Der Kauf des IG-Farben-Hauses durch die Goethe-Universität

von Andriane Karzos

Das IG-Farben-Haus in Frankfurt am Main ist nicht schon immer ein Gebäude der Goethe-Universität gewesen, sondern weist eine geschichtsträchtige Vergangenheit auf. Im Jahre 1955 erwarb die Bundesregierung das Objekt für 39,5 Millionen DM von der Konkurrenzverwaltung des Konzerns und räumte den US-Amerikanern ein zeitlich unbefristetes Nutzungsrecht für das Gebäude ein. [Anm. 1] Mit dem Auszug der Amerikaner 1995 fiel das Gebäude wieder an den Bund zurück. [Anm. 2] Aber bereits im März 1994, mit dem Bekanntwerden der Auszugspläne der US-Army, entstand eine Debatte um die Folgenutzung des IG-Farben-Hauses. [Anm. 3]

Zu Beginn des Jahres 1994 dachten der damalige Frankfurter Oberbürgermeister Andreas von Schöler (SPD) und der Städtebaubeirat und der Bund Deutscher Architekten (BDA) darüber nach, das IG-Farben-Haus zum neuen Sitz der EZB zu machen. [Anm. 4] Diesen Vorschlag lehnte die Bank ab. Als Grund nannte sie die Verwicklung der IG-Farben in die NS-Vergangenheit, unter deren Auftrag das Gebäude errichtet worden war, was im Ausland nicht zu vertreten gewesen wäre. [Anm. 5] Auch die Idee, das IG-Farben-Haus als Polizeipräsidium zu verwenden, scheiterte an demselben Grund. [Anm. 6]

Im Herbst 1994 begann die Goethe-Universität, unter der Leitung ihres damaligen Präsidenten Werner Meißner, ihr Interesse am IG-Farben-Komplex zu bekunden. Auch Oberbürgermeister Schöler stimmte der Idee zu, den Komplex der Goethe-Universität zu übergeben. Wie einem Artikel der FAZ zu entnehmen ist, zog Schöler die universitäre Nutzung des Gebäudes dem Verkauf durch eine internationale Maklerfirma vor. [Anm. 7] Außerdem hatte der Oberbürgermeister Bundesfinanzminister Theo Waigel (CDU) vorab in einem offenen Brief darum gebeten, die Ausschreibung des Gebäudes zu stoppen. [Anm. 8]

Informationen zur Veranstaltung

Blick auf das IG-Hochhaus

Dozent: Dr. des. Markus Häfner
Veranstaltungsart: Übung
Semester: SoSe 2014
Fachbereich / Institut: Philosophie und Geschichtswissenschaften (FB 08), Historisches Seminar

Im Frühling 1995 sprachen alle Zeichen dafür, die Goethe-Universität zum neuen Nutzer des IG-Farben-Hauses zu machen: „Die Johann Wolfgang Goethe-Universität darf sich mit dem Gedanken vertraut machen, das von den Amerikanern geräumte IG-Farben-Gebäude zu bekommen“, [Anm. 9] berichtete die FAZ im April. Sogar das Verfahren für den Neubau auf dem Bockenheimer Depot wurde vorsorglich angehalten. [Anm. 10] Werner Meißner stellte sich schon vor, wie Studentinnen und Studenten durch die Flure des Gebäudes schlenderten und sich auf der Wiese des Parks sonnten. [Anm. 11]

Im selben Monat lud die Frankfurter Rundschau alle Planer und Verantwortliche aus Bund, Land, Stadt und Universität zu einem Forum über die Zukunft des IG-Farben-Hauses ein. [Anm. 12] Die Meinung der Beteiligten war im Großen und Ganzen dem Vorhaben, aus dem Gebäude eine Universität zu machen, positiv eingestellt. [Anm. 13]

Im Juli des Jahres einigten sich der Bund und das Land Hessen vorläufig darauf, das Poelzig-Ensemble in der Zukunft als Universität zu verwenden und diesem Zweck entsprechend zu kaufen. Sogar Bundesfinanzminister Theo Waigel, der im vorigen Jahr noch für einen Verkauf des IG-Farben-Hauses durch eine internationale Maklerfirma gewesen war, sah „[…] keine sinnvollere, dem Gebäude selbst und den Interessen der Öffentlichkeit besser entsprechende Nutzung als eine Übergabe an die Frankfurter Universität“. [Anm. 14] Das Land Hessen hatte ihm offiziell mitgeteilt, dass es das Gebäude für die universitäre Nutzung kaufen möchte. [Anm. 15] Obwohl Einigkeit zwischen den Meinungen der Beteiligten bestand, handelte sich bis zu diesem Zeitpunkt um reine Spekulationen. Verträge und bindende Dokumente waren auch bis zum Ende des Jahres nicht unterschrieben worden.

