Max Kommerell
- Germanist mit den Schwerpunkten Barock, Klassik und Romantik, außerdem Übersetzer und Dichter
- Komparatistische Ansätze und Zusammenarbeit mit Romanisten (z.B. Ernst Robert Curtius)
- Gehörte von 1921 bis 1930 zum engsten George-Kreis
- Ab 1938 außerordentlicher Professor für Germanische Philologie in Frankfurt, zwischen 1941 und 1944 Ordinarius der Deutschen Philologie an der Philipps-Universität Marburg
- Schüler von Friedrich Panzer
- War zeitgleich an der Universität Frankfurt mit Matthias Friedwagner, Martin Sommerfeld, Helmut Hatzfeld, Franz Schultz, Arnold Hirsch, Leo Löwenthal, Ernst Erich Noth, Hermann Gumbel, Erhard Lommatzsch, Hellmuth Petriconi, Julius Schwietering, Hans Hermann Glunz, Josef Kunz, Bodo Mergell, Friedrich Ohly und Hennig Brinkmann
Max Kommerell wurde am 25. Februar 1902 in Münsingen in Württemberg geboren. Seine Eltern waren Eugen Kommerell (1854-1936, Oberamtsarzt) und Julie Kommerell (geb. Kleinmann). Max Kommerell war das jüngste von sechs Geschwistern, besuchte von 1908 bis 1912 die Lateinschule in Waiblingen und danach das Gymnasium in Cannstatt, wo er 1919 sein Abitur ablegte. 1931 heiratete er seine erste Frau Eva (geb. Otto) und im Jahr 1938 seine zweite Frau Erika (geb. Franck). Max Kommerell stand erst der Schulreformbewegung nahe und gehörte von 1921 bis 1930 zum engsten George-Kreis. 1939 trat er der NSDAP bei. Im Alter von 42 Jahren verstarb Kommerell am 25. Juli 1944 in Marburg.
1919-1924 | Studium der Deutschen Philologie, Geschichte, Philosophie, Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Romanischen Philologie in Tübingen, Heidelberg und Marburg |
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1924 | Promotion an der Universität Marburg bei Ernst Elster. Dissertation: "Jean Pauls Verhältnis zu Rousseau. Nach den Haupt-Romanen vorgestellt" |
1930 | Habilitation an der Universität Frankfurt am Main bei Hans Naumann (gefördert und eigentlich betreut wurde die Arbeit von Andreas Heusler, Basel). Habilschrift (ungedruckt): "Die Stabkunst des deutschen Heldenliedes" |
1931-1938 | Privatdozent für Germanische Philologie an der Universität Frankfurt am Main |
1933 | Amt des Dozentenführers, welches er 1934 verlor, da er sich für den abgesetzten Universitätskurator Kurt Riezler einsetzte |
SoSe 1934 | Vertretung des Lehrstuhls für Deutsche Literaturgeschichte. Vertritt Oskar Walzel an der Universität Bonn |
SoSe 1938 | Vertretung des Lehrstuhls für Neuere deutsche Philologie. Vertritt Ernst Bertram an der Universität Köln |
1938-1939 | Nichtbeamteter außerordentlicher Professor für Germanische Philologie an der Universität Frankfurt am Main |
1939-1941 | Außerplanmäßiger außerordentlicher Professor für Germanische Philologie in Frankfurt |
1941-1944 | Direktor des Germanischen Seminars / Ordinarius der Deutschen Philologie an der Universität Marburg |
SoSe 1944 | beurlaubt, angekündigte Vorlesungen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr gehalten |
Monographien
- Jean Pauls Verhältnis zu Rousseau. Nach den Haupt-Romanen dargestellt (Diss., Univ. Marburg, 1924), Marburg an der Lahn 1925
- Der Dichter als Führer in der deutschen Klassik. Klopstock. Herder. Goethe. Schiller. Jean Paul. Hölderlin, Berlin 1928
- Die Stabkunst des deutschen Heldenliedes [Habilschrift bei Hans Naumann, ungedruckt; gefördert und eigentlich betreut wurde die Arbeit von Andreas Heusler, Basel]
