Einblick in Brinkmanns Publikation „Die deutsche Berufung des Nationalsozialismus“ (1934)

Während die Werke von Hennig Brinkmann im Allgemeinen fachwissenschaftlich orientiert sind und sich mit der deutschen und lateinischen Sprache und deren Entwicklung beschäftigen, wird man bei dieser Publikation aus dem Jahre 1934 zwangsläufig hellhörig. Der Begriff „Nationalsozialismus“ steckt hier bereits im Titel und auch der Untertitel „Deutsche Spannungen – Deutsche Not – Deutsche Umkehr“ schürt Erwartungen.

Schon die Gestaltung des Einbandes ist vielsagend. Die schwarze und rote Schrift auf dem hellen Untergrund weckt direkte Assoziationen zu der Flagge der Nationalsozialisten. Inhaltlich wird schnell klar, dass es dem damals 33-jährigen Brinkmann darum ging, die Weltanschauung des Nationalsozialismus zu propagieren.

Deutsche Spannungen

Im ersten Kapitel „Deutsche Spannungen“ stellt Brinkmann dar, wodurch ein Spannungszustand im Abendland verursacht worden sei, wobei er wild durch die Epochen springt. Er spricht davon, dass Karl der Große zwar die Voraussetzungen für ein deutsches Leben formte, dabei jedoch Romanen und Germanen zusammen als Einheit fasste, was aus Brinkmanns Sicht ein großer Fehler war. „[W]as er als gemeinsamen geistigen Inhalt auferlegte, war Fremdgut aus Antike und Christentum.“ [1] Er sah hierin die innere Einheit der Germanen gestört. Auch die unterschiedliche Entwicklung des Minnesangs und der Lyrik in den verschiedenen deutschen Gebieten führt er auf das unterschiedliche Verhältnis zu Antike und Christentum zurück.

Preußen war für Brinkmann ein Lichtblick. „Hier reifte Preußen zu dem schönen Beruf das zweite Reich zu bauen durch eine Staatsgesinnung, die in neuen Formen alte Werte germanischen Gepräges erweckte: eine heroische Haltung, Bereitschaft zu opferfrohem und tätigem Dienst am Ganzen, das Verhältnis Führer - Gefolgschaft“. [2]

Auch die Aufklärung trägt nach Brinkmanns Verständnis eine Schuld an den deutschen Spannungen. Der Gedanke, dass die Menschen von Natur aus im Besitz der Vernunft gleich sind, sei falsch. Er beruft sich dabei auf von Gott gesetzte Grenzen zur „Verschiedenartigkeit und -wertigkeit“ [3] der Menschen. Die durch die Aufklärung eingetretene „Überfremdung […] [und] die Unfähigkeit, bei uns große Leistungen zu entbinden“ [4], sei durch die deutsche Bewegung der Goethezeit damals überwunden worden. Heute könne die germanisch-römische Auseinandersetzung nur noch durch die nationalsozialistische Revolution beendet werden.

Deutsche Not

Das zweite Kapitel „Deutsche Not“ knüpft erneut an die vermeintlich unpolitische und lebensfremde Aufklärung an, die laut Brinkmann zur „Zertrümmerung“ [5] des Menschen wurde. Von hier an geht Brinkmann immer wieder - nicht immer ganz chronologisch - auf die vermeintlichen Missstände und Verfehlungen der einzelnen Epochen ein, deren Grund durchweg das Verdrängen germanischer Bräuche, Traditionen, Denk- und Lebensweisen seien.

Besonders das Recht des Individuellen in der Frühromantik schien ihn zu stören, wodurch alles Gegenständliche aufgelöst sei und zum Spiel des schöpferischen Ichs werde. „Das aber stürzte den Menschen in eine Krise, die seine Verlorenheit offenbarte.“ [6] Analog hierzu kritisiert er die Ich-Sucht des Liberalismus. Besonders lobend werden in diesem Kapitel Moeller van den Bruck und Adolf Hitler als Wegbereiter eines neuen Deutschlands erwähnt.

Deutsche Umkehr

Das dritte Kapitel mit dem Titel „Deutsche Umkehr“ gestaltet sich als Loblied auf den Nationalsozialismus und seine vermeintlich rettende Funktion. Spätestens in diesem Kapitel spricht Brinkmann so offen und direkt über parteipolitische Inhalte und verwendet nationalsozialistisches Vokabular, dass seine persönliche Einstellung unbestreitbar scheint. Rassenideologie, Antisemitismus und übersteigerter Nationalismus prägen seine Ausführungen, wenn er beispielsweise bemerkt: „Natürlich ist nicht jedes Leben gleich wertvoll. Es gibt schädliche Elemente, deren Vererbung unerwünscht ist. Auszuschließen sind Fremdrassige, deren Eindringen den Volkskörper infolge ihrer Andersartigkeit und ihrer zersetzenden Wirkung gefährdet.“ [7]

Erst gegen Ende des Kapitels nimmt Brinkmann wieder Bezug zur deutschen Dichtung, seinem eigentlichen Fachgebiet. Er ist begeistert von einer Dichtung mit neuer geistiger Haltung und spricht von Hermann Stehr, Max Mell, Hans Carossa, Ina Seidel, Agnes Miegel und Lulu von Strauß und Torney. Außerdem spricht er sich klar gegen Ernst Wiechert aus, der den Nationalsozialisten aufgrund seiner politisch nicht gleichgeschalteten Veröffentlichungen und seinem Einfluss auf die Jugend ein Dorn im Auge war und wenige Jahre später sogar für kurze Zeit im KZ Buchenwald inhaftiert war.

Die Qualität der Dichtung habe sich laut Brinkmann beträchtlich verbessert, da die Menschen nun wieder wüssten, dass sie nicht sich selbst besitzen könnten, sondern dass ihr Leben den anderen mitgehöre und sie „in Schicksalsgemeinschaft stehen“. [8] Abschließend zitiert Brinkmann mehrmals Stefan George und erfreut sich offenkundig an der blühenden Entwicklung des Nationalsozialismus: „Ein Vergleich des Nationalsozialismus mit dieser Dichtung, die als Sprecher eines neuen Wollens gelten, offenbart den Umschwung des Lebensgefühls auf mächtiger Breite.“ [9]

 

 Sarah Ebert

 

 


[1] Brinkmann, Hennig: Die deutsche Berufung des Nationalsozialismus, Jena (1934), S. 8

[2] Ebd., S. 11

[3] Ebd., S. 16

[4] Ebd., S. 16

[5] Ebd., S. 18

[6] Ebd., S. 24

[7] Ebd., S. 84

[8] Ebd., S. 95

[9] Ebd., S. 95