Die Universität (Frankfurt) als Erinnerungsort

Informationen zur Veranstaltung

Dozentin: PD Dr. Barbara Wolbring
Veranstaltungsart: Seminar
Semester: SoSe 2013
Fachbereich / Institut: Philosophie und Geschichtswissenschaften (FB 08), Historisches Seminar

Das Thema

Erinnerung ist inzwischen ein Zentralbegriff des öffentlichen Umgangs mit Geschichte. Er wird allein verwendet oder in Komposita wie Erinnerungskultur, Erinnerungsort, Erinnerungspolitik. Im öffentlichen Gebrauch sind die Begriffe häufig umgangssprachlich und intuitiv besetzt. In der Geschichtswissenschaft besitzen sie hingegen eine teilweise von der umgangssprachlichen Verwendung abweichende, einem konkreten theoretischen Diskussionszusammenhang entstammende Bedeutung, die sie zu einem Fachbegriff macht.

Erinnerung wird dabei nicht allein als individuelle Gedächtnisleistung von Personen betrachtet, sondern als sozial vermittelt, als Teil einer kollektiven Erinnerung betrachtet. Form und Inhalt von Erinnerung werden damit verstanden als Ausdrucksformen sozialer Praxis, die Aufschluss geben über das Selbstverständnis einer Sozialformation. Dies gilt grundsätzlich für Staaten bzw. Gesellschaften ebenso wie für einzelne Institutionen. Gefragt wird nach den Zielen und Absichten, den Haltungen und Denkmustern, die kollektiver Erinnerung zugrunde liegen.

Struktur des Seminars

Im Seminar Die Universität (Frankfurt) als Erinnerungsort haben die Studierenden im Sommersemester 2013 anhand von Grundlagentexten das methodische Konzept kennengelernt, das mit dem vom französischen Historiker Pierre Nora geprägten Begriff Erinnerungsort verbunden ist. Dann haben sie dieses Konzept am Beispiel der Universität Frankfurt selbst forschend erprobt und dabei die Breite dieses Ansatzes ausgelotet: Das 2014 anstehende 100jährige Jubiläum der Frankfurter Universität bot den Anlass zu erkunden, welche Ereignisse ihrer Vergangenheit die Universität erinnert, wer die Akteure und Träger der Erinnerung sind, und in welcher Form kollektive Erinnerung sich vollzieht, an welchen Räumen, Ereignissen oder Gegenständen sie kristallisiert.

Die Studierenden haben gemeinsam mögliche Erinnerungsorte identifiziert und diskutiert. Die Iden wurden zunächst in einem Wiki auf der Lernplattform OLAT gesammelt. Jede*r Seminarteilnehmer*in hat sich dann für einen Untersuchungsgegenstand entschieden, dem er oder sie sich forschend genähert hat. Als Zwischenschritt, der auf das Verfassen der Hausarbeit hinleiten und diese vorbereiten sollte, haben die Studierenden ein Forschungsexposé geschrieben, auf das es ein individuelles und im Seminar ein gemeinschaftliches Feedback gab.

Ihre in der Hausarbeit ausführlich präsentierten Forschungsergebnisse haben einige Seminarteilnehmer*innen dann in einem weiteren Schritt zusammengefasst und für die Publikation überarbeitet. Sehr schnell haben sie gemeinsam beschlossen, dass der theoretisch-methodische Teil dabei aus den jeweiligen Texten ausgeklammert und unabhängig vorgestellt werden sollte. Sowohl dieser gemeinschaftlich geschriebene Einführungsteil zum theoretisch-methodischen Konzept als auch die einzelnen Präsentationen der Erinnerungsorte sind im Wintersemester 2013/14 bis zur Publikationsreife überarbeitet worden. Mit Mitteln aus dem Förderfonds Lehre konnte hierfür die Unterstützung von Dr. Florentine Fritzen gewonnen werden, die als Redakteurin in der politischen Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung täglich mit dem Schreiben und Redigieren von Texten befasst ist.

