Hennig Brinkmann
- Ordentlicher Professor für Deutsche Philologie an der Universität Frankfurt am Main (1938-1945) und außerordentlicher Professor für Mittellateinische Philologie an der Universität Münster (1957-1963)
- 1946 lehnte der Hauptuntersuchungsausschuss der Universität Frankfurt wegen „Bedenken politischer Art“ seine Belassung im Lehramt ab
- Forschungsschwerpunkte: Sprachtheorie und -philosophie, Semiotik, deutsche Literatur des Mittelalters und mittellateinische Literatur
- Lehrer von Wolfhard Kluge, Ulrich Krewitt, Ingeburg Kühnhold, Maximilian Scherner und Winfried Woesler
- An der Universität Frankfurt zetigleich mit Franz Schultz, Hans Hermann Glunz, Josef Kunz, Erhard Lommatzsch, Bodo Mergell, Julius Schwietering, Friedrich Ohly und Max Kommerell
Hennig Brinkmann wurde am 29. August 1901 in Königsberg (Ostpreußen) geboren. Seine Eltern waren August Brinkmann, ordentlicher Professor für Klassische Philologie in Königsberg und Bonn, und Julianne Brinkmann. Er besuchte das Städtische Gymnasium in Bonn. Seit 1933 war er Mitglied der SA und seit 1937 der NSDAP. Obwohl er im Jahr 1947 von der Entnazifizierungskammer des Kreises Lippstadt als „entlastet“ eingestuft wurde, durfte er in Frankfurt nicht weiter lehren. Von 1945 bis 1948 war er Privatgelehrter, danach unterrichtete er bis 1956 an verschiedenen Gymnasien. Brinkmann war katholischer Konfession. Er starb am 8. Juli 2000 in Lüdinghausen (Westfalen).
1918-1922 | Studium der Germanistik, Geschichte, Latein, Philosophie und Niederländisch in Frankfurt und München |
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1923 | Promotion in Bonn: „Die lateinische Liebesdichtung des Mittelalters“ |
1924 | Habilitation in Jena: „Entstehungsgeschichte des Minnesangs“ |
Ab 1924 | Privatdozent für Deutsche und Mittellateinische Philologie an der Universität Jena |
1929-1937 | Assistent am Deutschen Seminar in Jena |
1929-1930 | Vertretung des ordentlichen Lehrstuhls für Deutsche Philologie und Literatur in Jena |
1930-1937 | Nichtbeamteter außerordentlicher Professor in Jena |
1937-1938 | Vertretung des ordentlichen Lehrstuhls für Deutsche Philologie in Berlin |
1938-1945 | Ordentlicher Professor für Deutsche Philologie in Frankfurt am Main |
1943-1944 | ordentlicher Professor für Deutsche Sprache und Literatur an der Universität Istanbul (Beurlaubung in Frankfurt) |
1944 | Wiederaufnahme der Vorlesungstätigkeit in Frankfurt am Main |
1944-1945 | Ordentlicher Professor für Deutsche Sprache und Literatur an der Universität Agram/Zagreb (Beurlaubung in Frankfurt) |
1946 | die Universität Frankfurt lehnet Brinkmanns Belassung im Lehramt wegen politischer Bedenken ab |
1957-1963 | Außerordentlicher Professor für Lateinische Dichtung des Mittelalters besonders in Deutschland an der Universität Münster |
1959 | Verleihung der Rechte eines ordentlichen Professors (persönlicher Ordinarius) |
Selbstständige Publikationen
- Geschichte der lateinischen Liebesdichtung im Mittelalter. Halle/Saale 1925
- Zu Wesen und Form Mittelalterlicher Dichtung. Halle/ Saale 1928
- Die Eigenform des mittelalterlichen Dramas in Deutschland. Heidelberg 1930
- Sprachwandel und Sprachbewegungen in Althochdeutscher Zeit. Jena 1931
- Anfänge des modernen Dramas in Deutschland. Versuch über die Beziehungen zwischen Drama und Bürgertum im 16. Jahrhundert. Jena 1933
