Der amerikanische Soldat aus der Sicht der westdeutschen Bevölkerung: Betrachtung auf Basis der „Civilian-Troops Reports“

von Hannah Tyler

Als im Jahre 1994 die letzten amerikanischen Truppen ihren Frankfurter Standort verließen, hielt der Frankfurter Oberbürgermeister Andreas von Schoeler eine Rede anlässlich des offiziellen Abschiedsaktes am Frankfurter Römer. Diese Rede, eine Lobpreisung auf die amerikanischen Soldaten, spiegelte eine populäre Meinung über die amerikanischen Besatzer wider: „Sie kamen als Sieger und wurden Freunde.“ [Anm. 1] Diese Aussage gleicht dem in Standardwerken gerne verwendeten Topos ‚Vom Besatzer zum Beschützer‘. Ist dieser Wandel, welchen die Autoren in die 1950er Jahre datierten, wirklich so einfach von statten gegangen? Wie war die Ansicht der westdeutschen Bevölkerung gegenüber den amerikanischen Soldaten in den 1950er Jahren?

Aufschluss über diese Fragen können Betrachtungen der von der Hohen Internationalen Kommission beziehungsweise von einer ihrer Institutionen, die des Research Analysis Staff, in Auftrag gegebenen Surveys bieten. Drei der sogenannten Civil-Troops-Reports aus den Jahren 1951, 1952 und 1956 bieten mit recht akkuraten Zahlen Einblick in die stringenten Bemühungen und beeindruckende Effektivität der amerikanischen Öffentlichkeitsarbeit. Hauptaugenmerk ihrer Analyse waren die westdeutschen Aussagen über amerikanische Soldaten, ihr Auftreten und Eindruck auf die Bevölkerung und deren Leistungseinschätzung gegenüber anderen Soldaten.

1949 war die Bundesrepublik Deutschland mitsamt ihrem Grundgesetz gegründet worden, aber der westdeutsche Staat war noch lange nicht unabhängig, sondern an das Besatzungsstatut und damit die westlichen Besatzer gebunden. Die Wiederbewaffnung der westdeutschen Armee, die Wiedervereinigung oder die wirtschaftliche Unabhängigkeit waren zu Beginn der 1950er Jahre noch in weiter Ferne. Stattdessen hatte die High Commission of Germany (HIOG) die Nachfolge der amerikanischen Militärregierung angetreten. Unter der Führung Konrad Adenauers erlangte die Bundesrepublik schrittweise Souveränitätsrechte zurück, angefangen mit dem Beitritt zur OEEC, gefolgt von der Montanunion im April 1951 und einer weiteren Revision des Besetzungsstatuts 1951. Dabei vertrat Adenauer die Ansicht, nur die Westintegration ermögliche der Bundesrepublik Sicherheit, Gleichberechtigung und politische Mitsprache. Mit den Pariser Verträgen 1955 wurden die Bestimmungen des Besatzungsstatuts aufgehoben. [Anm. 2]

Die innenpolitische Entwicklung beeinflusste ebenso der Koreakrieg (1950-53). Der Konflikt schürte auf westdeutscher Seite die Angst vom einem Angriff der Sowjetunion und erhöhte die Zahl der stationieren US-Soldaten in der Bundesrepublik. Die daraufhin stattfindenden Verhandlungen resultierten Deutschlandvertrag 1952 und dem Beitritt der Bundesrepublik zur NATO 1955. Zeitgleich machten die Pariser Verträge ‚Schutzmächte‘ aus den ehemaligen Besatzern, die im Gegenzug ihre Truppen aufgrund von Stationierungsverträgen auf deutschen Boden ließen. Mit diesem Schritt war die politische Transformation der Besatzer zu Beschützern vollzogen. [Anm. 3]

Informationen zur Veranstaltung

Blick auf das IG-Hochhaus

Dozent: Dr. des. Markus Häfner
Veranstaltungsart: Übung
Semester: SoSe 2014
Fachbereich / Institut: Philosophie und Geschichtswissenschaften (FB 08), Historisches Seminar

