Der Gigantengiebel

Benjamin Leukart

Während seiner Zeit in Athen studierte Hans Schrader auf der Akropolis den Gigantengiebel des alten Athenatempels, der von den Persern zerstört wurde. Dieser Giebel zeigt Szenen einer Gigantomachie, einen Kampf zwischen griechischen Göttern und den Giganten,  und konnte unter Schraders Leitung 1895 restauriert und zusammengesetzt werden. Wegen der beengten Verhältnisse und die schlechte Beleuchtung vor Ort gestaltete sich eine genaue, positionsgetreue Rekonstruktion aber schwierig. So widmete sich Schrader in Frankfurt erneut diesem Thema, nachdem er einen Gipsabguss der zentralen Kampfgruppe des Gigantengiebels für die Sammlung des Archäologischen Instituts erworben hatte. Leider ist dieser zusammen mit der ganzen Abguss-Sammlung während des zweiten Weltkrieges zerstört worden. Aber Fotos des Abgusses hat Schrader zur Illustration seiner Ergebnisse in dem 1939 erschienen Werk „Die archaischen Marmorbildwerke der Akropolis“ publiziert.

Vom Giebel erhalten sind die Statue der Athena, drei am Boden liegende Giganten und Fußfragmente von zwei weiteren Figuren, die Schrader auf Grund von Vergleichen mit ähnlicher Gigantomachie-Darstellungen Götterfiguren zuordnet. Ebenfalls über Vergleiche vermutet Schrader zwei weitere Gigantenfiguren in dieser Gruppe. Schrader beschäftigt sich zunächst eingehend mit der Position der Athena und ihres unmittelbaren Gegners und gelangt zu folgenden Ergebnissen:

  1. Athena stand in der Mitte des Giebels.
  2. Beide wurden je aus einem Marmorblock gehauen, sind voll ausgearbeitet und weisen an ihren Rückseiten Spuren von Marmorstützen auf.
  3. Der Gigant ist nur unwesentlich größer als Athena.
  4. Im unteren Drittel ist Athena auffallend flach geformt. Wahrscheinlich war ihr eine liegende Figur vorgelagert.

Auf diese ersten Ergebnisse von 1920 folgt 1939 eine Rekonstruktion des gesamten Ensembles auf Grund folgender Erkenntnisse:

  1. Athena streckt ihre Hand in Kampfhaltung ihrem Gegner entgegen. Diese sind nun 30cm weit voneinander getrennt.
  2. Aufgrund eine Bohrloches am linken Schulterblatt des Athenagegners muss der von diesem getragene Rundschild parallel zur Giebelwand gehalten worden sein.
  3. Rechts von Athena steht Zeus, links Herakles. Der leere Raum neben Athena könnte gut mit einem Blitzbündel-schwingenden Arm des Zeus zu füllen sei. Herakles dürfte wie auf archaischen Vasen mit Schwert und Schild dargestellt gewesen sein.

Anhand von Stilvergleichen datiert Schrader den Giebel in die Zeit von 530-510 v. Chr.

Mittelgruppe des Giebels: Athena und Gigant (Foto: Fotothek, Klassische Archäologie Goethe-Universität Frankfurt)
Rekonstruktion des Giebels nach Schrader, oben 1920, unten 1939 (Foto: Fotothek, Klassische Archäologie Goethe-Universität Frankfurt)

Benjamin Leukart, Der Gigantengiebel, in: USE: Universität Studieren / Studieren Erforschen, 17.12.2014, URL: https://use.uni-frankfurt.de/objekt-kulturgeschichte/leukart/.

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