- Die deutsche Berufung des Nationalsozialismus. Deutsche Spannungen . Deutsche Not. Deutsche Umkehr. Jena 1934
- Die epische Dichtung des deutschen Rittertums. Frankfurt am Main 1937
- Liebeslyrik der deutschen Frühe in zeitlicher Folge. Düsseldorf 1952
- Studien zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur. 2 Bde. Düsseldorf 1965-66
- Mittelalterliche Hermeneutik. Tübingen 1980
Aufsätze
- Diesseitsstimmung im Mittelalter. In: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 2 (1924), S. 721-752
- Schönheitsauffassung und Dichtung vom Mittelalter bis zum Rokoko. In: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 11 (1933), S. 230-250
- Die Wortarten im Deutschen. Zur Lehre von den einfachen Formen der Sprache. In: Wirkendes Wort 1 (1950/51), S. 65-79
- Der Prolog im Mittelalter als literarische Erscheinung. Bau und Aussage. In: Wirkendes Wort 14 (1964), S. 1-21
- Wege der epischen Dichtung im Mittelalter. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 200 (1964), S. 401-435
- Kritische Sprachanalyse im Lichte der Zeichentheorie. Zum geschichtlichen Zusammenhang der Semiotik. In: Wirkendes Wort 25 (1975), 289-325
- Die Zeichenhaftigkeit der Sprache, des Schrifttums und der Welt im Mittelalter. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 93 (1974), S. 1-11
- Wiederholung als Gestaltung in Sprache und als Wiederholung von Sprache. In: Wirkendes Wort 33 (1983), S. 71-93
- Sprachliche Inhalte in der Kommunikation. Anmerkungen zum Pronomen (Antonymie) und zur Metonymie. In: Sprachwissenschaft 10 (1985), S. 172-208
- Komplementäre Widersprüche in Sprache und Literatur. Für Hugo Moser zum Gedenken. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 108 (1989), S. 321-349
- Das Wesen der Dichtung in der deutschen Literaturwissenschaft meiner Zeit. In: Poetica. 45 (1996), S. 125-151
SoSe 1939 | Vor- und Frühgeschichte der deutschen Sprache Proseminar: Mittelhochdeutsche Übung |
WiSe 1939/40 | Die deutschen Sprachlandschaften und ihre Erforschung Die deutsche Dichtung von der salischen bis zur staufischen Zeit Hauptseminar: Übungen zu den inneren Wandlungen der deutschen Sprache im Mittelalter (Otfried bis Notker) Übung: Einführung in das Altnordische |
SoSe 1941 | Geschichte der deutschen Literatur II (von der salischen bis zur staufischen Zeit) Grundzüge der deutschen Sprachgeschichte II (das Nomen) Übung: Die Heldenlieder der Edda Proseminar: Gotische Übungen Hauptseminar: Deutsche Dichtung aus der Zeit des Symbolismus |
WiSe 1941/42 | Die deutsche Lyrik vom Mittelalter bis zur Gegenwart Proseminar: Mittelhochdeutsche Übungen Hauptseminar: Die deutsche Heldendichtung des Mittelalters (Nibelungenlied) Proseminar: Einführung in das Altisländische Hauptseminar: Eddalieder |
SoSe 1942 | Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache Germanische Dichtung Proseminar: Einführung in das Althochdeutsche Hauptseminar: Wolfram von Eschenbach Die Isländersaga |
WiSe 1942/43 | Deutsche Heldensage Proseminar: Gedichte alter und neuer Zeit Hauptseminar: Methoden der Literaturgeschichte des Mittelalters Proseminar: Einführung in das Altisländische Hauptseminar: Eddalieder |
Quelle: Vorlesungsverzeichnisse der Universität Frankfurt am Main. |
Hennig Brinkmann (Aufriss); basierend auf: Wirkendes Wort, 3. Sonderheft zur Darreichung zum vollendeten 60. Lebensjahr, S. 3.
