Die IG Farben und die Zwangsarbeit im Dritten Reich: Das Lager Monowitz

von Maximilian Schramm

Die Verantwortung der IG Farben für Auschwitz ist bis heute ein Diskussionsthema. Dem Unternehmen wurde vorgeworfen, Hitler mit ihren Produkten stark unterstützt und Zwangsarbeiter für die Erzeugung derselben eingesetzt zu haben. Ehemalige Auschwitz-Gefangene behaupteten sogar, dass sich die IG Farben mit Hitler gegen den Frieden verschworen hatten. [Anm. 1] Ziel dieses Textes ist zu zeigen, wie die IG Farben Zwangsarbeiter einsetzte und behandelte. Das Lager Monowitz wird dafür als ein konkretes Beispiel herangezogen.

Nachdem die IG Farben den Auftrag vom NS-Regime erhalten hatte, ein weiteres Werk zur Produktion des synthetischen Kautschuks Buna zu errichten, fiel die Wahl 1941 auf Auschwitz. Dies lag an der guten Lage sowie der Versorgung mit Wasser und Kohle. Die dort lebenden Juden wurden enteignet, um Platz für die Belegschaft der Fabrik zu machen. [Anm. 2]

Seit dem Sommer 1942 bemühte sich die Leitung der IG Farben darum, ein Lager in der Nähe ihres Werkes errichten zu können, um die Produktivität zu erhöhen. Am 28. Oktober wurde schließlich das Lager Monowitz sechs Kilometer östlich von Auschwitz errichtet. Zunächst trug es den Namen „Lager Buna“, wurde jedoch später umbenannt. Der Grund dafür war, dass für den Bau des Lagers der Ort Monowitz zerstört worden war. [Anm. 3]

Ehemalige Gefangene hatten den Alliierten später genaue Beschreibungen der Zustände des Lagers Monowitz gegeben. Die Arbeit in der Fabrik begann um drei Uhr morgens. Das Mittagessen bestand aus Kartoffel- oder Rübensuppe und das Abendessen war ein Stück Brot. Der Arbeitsbereich war in Abschnitte von jeweils zehn Quadratmetern eingeteilt. Jeder, der während der Arbeit aus irgendeinem Grund über die Linien trat, wurde sofort wegen seines „Fluchtversuchs“ erschossen. [Anm. 4]

Informationen zur Veranstaltung

Blick auf das IG-Hochhaus

Dozent: Dr. des. Markus Häfner
Veranstaltungsart: Übung
Semester: SoSe 2014
Fachbereich / Institut: Philosophie und Geschichtswissenschaften (FB 08), Historisches Seminar

Die SS-Wachen gaben Gefangenen manchmal einen Befehl ihnen etwas zu bringen, was außerhalb ihres Abschnittes lag. Wer den Befehl befolgte, wurde erschossen, weil er seinen Platz verlassen hatte. Die Arbeit selbst war sehr hart und es gab keine Pausen. Nur wenige Gefangene konnten die Belastung ertragen, weswegen viele Fluchtversuche stattfanden, was zu mehreren Exekutionen pro Woche führte. [Anm. 5]

Die Gefangenen hatten nicht nur in der Fabrik zu arbeiten, sondern auch beim Ausbau des Lagers zu helfen. Zusätzlich zu ihren neun Stunden Arbeit kamen also noch drei bis vier Stunden hinzu. Daher starben in den ersten Monaten in jedem Block täglich sechs bis zehn Menschen. Zusätzlich mussten die Gefangenen das Baumaterial selbst zur Baustelle tragen. Die Konsequenzen dieser Arbeitsbedingungen waren, dass von den 4.000 Häftlingen am Jahresende 1942, nach zwei Monaten nur noch die Hälfte am Leben war. [Anm. 6]

1943 stieg die Zahl der Gefangenen merklich an, bis sie im Sommer bei etwa 5.000 lag. Aufgrund von Platzmangel wurden bis Weihnachten 1943 ehemalige Bierzelte als temporäre Unterkünfte genutzt, die weder Heizungen noch sanitäre Anlagen boten. Bei Jahresende lag die Zahl der Gefangenen trotz des anhaltenden Massensterbens bei 7.000. Als im Mai 1944 die Endlösung in Ungarn begann, erhöhte sich die Zahl an Häftlingen noch einmal gewaltig, bis sie im Juli 1944 ihren Höchstwert von 11.000 erreichte. In den letzten sechs Monaten des Lagers hielt man die Zahl konstant auf etwa 10.000 Häftlinge, indem man die Toten durch einen ständigen Einfluss an Gefangenen von Birkenau ausglich. [Anm. 7]

