem Realschulabschluss zunächst einen Beruf. Sie engagierte sich in der SPD und dort lernte sie Anwälte und Richter kennen, deren Wissen und Auftreten sie beeindruckte. So entstand der Wunsch, Jura zu studieren. Nach der Geburt ihrer Tochter holte sie zunächst das Abitur nach und begann dann in Frankfurt zu studieren.

Sie fing mit 350 anderen Erstsemestern an, trotzdem war 1979 noch Platz im Hörsaal. Auch Anschluss fand Birk schnell und knüpfte in Lerngruppen Kontakte zu jüngeren und gleichaltrigen Kommiliton*innen. Unangenehm war für sie der Konkurrenzkampf unter den Studierenden, der zu einem Kampf um die benötigte Literatur in der Bibliothek wurde. Bücher seien aus der Bibliothek gestohlen oder gezielt versteckt worden, berichtet sie. Schwierig sei auch die Rolle der Frau im männerdominierten Jurastudium gewesen. Birk berichtet von offen sexistischen Äußerungen, mit denen einige Professoren Studentinnen in der Prüfung verunsichert hätten.

Als etwas ältere Studentin habe sie nicht das Bedürfnis gehabt, sich in die Hochschulpolitik einzumischen, das habe sie den Jüngeren überlassen wollen. Außerhalb der Hochschule war sie aber auch während des Studiums politisch aktiv und nahm zum Beispiel an den Demonstrationen gegen den Bau der Startbahn West teil. Auch an der Friedensbewegung hat sie sich beteiligt und gegen Atomwaffen protestiert. Die starke Präsenz der amerikanischen Streitkräfte in Frankfurt habe sie hierzu veranlasst, berichtet sie.

Die Universität war auch der Ort, an dem sie begann, sich mit der deutschen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Weder in ihrem Elternhaus noch während ihrer Schulzeit sei der Nationalsozialismus thematisiert worden. Im Gegensatz dazu sei das Thema an der Universität sehr präsent gewesen, etwa dadurch, dass die Fernsehserie „Holocaust“ in Hörsälen gezeigt und damit von den Studierenden gemeinsam geschaut wurde. Beeindruckt hat sie auch das Bemühen jüngerer Hochschullehrer in der juristischen Fakultät, sich kritisch mit der Vergangenheit der eigenen Disziplin auseinanderzusetzen.