Die Goethe-Universität Frankfurt setzt bei der Rektoratsübergabe an Ernst Krieck auf die Wirkungsmacht des Rundfunks

von Monica Denz

 

Wie in zahlreichen anderen institutionellen (Bildungs-)Bereichen des sich etablierenden nationalsozialistischen Staates sollte die Gleichschaltung der Universität Frankfurt durch einen propagandistischen Amtsakt, die feierliche Amtseinführung des neu eingesetzten Rektors Prof. Dr. Ernst Krieck, demonstriert werden. Mit der Amtsübergabe des scheidenden Rektors Wilhelm Gerloff an Ernst Krieck am 23. Mai 1933 wurden ideologische nationalsozialistische Akzente gesetzt.

Das Opernhaus Frankfurt bot sich als repräsentativer Ort für die feierliche Amtsübergabe am 23. Mai 1933 an, zumal es hierfür vormittags sein gesamtes Haus zur Verfügung stellte. [Anm. 1] Hier konnte der erste nationalsozialistische Rektor adäquat in sein Amt eingeführt werden und gleichzeitig seine Repräsentationsfläche ausweiten. Dementsprechend hatte Krieck einflussreiche Persönlichkeiten zu den Feierlichkeiten eingeladen; viele der Eingeladenen jedoch konnten (oder wollten?) nicht daran teilnehmen und entschuldigten ihre Abwesenheit mit diversen Verhinderungsgründen, wie dem vorausgehenden Schriftwechsel mit dem künftigen Rektor zu entnehmen ist. [Anm. 2]

 

Die nationalsozialistische Inszenierung der Rektoratsübergabe sollte nicht allein den geladenen Gästen im Opernhaus Frankfurt vorbehalten sein, vielmehr war es Krieck wichtig, den Gesinnungswandel von einer zuvor freien und liberalen Universität hin zu einer an nationalsozialistischen Werten orientierten, gleichgeschalteten Bildungsinstitution der ganzen Bevölkerung nahe zu bringen: Diejenigen, die an der großen Feier mit Blumenschmuck, Reden, Deutschland- und Horst-Wessel-Lied [Anm. 3] nicht direkt im Opernhaus teilnehmen konnten, sollten durch die Übertragung über Lautsprecher auf den Opernvorplatz oder über die Ausstrahlung im Rundfunk das Gefühl haben, dennoch unmittelbar am Geschehen teilzuhaben. Die Übertragung des Festaktes sollte - wie von Reichspropagandaminister Goebbels angeordnet - einen möglichst großen Personenkreis erreichen. Daher bat Krieck in seinem Schreiben vom 21. Mai 1933 den Intendanten des Südwestdeutschen Rundfunks in Frankfurt, Walter Beumelburg, um eine vorausgehende Ankündigung durch den Rundfunk. [Anm. 4]

Brief Ernst Kriecks vom 27. Mai 1933 [Quelle: Goethe-Universität Frankfurt am Main, Universitätsarchiv]

Brief Ernst Kriecks an den Intendanten der Südwestdeutschen Rundfunk GmbH, Walter Bemeulburg, vom 27. Mai 1933
Quelle: Goethe-Universität Frankfurt am Main, Universitätsarchiv

Die Bevölkerung sollte wissen, dass die Aufgabe der völkisch-politischen Universität darin bestehe, die nationale Willens- und Charakterbildung nachhaltig zu prägen. Die militante Wissenschaft werde die Studenten mehr heran ziehen, als die objektive Wissenschaft der vergangenen Zeit, betonte Ernst Krieck ferner in seiner Antrittsrede. [Anm. 5] Ob die universitären Feierlichkeiten im Opernhaus tatsächlich vorab im Hörfunk angekündigt wurden, bleibt ungewiss, da dieses Anliegen sehr kurzfristig an den Rundfunkintendanten des Südwestfunks herangetragen wurde. Einer vorausgehenden mündlichen Absprache widerspricht, dass sich keine Ankündigung der Rundfunkübertragung in den damaligen Rundfunkzeitschriften auffinden lässt. Von der Ausstrahlung der Rektoratsrede Ernst Kriecks im Hörfunk kann hingegen ausgegangen werden, da Krieck sich Ende Mai schriftlich beim Intendanten Beumelburg nachdrücklich dafür bedankte. [Anm. 6]

Die propagandistischen Feierlichkeiten der Rektoratsübergabe an Ernst Krieck besaßen starken Symbolcharakter und grenzten sich von vorausgehenden und darauffolgenden universitären Feierlichkeiten ab. Die Rezeption darauf - sei sie emotionaler, positiver oder kritischer Natur gewesen - lässt sich lediglich erahnen und könnte eventuell durch eine breiter angelegte Recherche näher beleuchtet werden. Allerdings waren sich die Nationalsozialisten der emotionalen Außenwirkung des Radios im Allgemeinen und der Live-Übertragung einer Veranstaltung im Besonderen bewusst. Der Gedanke, dass die Gleichzeitigkeit die persönliche Verbundenheit des Hörers mit dem Ereignis fördere und eine Bedingung zum Miterleben sei, war bereits von der Weimarer Rundfunkkritik verteidigt worden. Wie viele andere Ideen wurde auch sie von den Nationalsozialisten übernommen. Sowohl durch die Übertragung auf den Opernvorplatz und im Rundfunk als auch durch die Wahl der Repräsentationsfläche des Opernhauses veranschaulichte die Frankfurter Universität, dass sie als nunmehr gleich-geschaltete Bildungsinstitution gekonnt ein massenwirksames Signal nationalsozialistischen Charakters in Szene zu setzen verstand.

1 UA Kura: Schreiben Ernst Kriecks an die Intendanz des Opernhauses Frankfurt vom 05.05.1933: UAF, Abt. 1, Nr. 70, Bl. 1.

2 Vgl.: Universitätarchiv: Kuratoriumsakten.

3 Vgl. Notker Hammerstein, Die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Von der Stiftungsuniversität zur staatlichen Hochschule. Bd.I, 1940–1950, Neuwied/Frankfurt 1989, S. 210 und 247; Frankfurter Zeitung, Abendblatt und Erstes Morgenblatt, 24.05.1933, S. 1.

4 UA Kura: Schreiben Ernst Kriecks an den Intendanten des Südwestfunks, Walter Beumelburg, vom 21.05.1933: UAF, Abt. 1, Nr. 70, Bl. 6.

5 Frankfurter Zeitung, Abendblatt und Erstes Morgenblatt, 24.05.1933, S. 2.

6 UA Kura: Schreiben Ernst Kriecks an den Intendanten des Südwestfunks, Walter Beumelburg, v. 27.05.1933: UAF, Abt. 1, Nr. 70, Bl. 22.

Monica Denz, Die Goethe-Universität Frankfurt setzt bei der Rektoratsübergabe an Ernst Krieck auf die Wirkungsmacht des Rundfunks, in: USE: Universität Studieren / Studieren Erforschen, 14.08.2014, URL: http://use.uni-frankfurt.de/ton/denz/.