„Am Wasser“: Die Nymphenplastik auf dem heutigen Campus Westend. Hintergründe, Geschichte und Mythos

von Daniel Seelbach

Auf dem heutigen Uni-Campus Westend thront über der Brunnenablage zwischen Casino und IG-Farben Haus die Bronze „Am Wasser“. Der weibliche Akt wurde von Fritz Klimsch geschaffen und von Prof. Erwin Selck der IG-Farben AG gestiftet. Um das Jahr 1945 verschwand sie von ihrem Sockel und tauchte 1956 vor dem Verkaufshaus C660 der Hoechst AG wieder auf. Wer war der Mann, der sie schuf? Warum verschwand sie von ihrem Platz und kehrte wieder zurück? Welche ähnlichen Werke schuf der Künstler?

Fritz Klimsch wurde 1870 geboren und verstarb im Jahre 1960. [Anm. 1] Er war Teil der dritten Generation einer Frankfurter Künstlerfamilie. Mit 16 Jahren wurde er in die Berliner Akademie aufgenommen, gewann den Staatspreis und studierte sowohl in Italien als auch in Paris. [Anm. 2] Auf diese Zeit war er noch in seinen späten Jahren stolz, als er die Kunst als harte Arbeit empfand und frustriert über die Oberschicht war. [Anm. 3] 1921 war er bereits Professor für die bildenden Künste an der Hochschule Charlottenburg. [Anm. 4] Umstritten ist Klimsch dafür, dass er Auftragsarbeiten wie Hitlerbüsten für das NS-Regime schuf und in „die Gottbegnadeten-Liste des Führers“ aufgenommen wurde. 1959 wurde ihm das Große Verdienstkreuz verliehen. [Anm. 5] In weiten Teilen der Presse des Rhein-Main Gebietes wird er jedoch als Künstler geehrt. Sander macht darauf aufmerksam, dass das Buch seines Sohnes über ihn Regime Nähe ausdrückt. [Anm. 6]

„Am Wasser“ verschwand nach dem zweiten Weltkrieg von ihrem Sockel am Brunnen, angeblich weil Mamie Eisenhower sich vom der Anblick der nackten Frau gestört fühlte. [Anm. 7] In der Frankfurter Rundschau hieß es, dass mit dem Einzug der Amerikaner im Jahr 1945 die Plastik auf Befehl Mamie Eisenhowers verschwinden musste, da „sie kein nacktes Fleisch im Blickfeld sittsamer Soldaten ertrug. Auch kein bronzenes.“ [Anm. 8]

Informationen zur Veranstaltung

Blick auf das IG-Hochhaus

Dozent: Dr. des. Markus Häfner
Veranstaltungsart: Übung
Semester: SoSe 2014
Fachbereich / Institut: Philosophie und Geschichtswissenschaften (FB 08), Historisches Seminar

Als Grund für die Abwesenheit der Bronze findet man überwiegend Mamie Eisenhower als Antwort, auch wenn viele Autoren sie nur als vermuteten oder mythischen Grund angeben. Die H.K. jedoch schreibt, dass die Figur 1945, als die Amerikaner kamen, bereits evakuiert war. Fakt ist, dass die Plastik 1956 vor dem Verkaufshochhaus C 660 der Hoechst AG aufgestellt wurde. [Anm. 9] Hierzu schrieb Dr. Mohr vom hessischen Landesamt für Denkmalpflege, dass Mamie bei einem Besuch in der frühen Nachkriegszeit befürchtet habe, dass junge Soldaten von der Nackten verwirrt würden, woraufhin sie abmontiert wurde und bei Hoechst eine neue Heimat erhielt, da diese davon erfahren hatten. In dem Brief von 1989 bittet Dr. Mohr den Vorstand der Hoechst AG darum, einen Abguss von der Figur machen zu dürfen, um das Areal der ehemaligen IG-Farben AG restaurieren zu können. [Anm. 10]

In der Presse-Information kommt als Erklärung der Rückgabe, die am 13.06.1991 von Hoechst-Vorstandsmitglied Mische an General David M. Maddox erfolgte, dass Hoechst einen wichtigen Beitrag zum Denkmalschutz leiste, indem es die Figur zurückgäbe, die dort ihren Platz bis 1945 gehabt habe. Als Ersatz wurde die Statuengruppe „Primavera“ aufgestellt. [Anm. 11] In einem anderen Artikel heißt es, der künstlerische Wert der Figur sei nach 1945 verkannt worden, sodass sie abgebaut und 10 Jahre später vor C 660 wiederaufgebaut wurde. [Anm. 12] In der Chronik der Hoechst AG steht, dass sie nach dem Krieg in Besitz dieser gelangt sei, wie, aus welchem Grund oder auf welcher Rechtsgrundlage wird jedoch nicht erwähnt. [Anm. 13] In einem anderen Artikel heißt es, dass sie 1945 in einem Lager gelandet sei und erst 1956 zurück ans Tageslicht geholt worden sei. [Anm. 14] Die Frage danach, wie die Nymphe vor das Verkaufshaus der Hoechst AG kam und warum sie von ihrem Sockel entfernt wurde, kann mit diesem Archivmaterial nicht beantwortet werden. Das Gegenteil ist der Fall, es kommt die Frage auf, wann genau sie verschwand, denn hier widersprechen sich Zeitungsartikel und Presseerklärungen. Auffällig in diesem Zusammenhang ist, dass auch das Material und die Auskünfte von Sanofi einander widersprechen, wenn denn Zahlen explizit genannt werden; denn vor allem viele Zeitungsartikel sprechen von nach 1945, von Mamie Eisenhower oder den frühen Nachkriegsjahren, die HK aber von einem Zeitpunkt vor der Ankunft der Amerikaner.