- Jean Paul, Frankfurt am Main 1933
- Das Volkslied und das Deutsche Lied, Frankfurt am Main 1936
- Lessing und Aristoteles. Untersuchung über die Theorie der Tragödie, Frankfurt am Main 1940
- Geist und Buchstabe der Dichtung. Goethe [- ab der 2. Aufl.: Schiller] - Kleist - Hölderlin, Frankfurt am Main 1940
- Gedanken über Gedichte, Frankfurt am Main 1943
- Beiträge zu einem deutschen Calderon. 2 Bände, Frankfurt am Main 1946
- 1. Band: Etwas über die Kunst Calderons
- 2. Band: Das Leben ist Traum. - Die Tochter der Luft - Dichterische Welterfahrung. Essays, hg. von Hans-Georg Gadamer, Frankfurt am Main 1952
Prosa, Lyrik und Dramen
- Gespräche aus der Zeit der deutschen Wiedergeburt [Gedichte], in: Blätter für die Kunst, Berlin 1929
- Leichte Lieder [Gedichte], Frankfurt am Main 1931
- Das letzte Lied [Gedichte], Frankfurt am Main 1933
- Dichterisches Tagebuch [Gedichte], Frankfurt am Main 1935
- Das kaiserliche Blut. Ein Drama im barocken Stil, Frankfurt am Main 1938
- Mein Anteil. Gedichte, Berlin 1938
- Terzinen an die Nacht. Ein Marionettenspiel, in: Die Neue Rundschau 50. Jg., 1939, H. 11, S. 374-384
- Der Lampenschirm aus den drei Taschentüchern. Eine Erzählung von gestern, Berlin 1941
- Die Lebenszeiten [Gedichte], Berlin 1941
- Mit gleichsam chinesischem Pinsel [Gedichtband], 2. Aufl., Frankfurt am Main 1946 (1944 Aufl. vernichtet)
- Die rote Hand [1. Szene], in: Karussell 1946, Literarische Monatsschrift, S. 51-57
- Hieronima [Erzählung], in: Karussell. Literarische Monatsschrift 2 1947, H. 16, S. 2-19
- Die Gefangenen. Trauerspiel in 5 Akten, Frankfurt am Main 1948
- Kasperle-Spiele für große Leute. Mit Illustrationen von Robert Pudlich und einem Nachwort von Arthur Henkel, Krefeld 1948
Übersetzungen
- Michelangelo. Dichtungen. Deutsch von Max Kommerell, Frankfurt am Main 1931
- Übertragungen aus Calderon, in: Die Neue Rundschau 47 1936, H. 5, S. 449-4463
- Neue Calderon-Übertragungen, aus: Tochter in der Luft, in: Die Neue Rundschau 48 1937, H. 3, S. 309-328
- Übertragungen aus der Elektra des Sophokles, in: Werke und Tage. Festschrift für Rudolf Alexander Schröder zum 60. Geburtstage am 26. Januar 1938, Berlin u. Hamburg 1938, S. 88-91
- Calderón: Beschreibung der Semiramis. La Hija del aire, II. 1. Übersetzung von Max Kommerell, in: Romanische Forschungen 53 1939, H. 1, S. 42-46
- Calderón-Übertragungen aus: La Hija del aire, in: Romanische Forschungen 55 1941, H. 1, S. 105-112
- Übertragungen aus Calderón. Das Leben ist Traum 2. Akt. 3.-10. Szene, in: Romanische Forschungen 56 1942, H. 1/2, S. 33-48
Aufsätze und Reden
- Hugo von Hofmannsthal. Eine Rede (Öffentliche Antrittsrede, gehalten am 1.11.1930 an der Universität Frankfurt am Main), Frankfurt am Main 1930
- Jugend ohne Goethe (Vortrag, gehalten in Frankfurt am Main, Januar 1931), Franfurt am Main 1931
- Schiller als Gestalter des handelden Menschen (Gedenkrede, gehalten an der Univ. Bonn, 09.11.1934), Frankfurt am Main 1934
- Grillparzer. Ein Dichter der Treue, in: Die Neue Rundschau, 47. Jg., 1936, H. 4, S. 362-371
- Jean Paul in Weimar, in: Das Innere Reich 3, 1936, 1. Halbjahr, S. 47-65
- Goethes indische Balladen, in: Goethekalender auf das Jahr 1937, Leipzig, S. 158-185
- Die Sprache und das Unaussprechliche. Eine Betrachtung über Heinrich von Kleist, in: Das Innere Reich 1937, Bd. 4, 1. Halbjahr, S. 654-697
- Dame Dichterin, in: Corona 8.Jg., 1938, H. 5, S. 488-510
