Die Frankfurter Studentenschaft an der Philosophischen Fakultät der Johann Wolfgang Goethe-Universität von 1932 bis 1935

 

Von den insgesamt 340 Immatrikulationen an der philosophischen Fakultät der Goethe-Universität in Frankfurt am Main der Jahre 1932 bis 1935 wurde mit 95 Immatrikulationen der Großteil im Wintersemester 1932/33 registriert. Die Registrierung fand in Form einer handschriftlichen Eintragung in ein Immatrikulationsbuch statt. Neben Angaben wie Name, Geburtsort, Staatsangehörigkeit und Konfession enthalten die Listen auch Informationen über die beruflichen Tätigkeiten des Vaters sowie die zuvor besuchte Schule. Statt des Studienfachs wurde üblicherweise lediglich die Fakultät eingetragen, was eine fachgenaue Zuordnung der Studierenden bis auf Einzelfälle unmöglich macht. Die quantitativen Angaben beziehen sich demnach auf alle Studierenden der philosophischen Fakultät in dieser Zeitspanne und nicht nur auf die Germanisten. 

Die graphische Darstellung der Studierendenzahlen der philosophischen Fakultät der Goethe-Universität in dem fraglichen Zeitraum in Abbildung 1 zeigt einen stetigen Abfall in der Anzahl, und dabei einen massiven Einbruch im Sommersemester 1934, bei dem sich die Zahl der Studierenden fast halbiert. Dieser Einbruch ist höchstwahrscheinlich auf entsprechende politische Entscheidungen der neuen Machthaber zurückzuführen. Zum einen beschloss das Kultusministerium im Februar 1933 Schülerinnen und Schüler, die kein gutes Abitur abgelegt hatten, explizit von einem Studium abzuraten. Diesbezügliche Mitteilungen an die Eltern wurden herausgegeben, und sollte ein solcher Schüler doch ein Studium aufnehmen wollen, so konnte er mit keinen Studienvergünstigungen rechnen. [1] Zum anderen trat am 25. April 1933 das ,Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen‘ in Kraft. Mit der vordergründigen Intention, dass zunächst einmal der „Bedarf der Berufe“ gedeckt sein solle, traf das Gesetz vor allem Studierende jüdischer Konfession. [2] So war es jüdischen Studenten und Studentinnen nur noch in Ausnahmefällen erlaubt zu promovieren; Stipendien wurden ihnen versagt, zum Staatsexamen wurden sie nicht mehr zugelassen. [3] Eine direkte Konsequenz aus diesem Gesetz war jedoch weiterhin die Einführung eines generellen Numerus Clausus, außerdem die Anordnung, die Erteilung einer Hochschulreife im Abiturjahrgang 1934 auf 15.000 Schüler und Schülerinnen im gesamen deutschen Reich zu beschränken – damit sollte es nur 37% aller Abiturienten gestattet sein, ein Studium aufzunehmen. [4]

Abbildung 1: Anzahl der Student/-innen an der philosophischen Fakultät der Johann Wolfgang Goethe-Universität in den Jahren 1932 bis 1935 pro Semester

 

Der Entschluss war jedoch nicht von Dauer. Das im Mai 1934 gegründete Reichserziehunsministerium zweifelte an dem Ausmaß der Restriktionen und befürchtete einen Mangel an Akademikern im Lande, was zur Folge hatte, dass ab Februar 1935 wieder alle Abiturienten auch die Hochschulreife erhielten und der Numerus clausus nach nur zwei Semestern wieder abgeschafft wurde. [5] Obwohl sich die Zahl der Studierenden an der philosophischen Fakultät von ihrem Tiefstand im Sommersemester 1934 wieder erholte, sank sie von 1932 bis 1935 dennoch um knapp 50 Prozent (siehe Abbildung 1). Dieses Phänomen ist in diesem Zeitraum deutschlandweit zu beobachten und hat nach der einschlägigen Forschung drei Gründe: die weltkriegsbedingt niedrige Geburtenrate und der damit verminderte Umfang der Abiturjahrgänge; das abnehmende Interesse der Abiturienten, mangels entsprechender Berufsaussichten und wegen finanzieller Probleme überhaupt ein Studium aufzunehmen; sowie die damit zusammenhängende gestiegene Offenheit gegenüber nicht-akademischen Berufen, insbesondere im militärischen Bereich. Hinzu kam die Einführung der Wehrpflicht, welche einen möglichen Studieneinstieg verzögerte, sowie eine nun gesamtgesellschaftlich vordringende Abneigung gegen den „Intellektualismus“. [6]