Der amerikanische Soldat und die westdeutsche Bevölkerung

Während die Politiker um die Souveränität des westdeutschen Staates und einer möglichen Wiedervereinigung rangen, mussten sich auf lokaler Ebene die westdeutsche Bevölkerung mit einem ganz neuen Phänomen, nämlich dem des amerikanischen Soldaten arrangieren. Das war in den frühen Jahren der Besetzung nicht weiter schwierig: 99 Prozent aller amerikanischen Soldaten waren nach Hause gegangen und 1947 nur noch 135.000 GIs in der Bundesrepublik stationiert. [Anm. 4] Dies änderte sich mit dem Beginn des Korea-Krieges. Durch Präsident Trumans „Troops-to-Europe-Decision“ von 9.September 1950 kamen ausgebildete Kampftruppen zu den vorhandenen Besatzungs- und Verwaltungstruppen auf deutschen Boden. [Anm. 5] Dieser Zuwachs war der amerikanischen ‚Containment‘-Politik gegenüber dem sowjetischen Kommunismus geschuldet.

Die immense Anzahl der Soldaten, die 1950 anreiste, führte zu vielen Veränderungen in deutschen Städten, da sie neben Unterkunft und Verpflegung auch Freizeitaktivitäten benötigten. Um diesen Problemen beizukommen, entstanden ganze ‚Klein-Amerikas‘, Siedlungen mit Kinos, Waschsalons und Supermärkten, die ausschließlich der amerikanischen Bevölkerung zur Verfügung standen. [Anm. 6] In ihrer Freizeit nahmen die GIs außerhalb der Kasernen Kontakt zur Bevölkerung, insbesondere zu Frauen, auf. Dies führte zu den berühmt-berüchtigten Verhältnissen zwischen deutschen Frauen und amerikanischen Soldaten, welches das Bild der amerikanischen Truppen, neben betrunkenen Pöbeln und Schlägereien, nachhaltig beschädigte. Generell war der Kontakt zwischen der amerikanischen und deutschen Bevölkerung zu Anfang der 1950er Jahre sporadisch, hielten sich die amerikanischen und deutschen Staatsbürger eher unter Landsleuten auf. Die Sprachbarriere zwischen der älteren deutschen Generation, welche kaum Englisch sprach und den GIs, die teilweise kein oder nur vereinzelt deutsch konnten, war immens. Auch die nicht vorhandene Notwendigkeit mit Deutschen zu interagieren, war maßgeblich für das teilweise nicht-existente Verhältnis der beiden Gruppen im Jahr 1951 verantwortlich.

Umfragen bei der deutschen Bevölkerung zum Ansehen des amerikanischen Soldaten in der westdeutschen Bevölkerung führten auf amerikanischer Seite zu zwei Erkenntnissen: die Kampfkraft der amerikanischen Soldaten wurden im Vergleich zum sowjetischen Kontrahenten als unterlegen und das Benehmen gegenüber der deutschen Bevölkerung als negativ eingestuft. [Anm. 7] Um fortan ein positiveres Bild der US-Truppen zu erzielen, sollte der Kontakt zwischen Bevölkerung und amerikanischen Soldaten intensiviert werden. [Anm. 8]

Dieser Gedankengang sollte bereits im folgenden Jahr Früchte tragen. Im Nachfolgebericht aus dem Jahr 1953 über das Jahr 1952, wurden erste Erfolge bei sämtlichen Fragen verzeichnet, die auf PR-Aktionen wie Weihnachtsgeschenke und den aktiveren Kontakt zwischen beiden Seiten zurückzuführen sind. [Anm. 9] Vor dem Hintergrund des Korea-Krieges und der Furcht einer sowjetischen Invasion der Bundesrepublik steigerte sich die Beurteilung der amerikanischen Soldaten immens: über 67 Prozent stuften ihn als ‚well‘ ein. [Anm. 10] Dieser positive Trend hielt bis 1954 und endete im folgenden Jahr. In manchen Bereichen fielen die Zahlen auf einen Tiefpunkt, vor allem bei den Fragen nach dem guten Verhältnis beantworteten statt 57 Prozent im Januar 1954, nur noch 39 Prozent der Westdeutschen die Frage mit ‚improved‘. [Anm. 11] Vergleiche zwischen anderen Umfragewerten aus den Jahren 1951 beziehungsweise 1955 zeigen weitere Tiefpunkte wie der Anstieg von 21 Prozent (1951) auf 25 Prozent (1955), welche positiv über einen Abzug der Soldaten dachten. [Anm. 12]