Für das Propagandaministerium schuf Klimsch zwei Nereiden, also Nymphen des Meeres, die sich erheblich von der Nymphe „Am Wasser“ unterscheiden, nämlich zunächst dadurch, dass sie Attribute bei sich haben, die sie mehr in die göttliche Sphäre rücken und sie deutlich als mit dem Wasser verbunden darstellen. Die eine Nereide hat eine Muschel bei sich, die andere einen Delfin. Beide unterscheiden sich aber vor allem durch ihre überaus magere Gestalt von der Statue „Am Wasser“ [Anm. 15], was die nicht zu klärende Frage aufwirft, ob Klimsch die Plastik als Nymphe schuf. Der Bronze „Am Wasser“ sind die ebenfalls von Klimsch geschaffenen weiblichen Akte „Ruhendes Mädchen“, „Ruhende“(eine Brunnenfigur) und „der Schauenden“ sehr ähnlich. [Anm. 16]

Viele Werke Klimschs wurden von Carl Duisberg, dem bedeutendsten Mäzen Klimschs, [Anm. 17] nach Leverkusen gebracht. Nach einem Diebstahl von Klimsch Plastiken aus dem Carl-Duisberg Park erschienen Zeitungsartikel, die einen Eindruck davon liefern, wie wertvoll Klimschs Kunst ist und war. „Die Hirsche“, „Die Jägerinnen“ und „Die Tatkraft“, welche gestohlen wurden, werden auf einen Wert von 900.000 bis 1.000.000 Euro geschätzt. „Die Jägerinnen“ kosteten 30.000 Reichsmark im Jahre 1913, „Die kleine Schauende“ brachte vor wenigen Jahren 15.000 Euro ein und ist um ein vielfaches kleiner als „Die Schauende“, [Anm. 18] die „Am Wasser“ ähnlich ist. Dies macht deutlich, dass die Universität Frankfurt bis heute ein wertvolles Kunstobjekt besitzt.

Klimsch schuf wertvolle Skulpturen und Plastiken, die Menschen seit dem Kaiserreich, durch die Weimarer Republik und das „3. Reich“ hindurch bis in die BRD hinein faszinieren, jedoch sind seine Arbeiten für das NS-Regime ein weniger thematisierter Teil seiner Geschichte. Weder für den genauen Zeitpunkt noch für den Grund des Verschwindens der Nymphe können mit diesem Material Antworten gefunden werden, sodass sie weiterhin ein Mythos bleibt. Weiblich ruhende Akte waren ein Teil der Kunst, für die Klimsch sehr bekannt war, sodass es „Am Wasser“ ähnliche Kunstwerke gibt. Die Kunstwerke Klimschs aber, die explizit Nymphen darstellen, unterscheiden sich erheblich von der sogenannten Nymphe „Am Wasser“.

1 Institut für Stadtgeschichte Frankfurt (ISG), Sammlung Personengeschichte S2/2.088, Fritz Klimsch: Todesurkunde, Standesamt Nr. 702, Freiburg im Breisgau 31.3.1960.

2 ISG, FAZ v. 11.02.1958: Ein Leben voller Erfolge/Zum Geburtstag von Fritz Klimsch.

3 Braun, Hermann: Fritz Klimsch. Eine Dokumentation, Oldenburg 1991, S. 442.

4 ISG, R. Diehl: Fritz Klimsch [Ausschnitt aus: Frankfurter Kunstverein].

5 ISG, FNP v. 05.10.2000: Streit um Fritz Klimsch Anlage.

6 Sander, Ferdinand: Fritz Klimsch, „Am Wasser“, URL: www.uni-frankfurt.de/39021852/klimsch-am-wasser (Zugriff: 13.08.2014).

7 Unternehmensarchiv Sanofi (UAS), FP 78/1991: „Am Wasser“ zurück.

8 ISG, FR v. 12.06.1991: Nymphe für die Armee.

9 UAS, FP 78/1991: „Am Wasser“ zurück.

10 UAS, Dr. Mohr vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen an die Hoechst AG (Brief), 1989.

11 UAS, Presse-Information, Hoechst, eingegangen im Archiv am 10.06.1991.

12 UAS, Hoechst-Beitrag zur Denkmalpflege in Frankfurt. Klimsch-Plastik kehrt an ihren Stammplatz zurück, in: Werk Hoechst/PSW vom 6.6.1991.

13 Schreier, Anna Elisabeth / Wex, Manuela: Chronik der Hoechst Aktiengesellschaft 1863-1988, Frankfurt am Main 1990, S. 151, 231.

14 UAS, Das Militär gibt sich eine Blöße: Die bronzene Schöne ist wieder da, [1991], S. 35.

15 Vgl. Universitätsarchiv Frankfurt (UAF), Klimsch, Uli: Fritz Klimsch. Die Welt des Bildhauers, Berlin [1938], S. 114f.

16 Vgl. Braun, Hermann: Fritz Klimsch. Eine Dokumentation, Oldenburg 1991, S. 97-233.

17 UAF, Klimsch, [1938], S. 36f.

18 Hauser, Ludmilla: Bayer-Kunstraub. Die Kölner Polizei patzt, in: Rheinische Post v. 01.02.2013, URL: www.rp-online.de/nrw/staedte/leverkusen/bayer-kunstraub-die-koelner-polizei-patzt-aid-1.3160564 (Zugriff: 26.06.2014 19:53).

Daniel Seelbach, „Am Wasser“: Die Nymphenplastik auf dem heutigen Campus Westend. Hintergründe, Geschichte und Mythos, in: USE: Universität Studieren / Studieren Erforschen, 14.10.2014, URL: https://use.uni-frankfurt.de/igf/seelbach/.

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