Heinrich Harmjanz

  • Ordentlicher Professor für Volkskunde und Direktor des Instituts für Volkskunde an der Universität Frankfurt a.M. von 1938 bis 1944
  • Aufgrund seines Amtes im Reichserziehungsministerium von 1937 bis 1943 nur selten an der Universität anwesend
  • Durch diverse Funktionen im nationalsozialistischen Staat ebenso politische wie wissenschaftliche Figur
  • Im Zuge eines Plagiatskandals Verlust seiner REM-Ämter 1943 und Ausscheiden aus dem Universitätsbetrieb 1944

Heinrich Harmjanz wurde am 22. Mai 1904 in Neuruppin als Sohn eines Zahnarztes geboren. Er war evangelischer Konfession. Harmjanz und Ehefrau Ingeborg, geb. Tiedge, hatten einen Sohn.

Seit dem 1. Mai 1930 war Harmjanz Mitglied der NSDAP sowie im Verlauf der Zeit auch der Verbände NSV, Luftschutz, Kolonialbund, NS-Studentenbund und NS-Dozentenbund. Von 1930 bis 1933 und von 1937 bis 1944 war er außerdem Mitglied der SS, in der er seit 1941 den Rang des Obersturmbannführers innehatte. Damit gehörte Harmjanz zu den ersten 14 SS-Leuten Königsbergs. Ebenfalls seit 1937 war er Referent für Geisteswissenschaft im Reichserziehungsministerium (REM), wo er 1942 zum persönlichen Referenten des Reichserziehungsministers Bernhard Rust und zum Ministerialdirektor aufstieg und „für Berufungen im Bereich der Geistesgeschichte unmittelbar verantwortlich“ [1] war. Ab 1939 leitete er die Abteilung für Volkskunde und Volksforschung im „Ahnenerbe“ der SS. Im selben Jahr wurde Harmjanz Träger des neugeschaffenen ‚Amtes des Generaltreuhänders für die Sicherstellung deutschen Kulturgutes in den eingegliederten Ostgebieten‘ und damit der „zuständige Bearbeiter im Reichserziehungsministerium [für die] Liquidierung von wissenschaftlichen Einrichtungen“. [2]

1943 führte ein Plagiatskandal um einige seiner Publikationen zum Verlust seiner REM-Ämter und 1944 zum Ausschluss aus der SS. Bis zum Kriegsende war Harmjanz Wachtmeister bei der Wehrmacht.

Nach dem Ende des „Dritten Reiches“ arbeitete Harmjanz als Lateinlehrer in Hannover. Die Frankfurter Universität verwehrte ihm seine Versorgungsbezüge, weil seine Berufung an die Universität nicht in einem normalen Verfahren, sondern aus politischem Druck geschehen und er niemals in Lehre oder Forschung tätig gewesen sei.

Harmjanz starb am 2. März 1994 in Burgwedel nahe Hannover.

 


[1] Michael Kater, Das „Ahnenerbe“ der SS. 1935-1945. Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches. Stuttgart 1974, S. 137.

[2] Andrzej Me̜żyński, Kommando Paulsen. Organisierter Kunstraub in Polen 1942-45. Köln 2000, S. 66.

1928-1932 Studium in München und Königsberg
1932 Promotion in Königsberg („Die deutschen Feuersegen und ihre Varianten in Nord- und Osteuropa“)
1935 Habilitation in Königsberg („Volk, Mensch und Ding. Erkenntniskritische Untersuchungen zur volkskundlichen Begriffsbildung“)
seit 1935 Privatdozent für Volkskunde, Volksforschung, Soziologie und Grenz- und Auslandsdeutschtum an der Grenzlanduniversität Königsberg
ab Juni 1937 ordentlicher Professor in Königsberg
ab WiSe 1938 bis 1944 ordentlicher Professor für Volkskunde an der Universität Frankfurt; Direktor des Instituts für Volkskunde (ab dem WS 1939/40 geführt als Institut für Volkskunde und Volksforschung)
ab SoSe 1940 keine Veranstaltungen mehr an der Universität
1944 Ende der Universitätskarriere im Zuge des Plagiatskandals um seine Person
nach 1945 Professor zur Wiederverwendung in Elze bei Hannover

Monographien (Auswahl)

  • Die deutschen Feuersegen und ihre Varianten in Nord- und Osteuropa. Helsinki 1932.
  • Volk, Mensch und Ding. Erkenntniskritische Untersuchungen zur volkskundlichen Begriffsbildung. Berlin/Königsberg 1936.
  • Volkskunde und Siedlungsgeschichte Altpreußens. Berlin 1936.
  • Ostpreußische Bauern. Volkstum und Geschichte. Königsberg 1938.
  • Frühaskanische Landnahme im brandenburgischen Havelland (gezeigt am Beispiel des Glin). Berlin 1942.

Aufsätze (Auswahl)

  • Polnische Volkskunde. In: Zeitschrift für Volkskunde (1938), S. 19-33.
  • Deutsche Volkskunde. Entwicklung, Inhalt und Aufgabe einer jungen Wissenschaft. In: Geist der Zeit 20 (1942), S. 281-293.

Herausgeberschaften

  • Atlas der deutschen Volkskunde. Leipzig 1937-1945 (mit Erich Röhr).
  • Zeitschrift für Volkskunde, 1938-41.
  • Volkstumsgeographische Forschungen. In Verbindung mit dem Atlas der deutschen Volkskunde. Leipzig 1939 (mit Erich Röhr).
  • Archiv für Religionswissenschaft, 1940-42.
  • Volksforschung. Beihefte zur Zeitschrift für Volkskunde. Berlin 1940 (mit Erich Röhr).
SoSe 1939 Geschichte der deutschen Volkskunde bis auf Möser
Übungen zum „AtIas der deutschen Volkskunde" mit besonderer Berücksichtigung des Rhein-Main-Gebietes
WiSe 1939/40 Das deutsche Haus
Übungen zur Einführung in die volkskundlichen Arbeitsweisen mit besonderer Berücksichtigung der geschichtlichen Entwicklung der Volkskunde im 19. Jahrhundert

(Bild: Universitätsarchiv München)

Frühaskanische Landnahme im brandenburgischen Havelland (gezeigt am Beispiel des Glin)

Auf dem Höhepunkt deutscher Expansion, 1942, erschien Heinrich Harmjanz‘ Monografie zur Volksforschung in der Reihe „Beihefte zur Zeitschrift für Volkskunde“ im Ahnenerbe-Stiftung Verlag. Harmjanz war zu dieser Zeit in Führungsposition im „Ahnenerbe“ der SS und bis zur kriegsbedingten Einstellung ein Jahr zuvor auch Herausgeber der „Zeitschrift für Volkskunde“ ... [Weiterlesen]

Volk, Mensch und Ding. Erkenntniskritische Untersuchungen zur volkskundlichen Begriffsbildung

In seiner 1936 vom Königsberger Universitätsbund herausgegebenen Habilitationsschrift begibt sich Heinrich Harmjanz auf einen Streifzug durch die deutsche Volkskunde. Er stellt dar, was ihre Voraussetzungen sind, wie sich die Volkskunde von der Völkerkunde abgrenzen lässt... [Weiterlesen]

Quellen

[Einsehen]