Warum Unternehmen wie die IG Farben Zwangsarbeiter einsetzten und wie profitabel dies war, lässt sich nicht so einfach beantworten. Zwar mussten die IG Farben keine Löhne zahlen, jedoch führten die unmenschlichen Arbeitsbedingungen auch zu geringerer Produktivität. Zum einen versuchten viele Unternehmen ungeachtet des Massensterbens von der Zwangsarbeit zu profitieren; zum anderen gab es nur einen Fall, in dem einem Unternehmen definitiv die Verwendung von Zwangsarbeitern aufgezwungen wurde. Die meisten Unternehmen hingegen bemühten sich aktiv darum, Zwangsarbeiter zu erhalten. [Anm. 8]

Die IG Farben hatte den Bau von Monowitz auch deswegen in Auftrag gegeben, weil sie mit der Arbeitsleistung der Gefangenen in Auschwitz unzufrieden war. Entgegen den ursprünglichen Erwartungen ließen sich Zwangsarbeiter nicht einfach auf dieselbe Weise wie reguläre Arbeiter einsetzen. Ein Gefangener wurde pauschal so gezählt, als ob er 75 Prozent der Arbeitsleistung eines deutschen Arbeiters erbringen könne. Diese reine Zahl entsprach jedoch nicht annähernd der Arbeitswirklichkeit. Die IG Farben sah das Problem im langen und beschwerlichen Transport der Häftlinge sowie dem langen Anmarschweg, der sich immer über mehrere Stunden hinzog. Aufgrund dieser Überlegungen entschied sich das Unternehmen, ein Lager nahe der Fabrik zu errichten, in der die Häftlinge arbeiten sollten. Hierdurch sollte die Produktivität erhöht werden. [Anm. 9]

In der Zeit zwischen 1939 und 1945 gab es etwa 12 Millionen Zwangsarbeiter im Deutschen Reich. Vor allem die Gefangenen in Konzentrationslagern wie Monowitz mussten in unmenschlichen Umständen leben und arbeiten. Besonders diese Orte trugen stark dazu bei, dass bis 1945 2,5 Millionen Zwangsarbeiter starben. Nur etwa ein Viertel der Zwangsarbeiter lebte noch 2000, als Deutschland und Österreich Gesetze zur Kompensation der Opfer verabschiedeten. [Anm. 10]

Die IG Farben gehörte zu den zahlreichen Unternehmen, die zu diesen Zahlen beitrugen. Der Einsatz von Zwangsarbeitern in Unternehmen war nicht aus ideologischen Gründen oder aus Mitleid mit den Gefangenen geschehen. Die wichtigsten Faktoren waren wirtschaftliche Ziele und die Hoffnung auf Profit. [Anm. 11]

1 Arbeitsgruppe der Ehemaligen Häftlinge des Konzentrationslagers Auschwitz; IG-Farben - Auschwitz - mass murder: on the guilt of IG-Farben from the documents on the Auschwitz trial, Frankfurt/Main: Public Prosecutor's Office 1964, S. 44f.

2 Wagner, Bernd C.: IG Auschwitz: Zwangsarbeit und Vernichtung von Häftlingen des Lagers Monowitz 1941-1945, München 2000, S. 21, 44f.

3 Ebd., S. 91, 97.

4 Borkin, Joseph: The Crime and Punishment of I.G. Farben, New York 1978, S. 113.

5 Ebd.

6 Wagner (2000), S. 99f.

7 Ebd., S. 100f.

8 Spoerer, Mark: Profitierten Unternehmen von KZ-Arbeit? Eine kritische Analyse der Literatur in: Historische Zeitschrift 268 (1999), S. 61-95, hier S. 87-90.

9 Wagner (2000), S. 91.

10 Spoerer, Mark / Fleischhacker, Jochen: Forced Laborers in Nazi Germany: Categories, Numbers and Survivors in: The Journal of Interdisciplinary History 33 (2002), S. 169-204, hier S. 201

11 Spoerer (1999), S. 85.

Maximilian Schramm, Die IG Farben und die Zwangsarbeit im Dritten Reich: Das Lager Monowitz, in: USE: Universität Studieren / Studieren Erforschen, 14.10.2014, URL: https://use.uni-frankfurt.de/igf/schramm/.

Nach oben