Studentische Beiträge

Blick auf das IG Farben-Hochhaus

Erinnerungsort - das methodische Konzept
von Johannes Ahrens, Lena Martin, Katharina Müller, Svenja Schäfer, Hildegard Wolf-Krechel und Jörn Zimmermann

Der Begriff „Erinnerungsort“ ist Fluch und Segen zugleich. Ein Fluch, weil er der Alltagssprache entstammt, aber von der Geschichtswissenschaft als Fachbegriff gebraucht wird, was zu Missverständnissen führen kann. Ein Segen ist er wegen einer Einfachheit, die der Wissenschaft gelegentlich abhanden kommt. [Weiterlesen]

Logo Unistart

Bild: CAMPUSERVICE

Begrüßungsveranstaltungen für Studienanfänger: Von der Immatrikulationsfeier zur „unistart: Begrüßung | Messe | Party“
von Janine Aures

Ein Schwur, eine Unterschrift, ein Händedruck. Was heute wie der sprichwörtliche Pakt mit dem Teufel klingt, war bis 1966 die Aufnahmezeremonie der Studierenden in die akademische Gemeinschaft, die Immatrikulationsfeier. [Weiterlesen]

Zwei Kramerstühle, Foto: Markus Häfner

Der »Kramer Stuhl«
von Lena Martin

Generationen von Frankfurter Studenten war der »Kramer Stuhl« kein Begriff. Der Stuhl war einfach ein Möbelstück, auf dem man im Studium eben saß. Erst mit dem Auszug aus den Gebäuden auf dem Bockenheimer Campus und dem Umzug auf den Campus Westend erlangten die Möbel Kultstatus. Dies gilt insbesondere für den Stuhl, der zum »Kramer Stuhl« und zum gesuchten Sammlerobjekt wurde. Und das, obwohl Kramer ihn nicht einmal selbst entworfen hatte. Umso mehr ist der Begriff damit ein Zeichen für die Aneignung durch eine Gemeinschaft. [Weiterlesen]

Blick auf das IG Farben-Hochhaus

Die Architektur des IG Farben-Hauses
von Johannes Ahrens

Die Architektur des IG Farben-Hauses ist ein hart umkämpfter Erinnerungsort. In universitären Debatten beanspruchen zwei Gruppen jeweils die Deutungshoheit für sich: auf der einen Seite steht ein politisch aktiver Teil der Studierenden, auf der anderen Seite die Universitätsleitung. [Weiterlesen]

Ausschnitt des Deckblatts der Stiftungsurkunde

Die Stiftungsuniversität – Die Gründungsgeschichte als Identitätsmerkmal der Goethe-Universität
von Katharina Müller

Am 18. Oktober 1914 sollte Kaiser Wilhelm II. die Frankfurter Universität feierlich eröffnen. Doch die Feier fand nicht statt, denn kurz zuvor hatte der Erste Weltkrieg begonnen. So nahm die Universität Frankfurt am Main ihre Arbeit in aller Stille auf.
In diesem Jahr aber, zum hundertsten Geburtstag unserer Uni, erinnern wir feierlich an ihre Gründung als Stiftungsuniversität. Denn diese historische Besonderheit, von privaten Geldgebern finanziert worden zu sein, ist heute noch wichtig für die hessische Hochschule. [Weiterlesen]

Eingang der Universitätsbibliothek

Die Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
von Hildegard Wolf-Krechel

Mit sechs Millionen Medien gehört die Universitätsbibliothek der Goethe-Universität Frankfurt am Main zu den größten wissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland. Ohne eine Universitätsbibliothek ist eine Universität gar nicht denkbar. Die Universitätsbibliothek ist das Gedächtnis der Wissenschaft. Sie ist der Wissensspeicher, der bisherige Forschungsergebnisse aufbewahrt und der Wissenschaft zur Verfügung stellt. Hier finden Studierende die Bücher, mit denen sie Hausarbeiten schreiben und sich auf Prüfungen vorbereiten können. [Weiterlesen]

Ausschnitt der Stiftungsurkunde

Rückkehr zu den Wurzeln? Der Stiftungsstatus der Goethe-Universität als Erinnerungsort
von Svenja Schäfer

Sie ist etwas Besonderes: Die letzte Universität, die im Kaiserreich entstand, ist gleichzeitig die erste Stiftungsuniversität Deutschlands. Hundert Jahre später ist diese Besonderheit für die Identität der Hochschule noch immer so relevant, dass es sich bei dem Status „Stiftungsuniversität“ um einen Erinnerungsort der Johann Wolfgang Goethe Universität in Frankfurt handelt. [Weiterlesen]