- Humoristische Personifikation im 'Don Quijote', in: NR 49, 1938, H. 3 S. 209-232
- Der Vers im Drama, in: Blätter des Hessischen Landestheaters in Darmstadt, Spielzeit 1939/40, Nr.9, S. 85-96
- Die letzte Szene der Faustdichtung. Ein Interpretationsversuch, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur, 1940, Bd. 77, H. 2-3, S. 175-188
- Betrachtung über die Commedia dell'arte, in: Blätter der Städtischen Bühne, Frankfurt am Main 8 1941, S. 26-36
- Das Problem der Aktualität in Hölderlins Dichtung, in: Geist der Zeit, Wesen und Gestalt der Völker, Organ des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, 19.Jg., 1941, H. 10, S. 570-580
- Novalis: Hymnen an die Nacht, in: Gedicht und Gedanke, hg. von H.O. Burger, Halle 1942, S. 202-236
- "Nachlese der Gedichte" [1934], in: Die Neue Rundschau 1954, S. 568-573
Eine "synoptische Bibliographie der veröffentlichten Werke von Max Kommerell auf der Grundlage des Erreichbaren Ende 1966 zusammengestellt von Peter Alquist" findet sich in: Kommerell, Max: Briefe und Aufzeichnungen 1919-1944, aus dem Nachlaß hg. von Inge Jens, Freiburg im Breisgau 1967, S. 470-491.
SoSe 1931
| Geschichte des deutschen Verses |
WiSe 1931/32
| Heinrich von Kleist |
SoSe 1932
| Goethes Leben als Selbstgestaltung |
WiSe 1932/33
| Hoch- und Spätromantik |
SoSe 1933 | Nietzsche und George (Vorlesung) Übungen über die Gebrüder Grimm |
WiSe 1933/34 | Typen der dramatischen Dichtung (Weltliteratur) |
SoSe 1934
| Der große Roman von Grimmelshausen bis Stifter |
WiSe 1934/35 | Brentano, Eichendorff, E.T.A. Hoffmann Die großen Romane des deutschen Schrifttums Übungen über Goethe als Kritiker |
SoSe 1935
| Nietzsches Zarathustra Drama und Roman im Barock Colloquium über den deutschen Vers Übungen zu Schillers dramatischen Fragmenten |
WiSe 1935/36 | Heinrich von Kleist Märchen und Märchendichtung Übungen über Cl. Brentano |
SoSe 1936 | Clemens Brentano Lyrik des 18. und 19. Jahrhunderts Übungen zu Shakespeare und das deutsche Drama |
WiSe 1936/37 | Geschichte des deutschen Romans Erklärung von Faust 2. Teil Das Wunderhorn Übung: Qualitätsfrage innerhalb der Lyrik |
SoSe 1937 | Geschichte des Dramas in Deutschland Hans Sachs E.T.A. Hoffmann Übung zur Novelle |
WiSe 1937/38 | Das 18. Jahrhundert Hölderlin Colloquium über Versgeschichte Übung: Die Ballade als Gattung |
SoSe 1938 | Geschichte der Barockbühne u. des Barockdramas Kleist Hölderlins Elegien und Hymnen Metrische Analyse der althochdeutschen Stabdichtung |
WiSe 1938/39 | Bühne und Drama im Barock Metrische Analyse der althochdeutschen Stabdichtung Hölderlins Elegien und Hymnen Übungen zu Goethes Wanderjahren |
SoSe 1939 | Bühne und Drama im Barock Hölderlins Elegien und Hymnen Übungen über Goethes Wanderjahre |
WiSe 1939/40 | Schiller, Kleist, Grillparzer |
Trimester 1 1940
| Schiller, Kleist, Grillparzer |
Trimester 2 1940
| Große deutsche Romane Wien und Paris als Theaterstädte Proseminar: Grimmelshausen Simplizissmus |
Trimester 3 1940
| Deutsche Lyrik Von der Wanderbühne zum stehenden Theater Proseminar: Volksmärchen und Kunstmärchen in der Romantik |
Trimester 1 1941
| Lyrik im 19. Jahrhundert (Fortsetzung) Anfänge der stehenden Bühne (Fortsetzung) Proseminar: Das bürgerliche Drama |
SoSe/WiSe 1941 | Kommerell wird im Verzeichnis als Außerplanmäßiger Professor aufgeführt (Wechsel nach Marburg) |
Quelle: Vorlesungsverzeichnisse der Universität Frankfurt am Main.
