Die Selektion von Entebbe
Ein studentisches Ausstellungsprojekt
Informationen zur Veranstaltung
Dozent: Dr. Markus Häfner & Dr. Torben Giese
Veranstaltungsart: Übung
Semester: WiSe 2015/16 [danach fortgeführt als Projektgruppe]
Fachbereich / Institut: Philosophie und Geschichtswissenschaften (FB 08), Historisches Seminar
Universitären Lehrveranstaltungen wird bisweilen fehlende Praxisnähe für das spätere Berufsfeld und geringe gesellschaftliche Relevanz vorgeworfen. Im Zuge der Third Mission und des Service Learning als zentrale Aspekte des Selbstverständnisses der Goethe-Universität haben die beiden Lehrenden Dr. Torben Giese und Dr. Markus Häfner in zwei Lehrveranstaltungen mit Studierenden das Konzept für die studentische Ausstellung Die Selektion von Entebbe? entwickelt und die Studierenden praxisnah angeleitet, wie in solches Projekt mit außeruniversitären Partnern umgesetzt wird.
Inhaltlicher Ansatz
Am 4. Juli 2016 jährt sich zum 40. Mal der Jahrestag der »Operation Thunderbolt«. Hierbei handelt es sich um eine Flugzeugbefreiung, die noch heute im kollektiven Gedächtnis des Staates Israel eine bedeutende Rolle spielt, in Deutschland hingegen nahezu vergessen ist.
Die beiden Frankfurter Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann, beide Mitglieder der Revolutionären Zellen, hatten gemeinsam mit Terroristen der Volksfront zur Befreiung Palästinas eine Woche zuvor eine Air France-Maschine entführt und über Bengasi nach Entebbe in Uganda gebracht, um insgesamt 53 Terroristen freizupressen. Nach der Landung in Entebbe trennten die Entführer jüdische von nicht-jüdischen Geiseln und ließen letztere frei. Diese – im öffentlichen Diskurs – schnell Selektion genannte Aufteilung der Gefangenen erhitzte die Gemüter und eine bis heute währende Diskussion um den Ablauf (Trennung der Geiseln nach Juden/Nicht-Juden, nach Israelis/Nicht-Isrealis oder anderen Gesichtspunkten) und die Bedeutung dieser Gefangenenaufteilung entstand.
Die Ausstellung erzählt ausgehend von den Aussagen der Zeitzeug*innen der Selektion von Entebbe die Entstehung und Entwicklung der antisemitischen Deutungsweise der Gefangenenaufteilung. Sie stellt die Opfer und ihre Erinnerungen in den Mittelpunkt, wobei viele Fragen zum Ereignis selbst im Unklaren bleiben. Letztlich geben nur die sich zum Teil stark unterscheidenden Aussagen der Geiseln selbst ein authentisches Bild der Aufteilung, doch wurden diese Widersprüche ohnehin von den einen wie den anderen für die eigene Perspektive instrumentalisiert.
Sommersemester 2015
Lehrveranstaltung: »Zielscheiben des Terrors«
Im Sommersemester 2015 entwarfen 12 Studierende am Historischen Seminar der Goethe-Universität Frankfurt am Main jeweils eigene Erinnerungsperspektiven in medialer Form an die Opfer des linken Terrorismus in der Bundesrepublik Deutschland. „Wir wollten neue und ausgesprochen junge Erinnerungsperspektiven entwickeln und waren von der Vielfalt der spannenden und zielführenden Ansätze überrascht“ fassen Giese und Häfner den Ansatz und das Ergebnis der Blockübung im Juni 2015 zusammen.
Das Konzept des aus Frankfurt stammenden Studierenden Kevin Müller, in einer Ausstellung die Opfer der Entführung von Entebbe des Jahres 1976 in den Mittelpunkt zu stellen, überzeugte und begeisterte alle Teilnehmer der Blockübung.
Wintersemester 2015/16
Lehrveranstaltung: »Die Selektion von Entebbe und die Antizionismus-/Antisemitismus-Debatten in der Neuen Linken«
Für die Umsetzung verfassten in einem ersten Schritt 14 Studierende im Rahmen einer Übung im Wintersemester 2015/16 die Texte für die geplante Ausstellung. Die Übung fußte dabei auf dem Ausstellungskonzept, das die Studierenden im Sommersemester 2015 entwickelt haben. Im Wintersemester erfolgte die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung der Ausstellung wie Ausstellungstexte verfassen, ein Rahmenprogramm für die Ausstellung gestalten, Werbemaßnahmen schalten und Pressetexte schreiben sowie in Zusammenarbeit mit Designer*innen und Innenarchitekt*innen ein Ausstellungsdesign zu entwickeln. Der Schwerpunkt der Übung lag auf dem Verfassen der Texte. Hierzu forschten die Studierenden während des Semesters unter Anleitung eigenständig und dokumentierten die Ergebnisse als ePortfolio in einem Blog.
Die Studierenden ehrenamtlich engagieren sich über das Seminarende hinaus, um mit den Mitarbeiter*innen der Bildungsstätte Anne Frank, den Grafikern des Instituts für Gebrauchsgrafik und den Kooperationspartnern für das Rahmenprogramm (Evangelische Akademie Frankfurt, Rose-Luxemburg-Stiftung) das Projekt zu verwirklichen. „Es ist unglaublich lehrreich zu erleben, wie ein Ausstellungsprojekt in der Praxis verwirklicht wird und wie viele komplexe Arbeitsschritte zu leisten sind, bis der Besucher den Raum betreten kann.“ fasst Robert Wolff seine Erfahrungen zusammen, der sich um die Vernetzung mit lokalen Institutionen und Marketingmaßnahmen kümmert.
Bildnachweis
Bild 1+2: © Institut für Gebrauchsgrafik
Bild 3: © Torben Giese