Abbildung 2: Anzahl der weiblichen und männlichen Studierenden an der philosophischen Fakultät der Johann Wolfgang Goethe-Universität in den Jahren 1932 bis 1935 pro Semester im direkten Vergleich

 

Wenn, wie in Abbildung 2 zu sehen ist, sich die Zahlen von weiblichen und männlichen Studenten vom Wintersemester 1932/33 zum Sommersemester 1933 annähern, ist dies vor allem auf den Rückgang an männlichen Studenten zurückzuführen. So halbierte sich deren Anzahl fast von 61 auf 34, während es bei den weiblichen Studentinnen lediglich drei mehr wurden (von 25 auf 28). Auffällig ist auch, dass die Anzahl der weiblichen Studentinnen drastischer abnimmt als die der männlichen und sich auch nach dem Einbruch im Sommersemester 1934 nicht erholt (von 12 auf 13). Für diesen Rückgang an Studentinnen gibt es zahlreiche mögliche Gründe. Zum einen beinhaltete die Begrenzung der Erteilungen der Hochschulreife die Klausel, dass von eben diesen nicht mehr als zehn Prozent an Frauen vergeben werden dürfen. [7] Jedoch auch als diese Klausel zusammen mit der generellen Beschränkung von Hochschulzugangsberechtigungen wieder aufgehoben wurde, nahm die Anzahl an Studentinnen dennoch weiterhin drastisch ab. Zum einen ist dafür das grundsätzliche Frauenbild in der nationalsozialistischen Ideologie verantwortlich. So hatte eine Frau in erster Linie Mutter zu sein, wie auch Gauleiter und SA-Gruppenführer Jakob Sprenger mit den Worten: „ein Kind dem Führer“[8] als Zulassungsvoraussetzung betonte, als er in Frankfurt am Main einen Vortrag vor Studentinnen der Universität hielt. Ein weiterer, besonders im Zusammenhang mit der Altgermanistik interessanter Einflussfaktor ist der, dass Lehrerinnen an Instituten höherer Bildung massiv diskriminiert wurden. Dies hatte Entlassungen, Versetzungen und vorzeitige Pensionierungen zur Folge. [9] Die Tatsache, dass die Zahl der weiblichen Studentinnen in der Zeit nach 1933 vor allem an der philosophischen Fakultät verhältnismäßig hoch zu sein schien, da man ein kultur- oder geisteswissenschaftliches Studium eher als allgemein-, weniger als berufsausbildend ansah, verdeutlicht, wie niedrig die Zahlen an anderen Fakultäten gewesen sein müssen. [10]

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Zahl der Studentinnen und Studenten an der philosophischen Fakultät der Goethe-Universität in Frankfurt am Main seit dem Zeitpunkt der ,Machtergreifung‘ Ende des Wintersemesters 1932/33 innerhalb von drei Jahren halbiert hat. Während sich die Anzahl der Studentinnen um 70 Prozent verringerte, ging die Zahl der männlichen Studenten um 54 Prozent zurück. Verursacht wurde dies durch bildungspolitische Entscheidungen, aber auch durch zunehmende Diskriminierung sowie Änderungen in der Geisteshaltung vieler Abiturientinnen und Abiturienten. Um nach dem quantitativen Einblick auch etwas über tatsächliche Studentinnen und Studenten der Altgermanistik aussagen zu können, werden im Folgenden exemplarisch einige Personen vorgestellt.


[1] Vgl. Michael Grüttner, Studenten im Dritten Reich (Sammlung Schöningh zur Geschichte und Gegenwart). Paderborn [u.a.] 1995.

[2] Ebd.

[3] Vgl. Michael Maaser, Die Frankfurter Studenten im „Dritten Reich“. In: Jörn Kobes und Jan-Otmar Hesse (Hgg.), Frankfurter Wissenschaftler zwischen 1933 und 1945 (Schriftenreihe des Frankfurter Universitätsachrivs, Band I). Göttingen 2008, S. 235-251.

[4] Vgl. Grüttner (Anm. 1)

[5] Vgl. ebd.

[6] Vgl. ebd.

[7] vgl. ebd.

[8] Zit. nach Maaser (Anm. 3), S.246

[9] Vgl. Grüttner (Anm. 1)

[10] Vgl. ebd.

 

 

Julia Buchheimer

Yasemin Dogru

Julia Vrdoljak

Quellen und Forschungsliteratur [Einsehen]