Max Kommerell; Bild: Mit freundlicher Genehmigung des "Museum für Literatur am Oberrhein, Karlsruhe"
"Todfeind der Fachgenossen" mit dichterischer Begabung
Kurz vor seinem Tod schrieb Max Kommerell in einem Brief vom 7. Juli 1944 an den Theologen Rudolf Bultmann, seine Fachgenossen sähen in ihm mit völligem Recht ihren natürlichen Todfeind. Schon in frühen Jahren wandte er sich gegen den Schulbetrieb und stattdessen der Jugendbewegung zu, für deren Erziehungskonzepte er sich engagierte. Nach dem Wechsel an die Universität Heidelberg und durch die Bekanntschaft mit Stefan George verwarf er den Plan, Lehrer zu werden, da er den Beruf des Schulmeisters als Unterdrückung seiner Produktivität anzusehen begann. Insgesamt neun Jahre (1921-1930) war Kommerell Mitglied des engsten George-Kreises und wurde sogar zu Georges 'Lieblingsjünger'. Die Ansichten des ‚Meisters‘ George wirkten sich auf seine frühen Schriften aus und prägten ihn nachhaltig. Kommerell war – im Alter von 28 Jahren – einer der wenigen, die sich komplett vom Kreis trennten und sich somit von der jüngerhaften Unterordnung befreiten, die er zunehmend als Hemmung seines Potentials und Einschränkung seiner Interessen empfand. Gleichzeitig mit der Trennung von Stefan George im Jahr 1930 wurde Kommerell an der Universität Frankfurt am Main habilitierte sich, wo er in der Zeit von 1931 bis 1941 lehrte. In Frankfurt konnte er sich Dichtern widmen, die ihm während der George-Zeit verboten waren (z.B. Hugo v. Hofmannsthal) und sich der Weltliteratur zuwenden. Während eines Vertretungssemesters in Bonn lernte er den Romanisten Ernst Robert Curtius kennen, mit dem ihn sein Interesse für Calderón verband, dessen Dramen er übersetzte. Max Kommerell schrieb nicht nur wissenschaftliche Texte und Übersetzungen, sondern veröffentlichte im Laufe seines Lebens zahlreiche Gedichte, ein Drama, Kasperle-Spiele und eine Erzählung, die von seinem Sprachgefühl und seiner Begabung als Dichter zeugen. Diese wirkte sich auch auf seine unkonventionelle wissenschaftliche Arbeit aus, durch die er sich von seinen Fachgenossen distanzierte.
...Vom 'Puck' zur 'Kröte': Der Bruch mit Stefan George
Als Max Kommerell Anfang der 1920er Jahre in den George-Kreis aufgenommen wurde, handelte es sich bei dieser elitären Vereinigung um einen hierarchischen Verbund aus ‚Jüngern‘, die ihrem ‚Meister‘ Stefan George unterstanden. Während Kommerell noch im Mai 1920 an seine Schwester Jul Strebel über die Option, dem Kreis beizutreten, schrieb: „Nun bin ich keineswegs soweit, und ich müßte auf mir sehr liebe und werte Dinge verzichten“, setzte er sich ab dem folgenden Jahr einer neunjährigen Unterwerfung aus. Sein Lebenslauf zeigt, dass er im Allgemeinen eine Vorliebe für Lesekreise hegte und nach Lehrerfiguren und Vorbildern suchte. Im George-Kreis lernte Kommerell seinen langjährigen Freund Johann Anton, Friedrich Gundolf und die Brüder Claus, Alexander und Berthold von Stauffenberg kennen, gleichzeitig distanzierte er sich von alten Freunden und wandte sich wieder von der Reformschulbewegung ab; Vorgänge innerhalb des Kreises mussten geheim gehalten werden. [Weiterlesen]
...Die Weltliteratur: 'Fremdheit als Heimat' in chaotischen Zeiten
