Anzahl der jüdischen und nichtjüdischen Stifter

von Pascal Balló

Von den 60 Stiftern waren 55% jüdischer und 45% nichtjüdischer Herkunft. In Relation zu dem jüdischen Bevölkerungsanteil in Frankfurt – 6,3% im Jahr 1910 – ist das stark überproportional. Interessant ist, dass dieser Stifteranteil des jüdischen Frankfurter Bürgertums für die Universitätsgründung den allgemeinen Stiftungsanteil der Juden in Frankfurt übertrifft. [Anm. 1]

Schaubild 1: Verteilung der jüdischen und nichtjüdischen Stifter 1911-1914
Schaubild 1: Verteilung der jüdischen und nichtjüdischen Stifter 1911-1914 (Grafik Balló)

Demzufolge lag die Stiftungsbeteiligung der Stifter zwischen 1911 und 1914 um beachtliche 25,5% höher. Auch im Vergleich mit der Beteiligung der Juden an den naturwissenschaftlichen Instituten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft wird die rege Stiftungs- und Schenkungsbeteiligung der Frankfurter Juden hervorgehoben. [Anm. 2] Vor dem Hintergrund der aufgestellten These liegt die Vermutung nahe, dass das jüdische Frankfurter Wirtschaftsbürgertum eine freie und liberale Universitätsgründung unterstützen wollte. Diese Vermutung wird wiederum insbesondere durch die aufgestellten Bedingungen von Robert Flersheim, Gans, Moritz und Katharina Oppenheim, Mathilde von Rothschild und Max von Goldschmidt-Rothschild, (Georg und) Franziska Speyer sowie Jacob Schiff unterstrichen. [Anm. 3] Die Begründung dieser Universitätsstiftungen wurde eindeutig unter die Prämisse gestellt, dass bei der Lehrstuhlbesetzung konfessionelle und religiöse Gesichtspunkte keine Rolle spielen dürften. [Anm. 4] Zudem wurde ausdrücklich auf einen Vertretungssitz im Kuratorium insistiert. [Anm. 5] Ferner wurde ebenso – wohl um sich für etwaige jüdische Professuren einzusetzen – die Wahrung der Mitbestimmungsrechte des Kuratoriums bei den Lehrstuhlbesetzungen als Bedingung gestellt. [Anm. 6]

Darüber hinaus wollten Schiff und das Oppenheim-Ehepaar den Grundsatz der tatsächlichen Gleichberechtigung zumindest an ihrem zur Verfügung gestellten Lehrstuhl vermutlich insofern wahren, als § 5 der Stiftungssatzung die jüdische Herkunft der drei Vorstandsvorsitzenden als Voraussetzung vorgab. [Anm. 7] Auch von Rothschild und von Goldschmidt-Rothschild formulierten dieselbe Bedingung. [Anm. 8] Allerdings war der Stiftungszweck nicht die Errichtung eines Lehrstuhles, sondern eher allgemeiner Natur.

Die Speyers beeinflussten, wie bereits dargelegt, die Verhandlungen der Universitätsgründung insofern mit, als das der Georg Speyer-Stiftung zufallende Kapital nur unter den Bedingungen zu verwenden war, dass bei der Verwendung des Geldes konfessionelle und religiöse Standpunkte irrelevant sein und dem Stiftungsvorstand in der Universität, zwei Sitz- und Stimmrechte verliehen werden würden.

Flersheim hingegen forderte bei der Verwendung des Geldes seiner Stiftung lediglich die Berücksichtigung des Grundsatzes der konfessionellen und religiösen Gleichberechtigung. [Anm. 9]

An dieser Stelle muss auf Gans hingewiesen werden, der seiner Leo Gans-Stiftung ein Sitz- und Mitbestimmungsrecht schriftlich zusichern. Es kann vermutet werden, dass er die Benachteiligung jüdischer Dozenten vermeiden wollte. Daher soll Gans auch über die aus seiner Sicht beschnittenen Mitbestimmungsrechte der Stifter enttäuscht gewesen sein. [Anm. 10]

Der große jüdische Stifteranteil und die gestellten Bedingungen legen somit den Schluss nahe, dass für das jüdische Frankfurter Bürgertum die freie und liberale Konstituierung der Stiftungsuniversität zumindest eine bedeutende Voraussetzung war. Diese Vermutung soll im folgenden Unterkapitel am finanziellen Anteil des jüdischen Frankfurter Bürgertums weiter hervorgehoben werden.

Anmerkungen

[1] Der Stiftungsanteil der Juden in Frankfurt lag bei 29,5%, Vgl. hierzu Klötzer, Über das Stiften, S. 25; vgl. auch Schembs, Jüdische Mäzene, S. 24.

[2] Lowenstein zufolge kamen „mindestens 25 der 89 Gründungsmitglieder der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (die die Errichtung der Institute förderte) aus jüdischen Familien“, was einem 28%igen Anteil entsprechen würde. Vgl. Lowenstein, Der jüdische Anteil, S. 328.

[3] Vgl. Tabelle: Jüdische Stifter 1911-1914.

[4] Ausgenommen die Leo Gans-Stiftung.

[5] Ausgenommen die Robert Flersheim-Stiftung.

[6] Vgl. Tabelle: Jüdische Stifter 1911-1914.

[7] Vgl. hierzu § 5 der Stiftungssatzung im IfS, Magistratsakten, S, 1.663 und Magistratsakten, S, 1.662.

[8] Vgl. hierzu § 5 der Stiftungssatzung im IfS, Magistratsakten, S, 1.664.

[9] Vgl. IfS, Magistratsakten, S, 1.629.

[10] Vgl. Groening, Leo Gans, S. 72f. Allerdings stellt sich hierbei die Frage, warum er dann nicht ebenso wenigstens, wie andere jüdische Stifter, seine Universitätsstiftung an die Bedingung knüpfte, dass bei Besetzung der Lehrstühle, konfessionelle und religiöse Standpunkte keine Rolle spielen dürfen.

Pascal Balló, Anzahl der jüdischen und nichtjüdischen Stifter [Teilabschnitt aus: Pascal Balló, Die Gründung der Universität Frankfurt und ihre Stifter jüdischer Herkunft], in: USE: Universität Studieren / Studieren Erforschen, 15.08.2014, URL: http://use.uni-frankfurt.de/36stifter/ballo/stifter/anzahl/.

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