Brinkmann im Ausland

Gastvorträge in Stockholm: Januar 1943

Hennig Brinkmann verbringt, während seiner Zeit als ordentlicher Professor für Deutsche Philologie an der Universität Frankfurt am Main, auch einige Zeit im Ausland. Seine erste Reise führt ihn für wenige Tage nach Stockholm. Dort hält er am 25. und 26. Januar 1943 in der Hochschule Stockholm eine vierstündige Vorlesung zum Thema „Erbe und Abendland – die ritterliche Dichtung Deutschlands in der geschichtlichen Welt.“ [1] Da sein Visum nur vom 24. bis zum 27. Januar galt, bedauert Brinkmann in seinem Reisebericht die beschränkten Möglichkeiten zur Fühlung- und Einflussnahme. Weiterhin berichtet er, wie er in Stockholm die Reife, Entschlossenheit und den Eifer der deutschen Soldaten und Studenten hervorhob. So fällt es Brinkmann sicherlich nicht schwer, „am Beispiel der grossen staufischen Dichtungen (besonders Nibelungenlied, Walther von der Vogelweide und Wolfram) zu zeigen, wie damals die geschichtliche Welt in der Dichtung erscheint. Damit war aber gleichzeitig Gelegenheit gegeben, das Verständnis für die Werttafeln zu fördern, die im nationalsozialistischen Deutschland gelten“.

 

Ordentlicher Professor für deutsche Sprache und Literatur der Universität Istanbul: Oktober 1943 – April 1944

Von Oktober 1943 bis April 1944 wird Hennig Brinkmann ordentlicher Professor für deutsche Sprache und Literatur an der Universität in Istanbul. Nachdem einige emigrierte Wissenschaftler in der Türkei Zuflucht gefunden hatten, war es für die Nationalsozialisten von großem Vorteil, eine Person wie Hennig Brinkmann nach Istanbul senden zu können. Zu seinen offiziellen Aufgaben gehörte es, den Deutschunterricht der Türkei zu ,inspizieren‘ und die Germanistik sowie die Sprachschule an der Universität weiter auszubauen.

Ursprünglich war der emigrierte Romanist Erich Auerbach damit beauftragt, sich um einen Professor für Germanistik an der Universität in Istanbul zu bemühen. Nachdem er aus der Schweiz nur Absagen erhielt, soll ein Prof. Hanke aus Basel eine Vorschlagsliste mit deutschen Professoren versendet haben, auf welcher Brinkmanns Name weit oben zu finden war. Doch Erich Auerbach war laut Brinkmanns Ausführungen gegen dessen Berufung: „In der Fakultätssitzung vom 3. März haben die deutschen Emigranten Prof. Peters und Prof. Auerbach sich heftig gegen Sache und Person gewendet. Sie meinten, dass deutsche Professoren doch nur als Propagandisten des Nationalsozialismus kommen würden.“ [2]

Der Widerspruch war nutzlos und nach Brinkmanns Ankunft sucht dieser die Verträge der Universität mit der von Auerbach geleiteten Sprachschule schnellstmöglich zu beenden. „Es wird demnach in Zukunft keine Deutschkurse ausserhalb des Deutschen Seminars geben; sie werden also dem Einfluss des Juden Auerbach entzogen sein.“ [3] Weiterhin berichtet Brinkmann von seinen Gesprächen mit dem türkischen Dekan: „Ich entwickelte dem Dekan meine Pläne, eher so, dass er den Eindruck gewinnen musste, ich lege ihm nur seine eigenen Gedanken dar.“ [4] Brinkmann hegt große Pläne für eine völlige Neubegründung. Hiermit meint er beispielsweise die Errichtung einer ordentlichen Bibliothek, die zu diesem Zeitpunkt durch einen ,Überfluss an jüdischer Literatur‘ zu nichts zu gebrauchen sei. Deshalb sieht Brinkmann vor, die germanistische Bibliothek in eine Art multimedialen Erlebnisraum zu verwandeln. Er spricht von Zeitschriften, Schallplatten und Bildern von Landschaften und Kulturstätten. „Der Raum, in den sie treten, soll mit auswechselbaren Bildern ausgestattet sein, dass sie Deutschland ständig anschaut und sich in sie eingräbt.“ [5]  

Weiterhin stellt er fest, dass von einem wissenschaftlichen Betrieb der Germanistik keine Rede sein kann. Er selbst fasst seine Maßnahmen wie folgt zusammen: „Das erste, das sofort in die Wege geleitet werden muss, […] ist die Errichtung eines grossen Instituts. Es wird sich etwa als Deutsches Seminar bezeichnen und nach aussen hin den Anschein wahren, als ob es lediglich für das germanistische Studium bestimmt sei. In Wirklichkeit muss es als deutsches Kulturinstitut aufgebaut werden, in der Anlage ähnlich den Deutschen wissenschaftlichen Instituten, die das Reich im Ausland unterhält […]. Der Staat hält das Unterrichtswesen in allen seinen Zweigen und in allen seinen Formen fest in seiner Hand. So bietet allein die neue germanistische Professur eine Möglichkeit, auf eine Weise zu wirken, die sonst von unseren wissenschaftlichen Instituten und Lektoraten im Ausland wahrgenommen wird.“

Da eine Verlängerung der Berufung in Istanbul nicht möglich scheint, kehrt Brinkmann, noch vor Vollendung seiner angestrebten Maßnahmen, im April 1944 an die Universität in Frankfurt am Main zurück.

 

Ordentlicher Professor an der Universität Agram/Zagreb

Nachdem Hennig Brinkmann seine Inspektionstätigkeiten in Istanbul beendet hatte und für ein Semester wieder in Frankfurt lehrte, wird er von November 1944 bis Mai 1945 erneut aus Frankfurt abberufen. Als ordentlicher Professor an der Universität Agram/Zagreb muss er schon nach einem Semester wegen des Kriegsendes seine Lehrtätigkeit beenden. In einem Brief vom 8. Oktober 1948 berichtet Brinkmann seinem Kollegen Karl Reinhardt von seiner Heimkehr aus Kroatien Ende Juni 1945. Ein Reisebericht dieser Abberufung liegt in der Rektoratsakte in Frankfurt nicht vor. Als Brinkmann aus Kroatien zurückkehrt, liegt seine Frankfurter Wohnung bereits im Sperrgebiet und die Fakultät der Universität weigert sich, Brinkmann wieder in ihren Dienst zu stellen.

 

Sarah Ebert

 



[1] Frankfurt am Main, Universitätsarchiv [UAF], Rektoratsakte, Blatt 18.

[2] UAF, Rektoratsakte, Blatt 27.

[3] UAF, Rektoratsakte, Blatt 29.

[4] UAF, Rektoratsakte, Blatt 28.

[5] UAF, Rektoratsakte, Blatt 33.