Dafür begannen Ende Oktober 1995 die Verkaufsverhandlungen zwischen Bund und Land. [Anm. 16] Man versuchte eine dringende Einigung über den Kaufpreis des IG-Farben-Hauses zu erzielen. Das Land kritisierte, dass der Bund mehr verlange, als das Land zahlen könne, was in Zahlen ausgedrückt über der Grenze von 140 Millionen DM liege. [Anm. 17] Aufgrund der Höhe des Betrages fühlte sich das Land Hessen umso mehr dazu genötigt, einen geringeren Preis zu verhandeln. 1995 erzielten die Beteiligten bei den Verkaufsverhandlungen keine Einigung mehr und die Verhandlungen zogen sich insgesamt ein halbes Jahr hin.

Am 25. Juni 1996 erfolgte schließlich die Unterzeichnung des Kaufvertrags. Stellvertretend für die Universität unterschrieb deren Präsident Werner Meißner. [Anm. 18] Die Kosten für den Kauf, den Umzug und die Renovierung des Gebäudes lagen trotz einem Rabatt von 50 Prozent, den der Bund dem Land im Zuge der öffentlichen Nutzung des IG-Farben-Hauses gewährte, bei 148 Millionen DM. [Anm. 19]

Der Weg, den die Goethe-Universität, die Stadt Frankfurt am Main und das Land Hessen zu gehen hatten, bis das IG-Farben-Haus im Besitz der Uni war, ist ziemlich lang gewesen. Anfang 1994 dachte niemand an die Möglichkeit, das Gebäude der Universität zu vermachen. Vielmehr hatte es den Anschein, der Bund wolle das Gebäude nur schnell verkaufen. Ein Jahr später herrschte Einigkeit über das Vorhaben des Universitätspräsidenten und des Oberbürgermeisters das Areal für die Goethe-Universität zu gewinnen, aber noch lange nicht über den Verkaufspreis des Objektes. Die Ende Oktober 1995 begonnenen Verhandlungen zogen sich bis Ende Mai 1996 hin und wurden durch den Kauf des Gebäudes am 25. Juni beendet. Bezogen wurde der Campus Westend ab dem Jahre 2001, nachdem sämtliche Umbau- und Renovierungsarbeiten abgeschlossen waren. [Anm. 20]

1 Wagner, K., Erwerbsgeschichte des Poelzig-Ensembles. In W. Meißner, D. Rebentisch, & W. Wang (Hrsg.), Der Poelzig-Bau. Vom IG-Farben-Haus zur Goethe-Universität, Frankfurt am Main 1999, S. 123-129, hier S. 123.

2 Ebd.

3 Ebd.

4 Plädoyer fürs IG-Farben-Haus, in: FAZ vom 25. Januar 1994, S. 34.

5 Ebd.

6 Die Wissenschaft soll ins IG-Farben-Haus, in: FAZ vom 6. Mai 1994, S. 61.

7 IG-Farben-Haus soll Europabank-Option bleiben, in: FAZ vom 13. Sempember 1994, S. 41.

8 Ebd.

9 Zitat: IG-Farben-Haus: Gute Chancen für Universität, in: FAZ vom 28. April 1995, S. 69.

10 Ebd.

11 Meißner, W., Goethe zieht um. Wie die Goethe-Universität ins Westend kam. Frankfurt am Main 2014.

12 Wagner (1999), S. 125.

13 Ebd.

14 Wagner (1999), S. 125f.; Land Hessen will ehemaliges IG-Farben-Haus vom Bund kaufen, in: FAZ vom 20. Juli 1995, S. 33.

15 IG-Farben-Haus: Land will für 50 Millionen kaufen, in: FR vom 20. Juli 1995, S. 19.

16 Kaufverhandlungen um IG-Farben-Haus im Gang, in: FAZ vom 1. November 1995, S. 37.

17 IG-Farben-Haus. Bund verlangt mehr, als Hessen zahlen kann, in: FR vom 2. November 1995, S. 24.

18 Wagner (1999), S. 126f.

19 Ebd.

20 Ebd., S. 128f.

Andriane Karzos, Der Kauf des IG-Farben-Hauses durch die Goethe-Universität, in: USE: Universität Studieren / Studieren Erforschen, 14.10.2014, URL: https://use.uni-frankfurt.de/igf/karzos/.

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