Das deutsch-amerikanische Verhältnis zwischen 1951 und 1955 veränderte sich enorm: Von kaum vorhandenen Kontakten 1951 sorgten die PR-Maßnahmen für ein stark verbessertes Verhältnis im Jahr 1952, das sich zwar bis 1955 abgekühlt hatte, aber noch als grundsolide einzustufen ist. Die Umfragezahlen belegen, dass ein größerer Teil der westdeutschen Bevölkerung 1955 den amerikanischen Besatzern unfreundlicher gesinnt war als zu Beginn der Reports 1951, damit ist die faktische Aussage einer vorhandenen Vertrauensbasis, welche in der Fachliteratur gerne geschildert wird, zwischen den Vertretern beider Länder als etwas zu oberflächlich entlarvt. Allerdings kann nur eine Untersuchung in einem größeren Rahmen und unter Einbeziehung vor allem auch der sich in den Vereinigten Staaten befindlichen Quellen, genaueren Aufschluss über die Frage nach dem tatsächlichen Status des deutsch-amerikanischen Verhältnisses in den 1950er Jahren geben. Bis dahin sollten sämtliche Annahmen über das westdeutsche-amerikanische Verhältnis in diesem Zeitraum kritisch gesehen werden.

1 Kirkpatrick, Charles: Das I.G. Farben Gebäude als Sitz der Amerikaner. 1945-1995, in: Der Poelzig-Bau. Vom I.-G.-Farben-Haus zur Goethe-Universität, hg. v. Werner Meißner, Dieter Rebentisch und Wilfried Wang, Frankfurt (Main) 1999, S. 104–120, hier S. 119.

2 Recker, Marie-Luise: Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, München 3. Aufl. 2009, S. 37f.

3 Morsey, Rudolf: Die Bundesrepublik Deutschland: Entstehung und Entwicklung bis 1969 (= 19), München 5. Aufl. 2007, S. 30ff.

4 Seiler, Signe: Die GIs. Amerikanische Soldaten in Deutschland, Reinbek bei Hamburg 1985, S. 37f.

5 Leuerer, Thomas: Die Stationierung amerikanischer Streitkräfte in Deutschland. Militärgemeinden der US Army in Deutschland seit 1945 als ziviles Element der Stationierungspolitik der Vereinigten Staaten (= Politik und Gesellschaft 6), Würzburg 1996, S. 104ff.

6 Seiler (1985), S. 37

7 Institut für Stadtgeschichte Frankfurt (ISG), Amerika Haus Frankfurt V113/675, The German Appraisal of the Allied Forces in West Germany. With Recommendations for Improved Citizen-Soldier Relations, Report No. 119, Series 2 v. 28. Januar 1952, S. 13ff.

8 Ebd., S. 3.

9 ISG, Amerika Haus Frankfurt V113/728, The American Soldier as appraised by the West German People. A Continuing Study of Civilian-Troops Relations, Report No 174, Series 2 v. 5. März 1953, S. 5.

10 Ebd., S. 23.

11 ISG, Amerika Haus Frankfurt V113/761, The American Solider Reappraised. A Further Study of Civilian-Troops Relations, Report No 227, Series 2 v. 21. Februar 1956, S. 5.

12 Ebd., S. 21.

Hannah Tyler, Der amerikanische Soldat aus der Sicht der westdeutschen Bevölkerung: Betrachtung auf Basis der „Civilian-Troops Reports“, in: USE: Universität Studieren / Studieren Erforschen, 14.10.2014, URL: https://use.uni-frankfurt.de/igf/tyler/.

Nach oben