Geniza-Fragmente

Gebetsliteratur

Der überwiegende Teil der in den Genizot erhaltenen Fragmente stammt aus der Gebetsliteratur, aus dem Siddur, dem Gebetbuch für die Wochentage und den Shabbat, und dem Maḥzor, dem besonderen Gebetbuch für die Feiertage. Am weitesten verbreitet waren in Deutschland die seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert in der hebräischen Druckerei in Rödelheim (heute Frankfurt) von Wolf Heidenheim herausgegebenen Gebetbücher (hebräisch Seder tefilla). Heidenheims hebräische Ausgaben der Gebete, z.T. von einer deutschen Übersetzung begleitet, wurden unter dem Titel Sefat emet oder Safa berura (nach dem Druckort auch als "Rödelheim Siddur" bezeichnet) bis ins 20. Jahrhundert wiederholt neu aufgelegt und nachgedruckt. Sie bilden häufig den liturgischen Ritus der Frankfurter Gemeinde ab.

Weiterführende Literatur: Ellbogen, Ismar, Der jüdische Gottesdienst in seiner geschichtlichen Entwicklung, Frankfurt am Main ²1924. [Digitalisat der UB: sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/freimann/content/titleinfo/1121810]

Musar

Abbildung: Musar

Die Musarliteratur umfasst moralisch-ethische Erbauungsschriften als Anleitung für ein tugendhaftes Leben. In der frühen Neuzeit erlebten besonders die volksnahen ethischen Werke in jiddischer Sprache einen Aufschwung.

Weiterführende Literatur: Jean Baumgarten, Introduction to Old Yiddish Literature, Oxford 2005.

Bucheinband

Bucheinband

Häufig wurden in Buchdeckeln Besitzvermerke vorgenommen. In Gebetbüchern stößt man darüber hinaus auf Eintragungen von Geburts- und Sterbedaten von Familienangehörigen. Eine ganz andere Art von Quelle sind Einbandfragmente. Auf diese Weise haben außerhalb der Geniza im eigentlichen Sinne in Archiven und Bibliotheken zahlreiche unbekannte hebräische Handschriften des Mittelalters als Fragmente in den Bindungen nichtjüdischer Bücher überlebt.

Weiterführende Literatur: Andreas Lehnardt, Hebräische Einbandfragmente in Frankfurt am Main: Mittelalterliche jüdische Handschriftenreste in ihrem geschichtlichen Kontext, München 2011.

Kalender

Kalender aus einer Geniza

Jüdische Kalender stellen eine reiche Quelle für die jüdische Kulturgeschichte dar. Indem sie die Feste des jüdischen Jahres aufführen, aber daneben auch Angaben zu Markttagen und Messen machen sowie christliche Feiertage und Daten des Heiligengedenkens aufführen, verweisen sie auf die engen Kontakte zwischen Juden und Nichtjuden.

Weiterführende Literatur: Elisheva Carlebach, Palaces of Time. Jewish Calendar and Culture in Early Modern Europe, Cambridge, MA 2011.

Handschriften

Abbildung einer Handschrift aus einer Geniza

Handschriften sind in einer Geniza nicht selten zu finden. Häufig handelt es sich um persönliche Dokumente, etwa Briefe oder Dokumente des wirtschaftlichen Lebens. In Altenschönbach konnten die gefundenen Handschriften häufig als Schularbeiten identifiziert werden, so waren u.a. Rechenaufgaben, Schreibübungen, aber auch Strafarbeiten unter den Funden. Weshalb persönliche Dokumente und auch Unterrichtsmaterialien ihren Weg in eine Geniza finden, lässt sich mit dem festen Platz, den die Religion im Alltag der Menschen inne hatte, erklären. So bat man in Briefen um Gottes Segen, wenn man Verwandten in einem Brief von gegenwärtigen Lebenslagen berichtete. Auch alltägliche Formeln wie "Gott sei Dank" fanden Einkehr in den üblichen Sprachgebrauch. Da die Schriftstücke den Namen Gottes enthielten, konnten sie nicht einfach entsorgt werden, sondern mussten in der Geniza abgelegt werden. Auch Strafarbeiten oder Schreibübungen wiesen nicht selten einen biblischen Kontext auf, indem der Lehrer seine Schüler z.B. Tora-Verse abschreiben ließ oder ihnen sittliche sowie moralische Weisheiten diktierte. [Tatjana Meisler]

Weiterführende Literatur: Chava Turniansky, "Heder Education in the Early Modern Period", in: Assaf, David/ Etkes, Immanuel (Hrsg.): The Heder, Studies, Documents, Literature and Memoirs, Tel Aviv 2010, S. 3-36.

Brief

Auch Briefe und Postkarten sind in einer Geniza zu finden.

Deutsche Zeitung

Zeitung aus einer Geniza

Was macht eine Zeitung in einer Geniza? Mehr noch, was macht eine deutsche Zeitung, deren erhaltene Fragmente mitnichten religiöse, sondern ausschließlich politische Themen behandeln, an einem Ablageort für vornehmlich sakrale Texte, welche (in der Regel) den Gottesnamen enthalten und deswegen nicht auf gewöhnliche Weise entsorgt werden dürfen? Der Grund für das Ablegen eines Zeitungsausschnitts in einer Geniza als auch die Intention desjenigen, der selbige dort abgelegt hat, können nur vermutet werden. So kann der Zeitungsabschnitt etwa zufällig in die Geniza geraten sein, weil er beispielsweise als Lesezeichen benutzt wurde. [Tatjana Meisler]

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Foto 1+6: Horst Kuhli
Foto 2-5: Genisaprojekt Veitshöchheim, Foto: Elisabeth Singer-Brehm