Nach dem Bruch mit George und dem Wechsel nach Frankfurt, begann Max Kommerells Beschäftigung mit der Weltliteratur. Dabei stand er in Briefwechsel mit den Romanisten Werner Krauss (Marburg), Fritz Schalk (Köln) und Ernst Robert Curtius, den er während eines Vertretungssemesters in Bonn kennen gelernt hatte. Gleichzeitig wandte er sich damit von einer NS-Germanistik ab, die deutsche Werke vornehmlich in einem nationalen Rahmen deutete und so schrieb er 1942 an Karl-Gustav Gerold: „Überhaupt sinke ich immer meinem Kebsweib, der Romanistik, in die Arme, meine Legitime redet zu viel von sich.” Diese ‚Liaison‘ wirkte sich erheblich auf die Auswahl der Themengebiete aus. [Weiterlesen]
...Der Literaturwissenschaftler als Schriftsteller
Max Kommerell hat neben seiner Tätigkeit als Lehrender und seinen wissenschaftlischen Publikationen auch zahlreiche Gedichte, Dramen, Umdichtungen, Novellen und Kasperle-Spiele geschrieben. In dem folgenden Zeitstrahl sind seine belletristischen Veröffentlichungen zusammengetragen. Er zeigt anschaulich, wie vielseitig Kommerell auch als Literat war. [Weiterlesen]
Im Blick der Nachwelt
Max Kommerell zählt sicherlich zu den bemerkenswertesten Germanisten seiner Zeit und ist der bedeutendste Literaturwissenschaftler, der aus dem George-Kreis hervorging. Neben seinen literaturwissenschaftlichen Werken veröffentlichte er auch zahlreiche Gedichte, schrieb dramatische Werke und Übersetzungen. Kommerell faszinierte viele seiner Zeitgenossen durch seine unkonventionelle Denkweise, seine Studenten schätzten wohl seine unprofessorale und humorvolle Art. Außerdem stand er in freundschaftlichem Verhältnis zu vielen berühmten Wissenschaftlern seiner Epoche (Ernst Robert Curtius, Martin Heidegger, Heinrich Zimmer, Carl Orff und Karl Reinhardt). Trotzdem und obwohl seine Texte sich durch eine außergewöhnliche Sprachgewandtheit auszeichnen, werden sein Leben und Werk verhältnismäßig wenig rezipiert – die erste umfassende Biografie erschien erst im Jahr 2011 (Christian Weber: Max Kommerell: Eine intellektuelle Biographie). Dass Kommerell in der Wissenschaftsgeschichte weniger Beachtung genießt als sein Lebenslauf vermuten lässt, mag zum Einen mit seinem frühen Tod zusammenhängen (er starb im Alter von 42 Jahren), zum Anderen mit seiner Außenseiter- und Sonderlingposition in seinem Fach. Ein Weiteres sind die politischen Umstände seiner Zeit, zu denen er sich kaum äußerte. Diese Zurückhaltung gegenüber dem Nationalsozialismus, mit dem er sogar zwischen 1930 und 1933 sympathisierte, wurde ihm oft – besonders im Zuge der 68er-Bewegung – vorgeworfen.
Die Aussagen von Freunden und Zeitgenossen sowie von Wissenschaftlern, die sich intensiv mit dem Phänomen Kommerell auseinander gesetzt haben, können jedoch die Wirkung der schillernden Figur Max Kommerell am eindringlichsten zeigen. [Zu den Zitaten]
Essay
Die Wiedergabe der 'Tonart': Zu Max Kommerells Calderón-Übertragungen
von Viola Grossbach
Am 26. März 1938 schreibt Max Kommerell in einem Brief an Rudolf Alexander Schröder über die Eigenschaft einer gelungenen Übersetzung: „Man kann eben nicht einfach übersetzen, sondern muß den Stil creieren, als Tonart des Ganzen […] um das einzelne in so gesteigerter Weise sagen zu können“ (BA, 340). Der folgende Essay ist der Versuch, Kommerells Idee der 'Tonart' mit seinen Calderón-Übersetzungen in Einklang zu bringen. Eine eindeutige Definition des Begriffs ist in seinen Schriften nicht auffindbar, vielmehr sieht man sich einer großen Zahl sich aufeinander beziehender Begrifflichkeiten (z.B.: 'Gebärde', 'Seele', 'Stimmung', 'Zeichen') ausgesetzt, die eher symbolisch als bezeichnend verwendet werden. [Weiterlesen]
Das Porträt von Max Kommerell wurde zusammengestellt von Viola Grossbach, Christina Lena Koch und Leona Winkler