Hennig Brinkmann – Karriere im Nationalsozialismus
Obwohl Hennig Brinkmann im Juli 1947 von der Entnazifizierungskammer des Kreises Lippstadt als „entlastet“ eingestuft wurde, kann er als lupenreiner Nationalsozialist bezeichnet werden. Bereits 1933 wird er Mitglied der SA, 1937 tritt er in die NSDAP ein. Auch seine Publikationen sprechen eine deutliche Sprache: 1934 erscheint „Die deutsche Berufung des Nationalsozialismus. Deutsche Spannungen – Deutsche Not – Deutsche Umkehr“. Im Oktober 1943 schicken die Nationalsozialisten Brinkmann, der mittlerweile ordentlicher Professor in Frankfurt ist, an die Universität Istanbul, um die dortige Germanistik zu kontrollieren, den Deutschunterricht an türkischen Schulen zu inspizieren und die Sprachschule der Universität zu reformieren. Da in Istanbul viele (jüdische) Emigranten wie Erich Auerbach und Leo Spitzer Arbeit fanden, ging es bei seinem Aufenthalt dort um mehr als kulturpolitische Interessensvertretung.
...Nationalsozialismus und Wissenschaft
Hennig Brinkmann war bereits 1933 in die SA und 1937 in die NSDAP eingetreten. Auch sonst machte er aus seiner Sympathie mit dem Nationalsozialismus keinen Hehl und nahm sogar während seiner Zeit in Frankfurt gelegentlich in einer SA-Uniform an Fakultätssitzungen teil. [Weiterlesen]
...Entlassung, Entnazifizierung und Wiederaufnahmebestrebungen
Brinkmanns offizielle Stellungnahme zu seiner NS-Vergangenheit steht in deutlichem Widerspruch zu früheren Äußerungen. Mit seiner Studie „Die deutsche Berufung des Nationalsozialismus“ aus dem Jahr 1934 bewies er, dass er auch vor deutlichen antisemitischen Tönen nicht zurückschreckte und mit dem nationalsozialistischen Parteiprogramm wohl vertraut war. Seine späteren Erklärungsversuche klingen dann eher unbeholfen: „Man wird nicht im eigentlichen Sinne erklären können, wie es überhaupt zu solchen Fehlurteilen kommen konnte. Sie sind aus einer Zeit völliger Verwirrung hervorgegangen, die man sich heute nicht mehr vorstellen kann. Es ist zu wünschen, daß eine solche Zeit nicht wiederkehrt.“ [Weiterlesen]
...Telefoninterview mit Winfried Woesler über Hennig Brinkmann
Winfried Woesler (geboren 1939), Studium an der Universität Münster u.a. bei Henning Brinkmann, Promotion 1971 mit einer Arbeit über Annette von Droste-Hülshoff, Habilitation 1978, emeritierter Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft der Universität Osnabrück, äußerte sich in einem Telefongespräch mit Laura Weidlich, geführt am 13.10.2013, über Hennig Brinkmann. [Weiterlesen]
Im Blick der Nachwelt
„Auch unter besonderen Belastungen der Kriegs- und Nachkriegszeit ist es H. Brinkmann trotz eines nicht leichten persönlichen Schicksals gelungen, das Ergebnis neuer gewichtiger Studien vorzulegen...[Weiterlesen]
Essay
Hennig Brinkmann – ordentlicher Professor an der Universität Istanbul
Von Yeliz Gecgel
Als 1933 die Universität Istanbul neu gegründet wurde, trat im nationalsozialistischen Deutschland das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ in Kraft, das zur Folge hatte, dass viele verbeamtete Hochschullehrer ihrer Position enthoben wurden und gezwungen waren, in die Emigration zu gehen. Die Türkei wurde für einige von ihnen zum Refugium. Warum aber wurde auch der überzeugte Nationalsozialist Hennig Brinkmann 1943 als ordentlicher Professor an die Universität Istanbul berufen? [Weiterlesen]
Das Porträt von Hennig Brinkmann wurde zusammengestellt von Laura Weidlich und Yeliz Gecgel