Der Gründungsprozess: Einführende Hinweise

von Pascal Balló

Adickes sorgte u. a. durch eine Bau- und Infrastrukturpolitik dafür, dass neben dem bisherigen eminent wichtigen Börsenplatz, dem allerdings von Berlin sukzessive der Rang abgelaufen wurde, ein weiteres wirtschaftliches, genauer gesagt ein industrielles, Standbein aufgebaut wurde. Durch die Eingemeindungen Frankfurter Vororte, insbesondere Bockenheims, wurde der industrielle Zweig massiv ausgebaut. [Anm. 1] Die politischen und infrastrukturellen Maßnahmen hatten ein weiterhin prosperierendes Frankfurter (Wirtschafts-) Bürgertum zur Folge, das somit nach wie vor mäzenatisch tätig werden konnte. [Anm. 2]

Viele dieser Stiftungen, die entweder ausschließlich von Bürgern oder von Bürgern und Stadt finanziert wurden, scheinen aber nur auf den ersten Blick unabhängig voneinander gegründet worden sein. Vielmehr beeinflusste oder insistierte Adickes gar bei Frankfurtern Bürgern auf eine Stiftungsgründung. [Anm. 3] Der Frankfurter Oberbürgermeister arbeitete folglich – im Sinne der Denkschrift Kanngießers – daran, viele der vorhandenen Stiftungen und neu zu begründenden Stiftungen institutionell zusammenzufassen  und im Sinne einer künftigen Universität zu gestalten. [Anm. 4]

Anmerkungen

[1] Vgl. Forstmann, Frankfurt, S. 386.

[2] Das Kaiserreich (1871-1918) gilt im Ganzen als der Höhepunkt des deutschen Mäzenatentums. Vgl. Schiller, Stiftungen, S. 134. Zu Frankfurt, vgl. Bartelsheim, Frankfurter Stiftungswesen, S. 102. Das jüdische Stiftungswesen explodierte erst insbesondere mit Beginn der 1890er Jahre. Vgl. Roth, ‚Der Toten Nachruhm‘, S. 112.

[3] Die zeitgenössischen Überlieferungen zeichnen alle ein Bild von einem charismatischen Adickes, der die Menschen in seinem Sinne beeinflussen konnte. Dies versinnbildlichen insbesondere zwei überlieferte Zitate. Ein Frankfurter Industrieller soll nach einem Treffen mit Adickes gesagt haben: „Ich war bei Adickes und wollte eine Stiftung für den Physikalischen Verein machen und habe eine Stiftung für die Akademie gemacht.“ Vgl. Wachsmuth, Gründung, S. 2. Nach einem Arbeitsessen mit dem Frankfurter Oberbürgermeister soll sich ein Bürger wie folgt geäußert haben: „Wenn ich diesen Oberbürgermeister ganz pensionieren müßte, käme er mich billiger, als wenn er in Frankfurt bleibt.“ Vgl. Klötzer, Über das Stiften, S. 24.

[4] Adickes wird bei der Darstellung des Gründungsprozesses im Fokus stehen, weil er an allen Vorgängen und Entscheidungen bezüglich der Universitätsgründung involviert war. Es soll jedoch dadurch in keiner Weise die Leistung der Stifter, der Stadtverordnetenversammlung und der Entscheidungsträger der beteiligten Stiftungen geschmälert werden. Zur Kritik hierzu, vgl. Roth, Stadt und Bürgertum, S. 498f.

Pascal Balló, Der Gründungsprozess: Einführende Hinweise [Teilabschnitt aus: Pascal Balló, Die Gründung der Universität Frankfurt und ihre Stifter jüdischer Herkunft], in: USE: Universität Studieren / Studieren Erforschen, 15.08.2014, URL: http://use.uni-frankfurt.de/36stifter/ballo/stiftungstradition/gruendungsprozess/.

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